anbieten, insgleichen die Darwinisten und
Antitheologen unter den physiologischen Arbeitern, mit ihrem Princip
der "kleinstmöglichen Kraft" und der grösstmöglichen Dummheit. "Wo
der Mensch nichts mehr zu sehen und zu greifen hat, da hat er auch
nichts mehr zu suchen" - das ist freilich ein anderer Imperativ als der
Platonische, welcher aber doch für ein derbes arbeitsames Geschlecht
von Maschinisten und Brückenbauern der Zukunft, die lauter grobe
Arbeit abzuthun haben, gerade der rechte Imperativ sein mag.
15.
Um Physiologie mit gutem Gewissen zu treiben, muss man darauf
halten, dass die Sinnesorgane nicht Erscheinungen sind im Sinne der
idealistischen Philosophie: als solche könnten sie ja keine Ursachen
sein! Sensualismus mindestens somit als regulative Hypothese, um
nicht zu sagen als heuristisches Princip. - Wie? und Andere sagen gar,
die Aussenwelt wäre das Werk unsrer Organe? Aber dann wäre ja unser
Leib, als ein Stück dieser Aussenwelt, das Werk unsrer Organe! Aber
dann wären ja unsre Organe selbst - das Werk unsrer Organe! Dies ist,
wie mir scheint, eine gründliche reductio ad absurdum: gesetzt, dass
der Begriff causa sui etwas gründlich Absurdes ist. Folglich ist die
Aussenwelt nicht das Werk unsrer Organe -?
16.
Es giebt immer noch harmlose Selbst-Beobachter, welche glauben, dass
es "unmittelbare Gewissheiten" gebe, zum Beispiel "ich denke", oder,
wie es der Aberglaube Schopenhauer's war, "ich will": gleichsam als ob
hier das Erkennen rein und nackt seinen Gegenstand zu fassen bekäme,
als "Ding an sich", und weder von Seiten des Subjekts, noch von Seiten
des Objekts eine Fälschung stattfände. Dass aber "unmittelbare
Gewissheit", ebenso wie "absolute Erkenntniss" und "Ding an sich",
eine contradictio in adjecto in sich schliesst, werde ich hundertmal
wiederholen: man sollte sich doch endlich von der Verführung der
Worte losmachen! Mag das Volk glauben, dass Erkennen ein zu
Ende-Kennen sei, der Philosoph muss sich sagen: "wenn ich den
Vorgang zerlege, der in dem Satz `ich denke` ausgedrückt ist, so
bekomme ich eine Reihe von verwegenen Behauptungen, deren
Begründung schwer, vielleicht unmöglich ist, - zum Beispiel, dass ich
es bin, der denkt, dass überhaupt ein Etwas es sein muss, das denkt,
dass Denken eine Thätigkeit und Wirkung seitens eines Wesens ist,
welches als Ursache gedacht wird, dass es ein `Ich` giebt, endlich, dass
es bereits fest steht, was mit Denken zu bezeichnen ist, - dass ich weiss,
was Denken ist. Denn wenn ich nicht darüber mich schon bei mir
entschieden hätte, wonach sollte ich abmessen, dass, was eben
geschieht, nicht vielleicht `Wollen` oder `Fühlen` sei? Genug, jenes
`ich denke` setzt voraus, dass ich meinen augenblicklichen Zustand mit
anderen Zuständen, die ich an mir kenne, vergleiche, um so
festzusetzen, was er ist: wegen dieser Rückbeziehung auf anderweitiges
`Wissen` hat er für mich jedenfalls keine unmittelbare `Gewissheit`." -
An Stelle jener "unmittelbaren Gewissheit", an welche das Volk im
gegebenen Falle glauben mag, bekommt dergestalt der Philosoph eine
Reihe von Fragen der Metaphysik in die Hand, recht eigentliche
Gewissensfragen des Intellekts, welche heissen: "Woher nehme ich den
Begriff Denken? Warum glaube ich an Ursache und Wirkung? Was
giebt mir das Recht, von einem Ich, und gar von einem Ich als Ursache,
und endlich noch von einem Ich als Gedanken-Ursache zu reden?" Wer
sich mit der Berufung auf eine Art Intuition der Erkenntniss getraut,
jene metaphysischen Fragen sofort zu beantworten, wie es Der thut,
welcher sagt: "ich, denke, und weiss, dass dies wenigstens wahr,
wirklich, gewiss ist" - der wird bei einem Philosophen heute ein
Lächeln und zwei Fragezeichen bereit finden. "Mein Herr, wird der
Philosoph vielleicht ihm zu verstehen geben, es ist unwahrscheinlich,
dass Sie sich nicht irren: aber warum auch durchaus Wahrheit?" -
17.
Was den Aberglauben der Logiker betrifft: so will ich nicht müde
werden, eine kleine kurze Thatsache immer wieder zu unterstreichen,
welche von diesen Abergläubischen ungern zugestanden wird, -
nämlich, dass ein Gedanke kommt, wenn "er" will, und nicht wenn
"ich" will; so dass es eine Fälschung des Thatbestandes ist, zu sagen:
das Subjekt "ich" ist die Bedingung des Prädikats "denke". Es denkt:
aber dass dies "es" gerade jenes alte berühmte "Ich" sei, ist, milde
geredet, nur eine Annahme, eine Behauptung, vor Allem keine
"unmittelbare Gewissheit". Zuletzt ist schon mit diesem "es denkt" zu
viel gethan: schon dies "es" enthält eine Auslegung des Vorgangs und
gehört nicht zum Vorgange selbst. Man schliesst hier nach der
grammatischen Gewohnheit "Denken ist eine Thätigkeit, zu jeder
Thätigkeit gehört Einer, der thätig ist, folglich -". Ungefähr nach dem
gleichen Schema suchte die ältere Atomistik zu der "Kraft", die wirkt,
noch jenes Klümpchen Materie, worin sie sitzt, aus der heraus sie wirkt,
das Atom; strengere Köpfe lernten endlich ohne diesen "Erdenrest"
auskommen, und vielleicht gewöhnt man sich eines Tages noch daran,
auch seitens der Logiker ohne jenes kleine "es" (zu dem sich das
ehrliche alte Ich verflüchtigt hat) auszukommen.
18.
An einer Theorie ist wahrhaftig nicht ihr geringster Reiz, dass sie
widerlegbar ist: gerade damit

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