Pistol überliefert 
und kehrte nach einer Viertelstunde etwa völlig befriedigt damit 
zurück. 
»Und hast du es wirklich ordentlich geladen, daß es auch losgeht, wenn 
das schlechte Gesindel den Wagen anhalten sollte?« sagte Dorothee
und besah mistrauisch den Lauf der kleinen blankpolirten Waffe. 
»S'ist eine kleine Handvoll Pulver d'rin«, versicherte der Bursche, »und 
eine kleine Untertasse voll Schroot -- wer das auf den Pelz kriegt, kann 
sich gratuliren.« 
»Aber da oben ging immer noch etwas hinein«, sagte die Alte, 
mistrauisch den kurzen, nicht ganz gefüllten Lauf betrachtend, halb und 
halb mit dem Verdacht, daß der Vetter die zwei und einen halben 
Silbergroschen nicht ganz verwandt haben könnte für die Ladung. 
»Wenn's zu weit nach vorn käme, sähe er's«, sagte der Vetter, und 
Dorothee begriff daß er Recht hätte. Das Pistol, ein altes Familienstück 
und noch mit Feuerschloß, wurde dann vorsichtig wieder an seine 
Stelle neben den Regenschirm, den Stock und das Sitzkissen gelegt, 
und die würdige Frau fühlte sich jetzt wohl und beruhigt in dem 
Gedanken, Alles gethan zu haben, was in ihren Kräften stand, sich 
später keine Vorwürfe und Gewissensbisse machen zu dürfen. 
Da übrigens der Herr Commerzienrath nur höchstens 14 Tage 
auszubleiben gedachte, hielt man auch drei Koffer mit Hutschachtel 
und Reisesack für völlig genügend, alle die nothwendigsten 
Gegenstände wenigstens mitzuführen, die nun einmal unbedingt zu 
Leben und anständiger Kleidung gehörten. Um 10 Uhr Abends, bis zu 
welcher Zeit er jedesmal zu Bette ging, mochte er sich befinden wo er 
wollte, war Alles beendet, am nächsten Morgen 11 Uhr mit der 
königlichen Eilpost für so und soviel Thaler Fahrgebühren und etwa 
das Dreifache an Ueberfracht nach Burgkundstadt befördert zu werden, 
von wo er sich entschlossen hatte die Eisenbahn zu benutzen, um nach 
München zu gelangen. 
Nun war die Post dazu bestimmt, sich am nächsten Morgen dem ersten 
Zuge nach der Hauptstadt des Landes anzuschließen, aber Herr 
Mahlhuber hätte dann die Nacht durch fahren müssen, etwas was ihm 
nicht im Traume einfiel; er wollte seine Gesundheit nicht muthwillig 
zum Fenster hinauswerfen. So sich genau erkundigend, welche Station 
der Postwagen etwa um 9 Uhr Abends erreichen würde, dort ein 
gehöriges Abendbrot zu bekommen und zu übernachten, nahm er bis
dorthin Passage, und als der Eilwagen von -- kommend, zehn Minuten 
vor elf etwa unter dem schmetternden »Ei du lieber Augustin« des 
Postillons durch Gidelsbach rasselte, die Pferde zu wechseln und 
etwaigen Passagieren Gelegenheit zu geben eine Tasse sehr dünne 
Bouillon zu trinken, ging Herr Commerzienrath Mahlhuber, von 
seinem ganzen Gesinde wie der nächsten Nachbarschaft und einigen 
Neugierigen begleitet, auf die Post, wo er schon seinen Schein gelöst, 
sein Gepäck abgeliefert hatte, und setzte sich auf seine Nummer, die 
linke Ecke des Rücksitzes, Nr. 2, neben eine etwas stattliche und 
wohleingepackte Dame mit grünseidenem Hute und schwarzem 
Schleier. Gleich darauf nahm noch ein anderer, trotz des warmen 
Wetters in einen großen wollenen Shawl eingepackter Herr den dritten 
Platz in der rückwärtsfahrenden Ecke ein, den übrigen Theil mit Nr. 4 
und 6 für die diversen Hutschachteln, Kästchen, Bündel und 
Necessaires der Dame freilassend, die hier Alles aufgehäuft und in 
Besitz genommen hatte. 
 
3. 
+Erstes Abenteuer.+ 
Der Abschied war genommen, der Commerzienrath hatte sich aber 
schon vorher ernstlich von Dorothee sowol wie von seinen ihn 
begleitenden Bekannten den Titel verbeten, und Herr Mahlhuber, wie 
er jetzt schlechtweg hieß, war eben noch einmal im Wagen 
aufgestanden, sein Rücken- oder Sitzkissen anders zu ordnen, als die 
Peitsche des Postillons mit kräftigem Schwunge die eingespannten 
Pferde traf und diese so rasch und plötzlich anzogen, daß sich der 
darauf ganz Unvorbereitete mit einem Schwung und Wurf auf den 
Schoos des Fremden setzte. 
»Bitte tausend mal um Entschuldigung!« rief er, so rasch ihm das 
möglich war wiederaufschnellend den eigenen Sitz einzunehmen und 
eine verbindliche Verbeugung gegen den Fremden machend, die 
beinahe für die Dame verderblich geworden wäre -- »ich dachte gar 
nicht, daß wir so schnell abfahren würden; es kann kaum 11 Uhr sein.«
Der Fremde erwiderte kein Wort; er hatte erst die Brauen finster 
zusammengezogen, aber ein Blick auf den Mann selber mochte ihm 
wol sagen, mit wem er es hier eigentlich zu thun habe. So sein Gesicht 
nun wieder in die frühern ruhigen Falten legend, sah er still und ernst 
gerade auf die ihm gegenüberbefindliche Nr. 2, als ob der Herr 
Commerzienrath gar nicht in der Welt gewesen wäre. 
»Setzen Sie sich nur um Gotteswillen erst einmal hin«, sagte die Dame, 
die indessen die Hand schützend vorgehalten hatte und jeden 
Augenblick einen ähnlichen Ueberfall wie auf den Fremden erwartet zu 
haben schien, »meine Nerven sind so schon so aufgeregt und 
angegriffen.« 
Herr Mahlhuber drehte sich rasch nach der schönen Sprecherin um, und 
diesmal brachte ihn das Straßenpflaster mit einem plötzlichen Ruck 
gerade und glücklicherweise in seinen eigenen Sitz; das furchtbare 
Rasseln und Schütteln des Wagens unterbrach oder verhinderte dabei 
vielmehr auch jede nur mögliche Unterhaltung. Es ließ sich kein    
    
		
	
	
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