die meine, daß ich davon erwachte. Da sah ich denn freilich, 
daß es nur ein Traum gewesen war.
Ich verschloß das alles in meinem Herzen und wagte zu Hause kaum 
den Mund aufzutun von der Puppenkomödie. Als aber am nächsten 
Sonntag der Ausrufer wieder durch die Straßen ging, an sein Becken 
schlug und laut verkündigte: "Heute abend auf dem Schützenhof: 
Doktor Fausts Höllenfahrt, Puppenspiel in vier Aufzügen!"--da war es 
doch nicht länger auszuhalten. Wie die Katze um den heißen Brei, so 
schlich ich um meinen Vater herum, und endlich hatte er meinen 
stummen Blick verstanden.--"Pole", sagte er, "es könnte dir ein Tropfen 
Blut vom Herzen gehen; vielleicht ist's die beste Kur, dich einmal 
gründlich satt zu machen." Damit langte er in die Westentasche und 
gab mir einen Doppeltschilling. 
Ich rannte sofort aus dem Hause; erst auf der Straße wurde es mir klar, 
daß ja noch acht lange Stunden bis zum Anfang der Komödie 
abzuleben waren. So lief ich denn hinter den Gärten auf den 
Bürgersteig. Als ich an den offenen Grasgarten des Schützenhofs 
gekommen war, zog es mich unwillkürlich hinein; vielleicht, daß gar 
einige Puppen dort oben aus den Fenstern guckten; denn die Bühne lag 
ja an der Rückseite des Hauses. Aber ich mußte dann erst durch den 
oberen Teil des Gartens, der mit Linden- und Kastanienbäumen dicht 
bestanden war. Mir wurde etwas zag zumute; ich wagte doch nicht 
weiter vorzudringen. Plötzlich erhielt ich von einem großen, hier 
angepflockten Ziegenbock einen Stoß in den Rücken, daß ich um 
zwanzig Schritte weiter flog. Das half; als ich mich umsah, stand ich 
schon unter den Bäumen. 
Es war ein trüber Herbsttag; einzelne gelbe Blätter sanken schon zur 
Erde; über mir in der Luft schrien ein paar Strandvögel, die ans Haff 
hinausflogen; kein Mensch war zu sehen noch zu hören. Langsam 
schritt ich durch das Unkraut, das auf den Steigen wucherte, bis ich 
einen schmalen Steinhof erreicht hatte, der den Garten von dem Hause 
trennte.--Richtig! Dort von oben schauten zwei große Fenster in den 
Hof herab; aber hinter den kleinen in Blei gefaßten Scheiben war es 
schwarz und leer, keine Puppe war zu sehen. Ich stand eine Weile, mir 
wurde ganz unheimlich in der mich rings umgebenden Stille. 
Da sah ich, wie unten die schwere Hoftür von innen eine Handbreit 
geöffnet wurde, und zugleich lugte auch ein schwarzes Köpfchen 
daraus hervor. 
"Lisei!" rief ich.
Sie sah mich groß mit ihren dunklen Augen an. "B'hüt Gott!" sagte sie, 
"hab i doch nit gewußt, was da außa rumkraxln tät! Wo kommst denn 
du daher?" 
"Ich?--Ich geh spazieren, Lisei!--Aber sag mir, spielt ihr denn schon 
jetzt Komödie?" 
Sie schüttelte lachend den Kopf. 
"Aber, was machst du denn hier?" fragte ich weiter, indem ich über den 
Steinhof zu ihr trat. 
"I wart auf den Vater", sagte sie, "er ist ins Quartier, um Band und 
Nagel zu holen, er macht's halt firti für heut abend." 
"Bist du denn ganz allein hier, Lisei?" 
--"O nei; du bist ja aa no da!" 
"Ich meine", sagte ich, "ob nicht deine Mutter oben auf dem Saal ist?" 
Nein, die Mutter saß in der Herberge und besserte die Puppenkleider 
aus; das Lisei war hier ganz allein. 
"Hör", begann ich wieder, "du könntest mir einen Gefallen tun; es ist 
unter eueren Puppen einer, der heißt Kasperl; den möcht ich gar zu gern 
einmal in der Nähe sehen." 
"Den Wurstl meinst?" sagte Lisei und schien sich eine Weile zu 
bedenken. "Nu, es ging scho; aber g'schwind mußt sein, eh denn der 
Vater wieder da ist!" 
Mit diesen Worten waren wir schon ins Haus getreten und liefen eilig 
die steile Wendeltreppe hinauf.--Es war fast dunkel in dem großen 
Saale; denn die Fenster, welche sämtlich nach dem Hofe hinaus lagen, 
waren von der Bühne verdeckt; nur einzelne Lichtstreifen fielen durch 
die Spalten des Vorhangs. 
"Komm!" sagte Lisei und hob seitwärts an der Wand die dort aus einem 
Teppich bestehende Verkleidung in die Höhe; wir schlüpften hindurch, 
und da stand ich in dem Wundertempel.--Aber von der Rückseite 
betrachtet und hier in der Tageshelle sah er ziemlich kläglich aus; ein 
Gerüst aus Latten und Brettern, worüber einige buntbekleckste 
Leinwandstücke hingen; das war der Schauplatz, auf welchem das 
Leben der heiligen Genoveva so täuschend an mir vorübergegangen 
war. 
Doch ich hatte mich zu früh beklagt; dort, an einem Eisendrahte, der 
von einer Kulisse nach der Wand hinübergespannt war, sah ich zwei 
der wunderbaren Puppen schweben; aber sie hingen mit dem Rücken
gegen mich, so daß ich sie nicht erkennen konnte. 
"Wo sind die andern, Lisei?" fragte ich; denn ich hätte gern die ganze 
Gesellschaft auf einmal mir besehen. 
"Hier im Kast'l", sagte Lisei und klopfte mit ihrer kleinen Faust auf 
eine im Winkel stehende Kiste; "die zwei da sind schon zug'richt; aber 
geh nur her dazu und schau's dir a; er is scho dabei, dei Freund, der 
Kasperl!" 
Und wirklich, er war es    
    
		
	
	
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