Schnipsel | Page 8

Cory Doctorow
zu haben?Ò
Und so legten sie los, zuerst war Adrian nur erleichtert, aber sie hatte wunderbare
Geschichten, Geschichten von Tapferkeit und Aufopferung, von Freunden, verstreut Ÿber
die Sterne, die Meere und die Erde, als das Schiff zurŸckkehrte, und dem hohlen
Verlangen nach ihnen, das sie nun erfŸllte. Bevor er es merkte, brach die Nacht herein.
Er entdeckte ein weiteres Bootleg, frisch von Mohan, und sie blitzbackten es und
stimmten Ÿberein, dass es mit einer vollstŠndigen Datei besser war als mit einem
verstŸmmelten Schnipsel. Nichtsdestoweniger hatte ihr Freund Nestor ein wesentlich
interessanteres Leben als der 80-jŠhrige Maler, den sie gerade abgespielt hatten.
Als sie sich verabschiedeten, nahm Adrian ihre Hand und sagte ihr, was fŸr eine
wundervolle Zeit er mit ihr verbracht hatte. ãDenkst du, du kšnntest mir einen Gefallen
tun?Ò
ãSicher!Ò, sagte sie heiter.
ãKšnntest du ein paar Dateien fŸr mich aufheben?Ò
Wenn sie auch nur fŸr einen Augenblick gezšgert hŠtte, wŸrde er es zurŸckgenommen
haben, hŠtte ihr gesagt, sie solle es vergessen. Er war kein Bastard Ð sie war wirklich
cool, die erste Person in seinem Alter seit Jahren, mit der er zusammen gewesen war,
einfach angenehm, mit ihr herumzuhŠngen. Sie zšgerte nicht, nicht eine Sekunde.
ãSicherÒ, sagte sie und er verschob alle Bootlegs, die er an diesem Nachmittag
gesammelt hatte, in ihren Speicher.
Adrian war nicht wirklich sicher, was physisch nahe Freunde zum VergnŸgen taten, aber
Tina hatte alle mšglichen Ideen. Sie trafen sich am nŠchsten Morgen zum FrŸhstŸck bei
einer šffentlichen Speisung, in der NŠhe von Adrians Wohnung, und die Schlange schien
nie kŸrzer gewesen zu sein, wŠhrend sie in der Beinahe-Stille des gedrŠngten Korridors

schwatzten.
Sie gingen spazieren, wŠhrend sie Post-Mangel-Waffeln und WŸrstchen in ihre MŸnder
schaufelten. Tina machte fortwŠhrend Bemerkungen Ÿber die Massen, die sich schiere
drŠngelnde Menschlichkeit des Ganzen. Die Parks waren zu dicht besetzt, als das man
dort hŠtte Spa§ haben kšnnen, aber weit drau§en im East End, wo untalentierte Bildhauer
auf den unbeliebten ehemaligen SchrottplŠtzen šffentliche Ateliers betrieben, fanden sie
genŸgend Bewegungsfreiheit.
Der Streit war Adrians Schuld. ãIch will ihn treffenÒ, sagte Adrian, wŠhrend sie einem
Mann mit Hammer und Mei§el dabei zusahen, wie er auf einem scheu§lichen
Marmorlšwen herumkletterte.
ãDen?Ò, sagte Tina. ãWarum? Der ist lausig.Ò
Adrian lŠchelte. ãPst. Nicht so laut Ð jedenfalls ist der nicht so mies, wie so manche
Leute, die sich hier herumtreiben. Nein, nicht ihn Ð Nestor, den Schiffs-Ingenieur. Du
wei§t schon -Ò
Ihr Ausdruck verschloss sich schlagartig. ãNein. Gott! Nein! Adrian, warum -Ò Sie
wŸrgte an dem, was immer sie als nŠchstes sagen wollte.
BestŸrzt schwŠchte Adrian ab. ãWarum nicht? Wei§t du, ehrlich, ich bewundere ihn.Ò
ãAber du warst in seinem Kopf!Ò, sagte sie empšrt. ãWie kšnntest du ihm in die Augen
blicken, nachdem ÐÒ, wieder fehlten ihr die Worte.
ãAber genau deshalb mšchte ich ihn treffen! Was ich gesehen habe, was er wei§, alles
macht soviel Sinn. Ich habe das GefŸhl, er kšnnte mir wirklich sagen, was hinter allem
steckt.Ò
Ihre Augen bekamen wieder dieses stŠhlerne Aussehen, das Million-Lichtjahre-Starren.
ãWenn du mit Nestor sprichst, werde ich nie wieder mit dir reden. Ich werde Ð ich werde
dich melden! Ich werde dich und alle deine Kumpel anzeigen!Ò
ãHerr, Tina, was ist mit dir? Du bist angeblich meine Freundin und jetzt willst du mich
melden?Ò Er war so zornig, dass er kaum sprechen konnte. Er wŸnschte, er unterhielte
sich Ÿber das Netz mit ihr, damit er einfach aufhŠngen und weggehen kšnnte. Er tat das
NŠchstbeste, machte auf dem Absatz kehrt und ging davon.
ãHey!Ò, Tina schrie, ebenfalls wŸtend.
Er ging weiter.
Sie fand ihn an seinem privaten Platz, in einer einseitigen Auseinandersetzung mit seiner
Mutter. ãMam, ich bin alt genug, mir einen eigenen Platz zu suchen und du kannst mich
nicht davon abhaltenÒ, schrie er in die Eingeweide der Boje. Im Innenohr hšrte er das
verŠrgerte Grunzen seiner Mutter und sein HUD war voll mit den vorbeiscrollenden

Systemaufzeichnungen, wŠhrend sie wŸtend seine Dateien lšschte. Sie war an diesem
Tag in einer besonders Ÿblen Laune.
ãMam!Ò, schrie er wieder. ãSprich mit mir oder ich Ð ich sperre dich aus!Ò
Tina sah zu, halb in, halb au§erhalb der Boje. Ihr Hinterteil war dem stechend kalten
Regen ausgesetzt, ihr Gesicht rštete sich in der eingefangenen KšrperwŠrme der Boje.
Adrian bemerkte sie gar nicht gleich, so vertieft war er in sein GesprŠch.
ãDas warÕsÒ, sagte er. ãJetzt bist du drau§en.Ò
Er šffnete seine Augen und sank seufzend gegen das Schott der Boje. Er erblickte Tina
und stie§ ein Ÿberraschtes ãJah!Ò aus.
Er erholte sich rasch, warf ihr einen gemeinen Blick zu und sagte ãVerzieh dich! Herr,
lass mich einfach in Ruhe!Ò
Sie hatte ihn angerufen, ihm eine Woche lang Nachrichten auf seiner Sprachbox
hinterlassen, aber er hatte sie gesperrt und alle ihre Nachrichten kamen ungehšrt zurŸck.
Stšrrisch kletterte sie das restliche StŸck hinein und kauerte sich so weit wie mšglich von
ihm
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 11
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.