sich 
stets eifriger Pflege erfreuten, betrachtet und so mit diesen Schriften 
vereint überliefert wurde. 
* * * * * 
3. Textgeschichte. 
Die nachweisbar älteste Handschrift war ein in Unzialen ohne 
Worttrennung oder Interpunktion geschriebener mit zahlreichen 
Randbemerkungen versehener und spätestens dem 5./6. Jahrh. 
angehöriger Kodex, dem der Schluß der Poetik aber ebenfalls 
bereits abhanden gekommen war. Im 9. Jahrh. wurde er von einem 
Nestorianischen Mönch wörtlich ins Syrische übersetzt. Diese 
Übertragung bildete ihrerseits die Vorlage für die arabische 
Übersetzung des Abu Bishar Matta (990--1037), die in einer arg 
ververstümmelten und lückenhaften Pariser Hs des 11. Jahrh. 
erhalten ist. Aufs dem arabischen Text beruhte die jämmerlich 
verkürzte, zum Teil sinnlose Paraphrase des berühmten arabischen 
Gelehrten _Averröes_ (1126 bis 1198), denn die orientalischen 
Übersetzer standen (S. XIV) dem Inhalt der Poetik mit der denkbar 
tiefsten Verständnislosigkeit gegenüber. Eine genaue 
Untersuchung hat aber den unwiderleglichen Beweis erbracht, daß 
jene alte, griechische Hs einen weit vorzüglicheren Text darbot als 
die älteste uns erhaltene Hs, der Parisinus 1741 aus dem 10. Jahrh. 
und daß die bisher fast allgemein geltende Ansicht, dieser sei der 
Stammvater aller späteren, übrigens sehr zahlreichen Hss, den 
Tatsachen nicht entspricht. 
* * * * * 
4. Die Poetik in der Neuzeit.
Es ist ein seltsames Zusammentreffen, daß gerade um die Zeit, da die 
Hegemonie des Philosophen Aristoteles, der die Gedankenwelt des 
Mittelalters beherrscht hatte, sich ihrem Ende zuneigte, seine Poetik 
aus langer Vergessenheit im Abendlande wieder auftauchte und er nun 
alsbald als literarischer Diktator, gleichsam als Ersatz für das 
verlorene Reich, einen erneuten Siegeslauf antrat. Die Poetik erschien 
zuerst in einer wörtlichen lateinischen Übersetzung des Georgius 
Valla (1498), die editio princeps des Originals zehn Jahre später in 
einer Aldina. Den ersten Kommentar lieferte F. Robortelli (Florenz 
l548), dem innerhalb zwei Dezennien drei weitere gelehrte und 
umfangreiche Kommentare folgten: Madius (Venedig 1550), _P. 
Victorius_ (Florenz 1560) und Castelvetro (Wien 1570). Bis etwa zur 
Wende des 18. Jahrh. waren bereits mehr als 100 Ausgaben und 
Übersetzungen erschienen--die Poetik wurde öfter als irgendein 
anderes Werk griechischer Prosa herausgegeben,--doch ist im 
wesentlichen, weder in der Textkritik noch in der Erklärung, ein 
nennenswerter Fortschritt über die genannten Leistungen zu 
verzeichnen. Ein solcher trat erst mit den Arbeiten (S. XV) zweier 
Engländer, Twining (1789) und Tyrwhitt (1794) ein, während 
Lessing etwas früher in der Hamburgischen Dramaturgie (1767/8) 
das Studium der Poetik in Deutschland zu neuem Leben erweckte. Die 
erste deutsche Übersetzung von Curtius (1755) war nämlich als 
solche sehr kläglich ausgefallen und die ihr beigegebenen 
Abhandlungen waren ganz von Dacier (1692) abhängig und in 
Gottschedschem Geiste geschrieben Sie hat aber insofern ein gewisses 
historisches Interesse, weil sowohl Goethe wie Schiller die 
aristotelische Schrift aus ihr kennen lernte. Eine neue Epoche sowohl 
für die Textkritik wie für die Erklärung begann dann erst wieder 
mit Vahlen, der zuerst konsequent die Recensio auf die älteste Hs, 
den Parisinus 1741 (A^c), aufbaute und in seinen "Beiträgen zu 
Aristoteles Poetik" ("Wien 1865/6), einer der hervorragendsten 
hermeneutischen Leistungen unserer Wissenschaft, das Verständnis 
der Poetik mächtig förderte. Mehr negativ von Bedeutung war 
sodann die glänzende Abhandlung von _J. Bernays_ (1857) über 
die Katharsis da sie der Ausgangspunkt einer gewaltigen Kontroverse 
wurde, die bis auf den heutigen Tag noch nicht zur Ruhe gekommen 
ist.
Etwa gleichzeitig mit jenen vier großen italienischen 
Kommentatoren des 16. Jahrh. begann die literarische Kritik sich mit 
den Lehren der Schrift zu beschäftigen, wobei der Einfluß des 
Castelvetro besonders verhängnisvoll werden sollte, denn das 
berühmte Gesetz der "Drei Einheiten," der Handlung, der Zeit und 
des Ortes, von denen Aristoteles einzig und allein die erste kennt und 
fordert, beruht auf einem Mißverständnis des Castelvetro. 
Sogenannte "Poetiken" sprangen vom 16. Jahrh. wie Pilze aus dein 
Boden. Samt und sonders nehmen sie zu den wirklichen, leider zu oft 
auch zu den vermeintlichen Lehren des Aristoteles (S. XVI) Stellung 
und gar bald versuchten epische und dramatische Dichter, zuerst in 
Italien, dann in Frankreich jene Lehren praktisch zu verwerten. Unter 
den Kritikern und Verfassern von Lehrbüchern der Dichtkunst des 16. 
Jahrh. seien hier nur die einflussreichsten genannt, was aber 
keineswegs immer besondere Originalität oder Selbständigkeit 
voraussetzt: Minturno, De poeta (1559), _J.C. Scaliger_, Poetices libri 
VII (1561),[3] Sir Philip Sidney, Defense of Poesy (c. 1583, gedruckt 
1595), Patrizzi, Della Poetica (1586), ein fanatischer Gegner des 
Aristoteles und seiner Poetik. Von Dichtern, die unter dem Einfluß 
des Aristoteles standen und in eigenen Abhandlungen oder auch in 
Einleitungen zu ihren Werken sich mit ihm auseinandersetzten, seien 
erwähnt: Trissino, dessen "Sophonisba" als die erste italienische 
Tragödie gilt (1555), Fracastoro, Naugerius sive de Poetica dialogus 
(1555), _T. Tasso_, Discorsi dell' Arte Poetica (1586), Jean de la Taille, 
Préface zu Saul (1572). Dieser und die früheren französischen 
Kritiker überhaupt wie Jodelle, der Verfasser der ersten 
französischen Tragödie, Cleopâtre (1552), Vauquelin de la 
Fresnaye, Art poetique (begonnen 1574, gedruckt 1605), Ronsard und 
die anderen Mitglieder der Pléiade, sie alle beschäftigten sich mehr 
oder weniger eingehend    
    
		
	
	
	Continue reading on your phone by scaning this QR Code
 
	 	
	
	
	    Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the 
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.
	    
	    
