sosehr ich ihn am 
Vormittage in meinen Gedanken nur für eine schmähliche Holzpuppe 
erklärt hatte, mit seinem ersten Worte war der ganze Zauber wieder da. 
Emsig spazierte er im Zimmer auf und ab. "Wenn mich jetzt mein 
Vater Papa sehen tät", rief er, "der würd sich was Rechts freuen. Immer 
pflegt er zu sagen: "Kasperl, mach, daß du dein Sach in Schwung 
bringst!"--Oh, jetzund hab ich's in Schwung; denn ich kann mein Sach 
haushoch werfen!"--Damit machte er Miene, sein Felleisen in die Höhe 
zu schleudern; und es flog auch wirklich, da es am Draht gezogen 
wurde, bis an die Deckenwölbung hinauf; aber--Kasperls Arme waren 
an seinem Leibe klebengeblieben; es ruckte und ruckte, aber sie kamen 
um keine Handbreit in die Höhe. 
Kasperl sprach und tat nichts weiter.--Hinter der Bühne entstand eine 
Unruhe, man hörte leise, aber heftig sprechen, der Fortgang des Stückes 
war augenscheinlich unterbrochen. 
Mir stand das Herz still; da hatten wir die Bescherung! Ich wäre gern 
fortgelaufen, aber ich schämte mich. Und wenn gar dem Lisei 
meinetwegen etwas geschähe! 
Da begann Kasperl auf der Bühne plötzlich ein klägliches Geheule, 
wobei ihm Kopf und Arme schlaff herunterhingen, und der Famulus 
Wagner erschien wieder und fragte ihn, warum er denn so lamentiere. 
"Ach, mei Zahnerl, mei Zahnerl!" schrie Kasperl. 
"Guter Freund", sagte Wagner, "so laß Er sich einmal in das Maul 
sehen! "--Als er ihn hierauf bei der großen Nase packte und ihm 
zwischen die Kinnladen hineinschaute, trat auch der Doktor Faust 
wieder in das Zimmer. --"Verzeihen Euere Magnifizenz", sagte Wagner,
"ich werde diesen jungen Mann in meinem Dienst nicht gebrauchen 
können; er muß sofort in das Lazarett geschafft werden!" 
"Is das a Wirtshaus?" fragte Kasperle. 
"Nein, guter Freund", erwiderte Wagner, "das ist ein Schlachthaus. 
Man wird Ihm dort einen Weisheitszahn aus der Haut schneiden, und 
dann wird er seiner Schmerzen ledig sein." 
"Ach, du liebs Hergottl", jammerte Kasperl, "muß mi arms Viecherl so 
ein Unglück treffen! Ein Weisheitszahnerl, sagt Ihr, Herr Famulus? Das 
hat noch keiner in der Famili gehabt! Da geht's wohl auch mit meiner 
Kasperlschaft zu End?" 
"Allerdings, mein Freund", sagte Wagner; "eines Dieners mit 
Weisheitszähnen bin ich baß entraten; die Dinger sind nur für uns 
gelehrte Leute. Aber Er hat ja noch einen Bruderssohn, der sich auch 
bei mir zum Dienst gemeldet hat. Vielleicht", und er wandte sich gegen 
den Doktor Faust, "erlauben Euere Magnifizenz!" 
Der Doktor Faust machte eine würdige Drehung mit dem Kopfe. 
"Tut, was Euch beliebt, mein lieber Wagner", sagte er; "aber stört mich 
nicht weiter mit Eueren Lappalien in meinem Studium der 
Magie!"--"Heere, mei Gutester", sagte ein Schneidergesell, der vor mir 
auf der Brüstung lehnte, zu seinem Nachbar, "das geheert ja nicht zum 
Stück, ich kenn's, ich hab es vor ä Weilchen erst in Seifersdorf 
gesehn."--Der andere aber sagte nur: "Halt's Maul, Leipziger!" und gab 
ihm einen Rippenstoß.--Auf der Bühne war indessen Kasperle, der 
zweite, aufgetreten. Er hatte eine unverkennbare Ähnlichkeit mit 
seinem kranken Onkel, auch sprach er ganz genau wie dieser; nur fehlte 
ihm der bewegliche Daumen, und in seiner großen Nase schien er kein 
Gelenk zu haben. 
Mir war ein Stein vom Herzen gefallen, als das Stück nun ruhig 
weiterspielte, und bald hatte ich alles um mich her vergessen. Der 
teuflische Mephistopheles erschien in einem feuerfarbenen Mantel, das 
Hörnchen vor der Stirn, und Faust unterzeichnete mit seinem Blute den 
höllischen Vertrag: 
"Vierundzwanzig Jahre sollst du mir dienen; dann will ich dein sein mit 
Leib und Seele." 
Hierauf fuhren beide in des Teufels Zaubermantel durch die Luft davon. 
Für Kasperle kam eine ungeheuere Kröte mit Fledermausflügeln aus 
der Luft herab. "Auf dem höllischen Sperling soll ich nach Parma
reiten?" rief er, und als das Ding wackelnd mit dem Kopfe nickte, stieg 
er auf und flog den beiden nach.--Ich hatte mich ganz hinten an die 
Wand gestellt, wo ich besser über alle die Köpfe vor mir hinwegsehen 
konnte. Und jetzt rollte der Vorhang zum letzten Aufzug in die Höhe. 
Endlich ist die Frist verstrichen. Faust und Kasper sind beide wieder in 
ihrer Vaterstadt. Kasper ist Nachtwächter geworden; er geht durch die 
dunkeln Straßen und ruft die Stunden ab: 
Hört, ihr Herrn, und laßt euch sagen, Meine Frau hat mich geschlagen; 
Hüt't euch vor dem Weiberrock! Zwölf ist der Klock! Zwölf ist der 
Klock! 
Von fern hört man eine Glocke Mitternacht schlagen. Da wankt Faust 
auf die Bühne; er versucht zu beten, aber nur Heulen und 
Zähneklappern tönt aus seinem Halse. Von oben ruft eine 
Donnerstimme: 
Fauste, Fauste, in aeternum damnatus es! 
Eben fuhren im Feuerregen drei schwarzhaarige Teufel herab, um sich 
des Armen zu bemächtigen, da fühlte ich eins der Bretter zu meinen 
Füßen sich verschieben. Als ich mich bückte, um es zurechtzubringen, 
glaubte ich aus dem dunkeln Raume unter mir ein Geräusch zu hören; 
ich horchte näher hin; es klang wie das Schluchzen einer 
Kinderstimme.--"Lisei!" dachte ich "wenn es Lisei wäre!" Wie ein    
    
		
	
	
	Continue reading on your phone by scaning this QR Code
	 	
	
	
	    Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the 
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.