Schelmuffsky erschien und 
mit gewaltigem Hallo unter den Studenten und in der Bürgerschaft 
aufgenommen war, ihn schlankweg v o n 
d e r   U n i v e r s i t ä t   z u   r e l e g i e r e n. Reuter hat dann in der 
Folgezeit in Dresden eine Anstellung erhalten. 1703 taucht er in Berlin 
auf, wo er zur Krönung des Königs und noch einmal später im Jahre 
1710 zu dessen Geburtstag ein Festspiel schrieb. Über seine weiteren 
Lebensschicksale ist so gut wie nichts bekannt. 
Den »S c h e l m u f f s k y« werden wir unbedingt zu den 
M e i s t e r w e r k e n   d e r   d e u t s c h e n 
h u m o r i s t i s c h e n   L i t e r a t u r zählen müssen. Die 
Prachtgestalt des Helden mit seiner Renommiersucht und grotesken 
Erfindungsgabe kann sich ruhig neben Falstaff sehen lassen und 
übertrifft an komischer Kraft jedenfalls den Münchhausen um ein 
bedeutendes. Das Ganze ist wie aus einem Gusse, die bunte Fülle der 
Erlebnisse und drastisch ausgemalter Situationen, dazu die köstliche 
Selbstcharakteristik Schelmuffskys, seine stetig wiederkehrenden 
Redensarten, wie das zum geflügelten Wort gewordene »Der Tebel hol 
mer«, und die eindrucksvolle Erzählung von seiner wunderbaren 
Geburt werden ihre Wirkung nie verlieren. Aber der »Schelmuffsky« 
ist mehr als der Ausfluß persönlichen Rachegefühls und jugendlichen 
Übermutes einer humoristisch veranlagten Natur: er ist zugleich eine 
g l ä n z e n d e S a t i r e   a u f   d i e   l ü g e n h a f t e n 
R e i s e s c h i l d e r u n g e n, die in jener Zeit zahlreich erschienen 
und begierig gelesen wurden, und vor allem auf die »alamodische« 
Sucht gewisser bürgerlicher Kreise, es in Haltung, Kleidung und 
sonstigen Gewohnheiten dem Adel gleichzutun. 
Der vorliegende Abdruck hält sich genau an den Wortlaut des Originals; 
nur mußten einige für unsere Ohren allzu derbe Stellen, an denen die 
Zeitgenossen Reuters keinen Anstoß nahmen, fortbleiben. Auch ist die
Rechtschreibung mehr den heutigen Verhältnissen angepaßt worden. 
Charlottenburg, G. Fritz. Mai 1912. 
[Illustration: v. Schelmuffsky.] 
 
Christian Reuter: 
Schelmuffsky 
1. Teil 
 
1. Kapitel. 
Deutschland ist mein Vaterland, in Schelmerode bin ich geboren, zu 
Sankt Malo[1] habe ich ein ganz halb Jahr gefangen gelegen und in 
Holland und England bin ich auch gewesen. Damit ich aber diese 
meine sehr gefährliche Reisebeschreibung fein ordentlich einrichte, so 
muß ich wohl von meiner wunderlichen Geburt den Anfang machen. 
Als die große Ratte, welche meiner Frau Mutter ein ganz neu seiden 
Kleid zerfressen, mit dem Besen nicht hatte können totgeschlagen 
werden, indem sie meiner Schwester zwischen den Beinen durchläuft, 
fällt die ehrliche Frau deswegen aus Eifer in eine solche Krankheit und 
Ohnmacht, daß sie ganzer vierundzwanzig Tage daliegt und kann sich, 
der Tebel hol mer[2], weder regen noch wenden. Ich, der ich dazumal 
die Welt noch niemals geschaut und nach Adam Riesens Rechenbuche 
vier ganzer Monat noch im Verborgenen hätte pausieren sollen, war 
dermaßen auch auf die sappermentsche Ratte so töricht, daß ich mich 
aus Ungeduld nicht länger zu bergen vermochte, und kam auf allen 
Vieren sporenstreichs in die Welt gekrochen. Wie ich nun auf der Welt 
war, lag ich acht ganzer Tage unten zu meiner Frau Mutter Füßen im 
Bettstroh, ehe ich mich einmal recht besinnen kunnte, wo ich war. Den 
neunten Tag so erblickte ich mit großer Verwunderung die Welt. O 
sapperment! wie kam mir alles so wüste da vor, sehr malade war ich, 
nichts hatte ich auf dem Leibe, meine Frau Mutter hatte alle Viere von
sich gestreckt und lag da, als wenn sie vor den Kopf geschlagen wäre, 
schreien wollte ich auch nicht, weil ich wie ein jung Ferkelchen dalag, 
und wollte mich niemand sehen lassen, weil ich nackend war, daß ich 
also nicht wußte, was ich anfangen sollte. Endlich dachte ich, du mußt 
doch sehen, wie du deine Frau Mutter ermunterst, und versuchte es auf 
allerlei Art und Weise; bald kriegte ich sie bei der Nase, bald krabbelte 
ich ihr unten an den Fußsohlen, letztlich nahm ich einen Strohhalm und 
kitzelte sie damit in dem linken Nasenloche, wovon sie eiligst auffuhr 
und schrie: Eine Ratte! Eine Ratte! Da ich nun von ihr das Wort Ratte 
nennen hörte, war es, der Tebel hol mer, nich anders, als wenn jemand 
ein Schermesser nähme und führe mir damit unter meiner Zunge weg, 
daß ich hierauf alsobald ein erschreckliches Auweh! an zu reden fing. 
Hatte meine Frau Mutter nun zuvor eine Ratte! eine Ratte! geschrien, 
so schrie ich    
    
		
	
	
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