selber. "Spielt denn der heute abend auch 
wieder mit?" fragte ich. 
"Freili, der is allimal dabei!" 
Mit untergeschlagenen Armen stand ich und betrachtete meinen lieben 
lustigen Allerweltskerl. Da baumelte er, an sieben Schnüren aufgehängt; 
sein Kopf war vornübergesunken, daß seine großen Augen auf den 
Fußboden stierten und ihm die rote Nase wie ein breiter Schnabel auf 
der Brust lag. "Kasperle, Kasperle", sagte ich bei mir selber, "Wie 
hängst du da elendiglich." Da antwortete es ebenso: "Wart nur, liebs 
Brüderl, wart nur bis heut abend!"--War das auch nur so in meinen 
Gedanken, oder hatte Kasperl selbst zu mir gesprochen?-Ich sah mich 
um. Das Lisei war fort; sie war wohl vor die Haustür, um die Rückkehr 
ihres Vaters zu überwachen. --Da hörte ich sie eben noch von dem 
Ausgang des Saales rufen: "Daß d' mir aber nit an die Puppen 
rührst!"--Ja--nun konnte ich es aber doch nicht lassen. Leise stieg ich 
auf eine neben mir stehende Bank und begann erst an der einen, dann 
an der andern Schnur zu ziehen; die Kinnladen fingen an zu klappen, 
die Arme hoben sich, und jetzt fing auch der wunderbare Daumen an, 
ruckweise hin und her zu schießen. Die Sache machte gar keine 
Schwierigkeit; ich hatte mir die Puppenspielerei doch kaum so leicht 
gedacht.--Aber die Arme bewegten sich nur nach vorn und hinten aus; 
und es war doch gewiß, daß Kasperle sie in dem neulichen Stück auch 
seitwärts ausgestreckt, ja, daß er sie sogar über dem Kopf 
zusammengeschlagen hatte! Ich zog an allen Drähten, ich versuchte mit 
der Hand die Arme abzubiegen; aber es wollte nicht gelingen. Auf 
einmal tat es einen leisen Krach im Innern der Figur. "Halt!" dachte ich, 
"Hand vom Brett! Da hättst du können Unheil anrichten!" 
Leise stieg ich wieder von meiner Bank herab, und zugleich hörte ich 
auch Lisei von außen in den Saal treten. 
"G'schwind, g'schwind!" rief sie und zog mich durch das Dunkel an die
Wendeltreppe hinaus; "'s is eigentli nit recht", fuhr sie fort, "daß i di 
eilass'n hab; aber, gel, du hast doch dei Gaudi g'habt!" 
Ich dachte an den leisen Krach von vorhin. "Ach, es wird ja nichts 
gewesen sein!" Mit dieser Selbsttröstung lief ich die Treppe hinab und 
durch die Hintertür ins Freie. 
Soviel stand fest, der Kaspar war doch nur eine richtige Holzpuppe; 
aber das Lisei--was das für eine allerliebste Sprache führte! und wie 
freundlich sie mich gleich zu den Puppen mit hinaufgenommen hatte! 
--Freilich, und sie hatte es ja auch selbst gesagt, daß sie es so heimlich 
vor ihrem Vater getan, das war nicht völlig in der Ordnung. Unlieb--zu 
meiner Schande muß ich's gestehen--war diese Heimlichkeit mir grade 
nicht; im Gegenteil, die Sache bekam für mich dadurch noch einen 
würzigen Beigeschmack, und es muß ein recht selbstgefälliges Lächeln 
auf meinem Gesicht gestanden haben, als ich durch die Linden- und 
Kastanienbäume des Gartens wieder nach dem Bürgersteig 
hinabschlenderte. 
Allein zwischen solchen schmeichelnden Gedanken hörte ich von Zeit 
zu Zeit vor meinem inneren Ohre immer jenen leisen Krach im Körper 
der Puppe; was ich auch vornahm, den ganzen Tag über konnte ich 
diesen jetzt aus meiner eigenen Seele herauftönenden unbequemen 
Laut nicht zum Schweigen bringen. 
Es hatte sieben Uhr geschlagen; im Schützenhofe war heute, am 
Sonntagabend, alles besetzt; ich stand diesmal hinten, fünf Schuh hoch 
über dem Fußboden, auf dem Doppeltschillingsplatze. Die Talglichter 
brannten in den Blechlampetten, der Stadtmusikus und seine Gesellen 
fiedelten; der Vorhang rollte in die Höhe. 
Ein hochgewölbtes gotisches Zimmer zeigte sich. Vor einem 
aufgeschlagenen Folianten saß im langen schwarzen Talar der Doktor 
Faust und klagte bitter, daß ihm all seine Gelehrsamkeit so wenig 
einbringe; keinen heilen Rock habe er mehr am Leibe, und vor 
Schulden wisse er sich nicht zu lassen; so wolle er denn jetzo mit der 
Hölle sich verbinden.--"Wer ruft nach mir?" ertönte zu seiner Linken 
eine furchtbare Stimme von der Wölbung des Gemaches herab.--"Faust, 
Faust, folge nicht!" kam eine andere, feine Stimme von der 
Rechten.--Aber Faust verschwor sich den höllischen Gewalten. --"Weh, 
weh deiner armen Seele!" Wie ein seufzender Windeshauch klang es 
von der Stimme des Engels; von der Linken schallte eine gellende
Lache durchs Gemach.--Da klopfte es an die Tür. "Verzeihung, Euere 
Magnifizenz?" Fausts Famulus Wagner war eingetreten. Er bat, ihm für 
die grobe Hausarbeit die Annahme eines Gehülfen zu gestatten, damit 
er sich besser aufs Studieren legen könne. "Es hat sich", sagte er, "ein 
junger Mann bei mir gemeldet, welcher Kasperl heißt und gar 
fürtreffliche Qualitäten zu besitzen scheint." Faust nickte gnädig mit 
dem Kopfe und sagte. "Sehr wohl, lieber Wagner, diese Bitte sei Euch 
gewährt." Dann gingen beide miteinander fort.-"Pardauz!" rief es; und 
da war er. Mit einem Satz kam er auf die Bühne gesprungen, daß ihm 
das Felleisen auf dem Buckel hüpfte.--"Gott sei gelobt!" dachte ich; "er 
ist noch ganz gesund; er springt noch ebenso wie vorigen Sonntag in 
der Burg der schönen Genoveva!" Und seltsam,    
    
		
	
	
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