Herrn Mahlhubers Reiseabenteuer | Page 3

Friedrich Gerstäcker

Außergewöhnliches passirt.«
»Also morgen!« stöhnte der Commerzienrath, und
»Gott sei Dank!« sagte Doctor Mittelweile mit einem tiefen Seufzer,
als er die Treppe hinabstieg; »haben wir ihn doch erst einmal so weit.«

2.
+Die Vorbereitungen zur Reise.+
Der Tag war ein geschäftsreicher im Mahlhuber'schen Hause, denn es
galt einen Menschen zur Reise herzurichten, der die Welt, wie diese
von ihm nichts wußte, fast ganz vergessen hatte und von seinen
Bequemlichkeiten, die er alle hinter sich lassen sollte, so unzertrennlich
zu sein schien, daß sie ihm ebenso viele nothwendige und fast
unerlaßliche Bedürfnisse geworden waren.
Frau Dorothee, die sechsundfunfzigjährige Haushälterin, wollte sich
aber fast noch weniger hineinfinden als ihr Herr; sie schimpfte auf den
Doctor, der, wenn er Ferien haben wollte, selber verreisen und nicht
ihren armen Herrn »in Wind und Wetter« hinausschicken sollte, und
weigerte sich im Anfange hartnäckig, auch nur einen Finger zu rühren,
ihn »in sein Unglück« selber mit hineinstoßen zu helfen. Erst als sie
sah, daß all ihr Protestiren erfolglos blieb, erklärte sie plötzlich: »in
dem Falle sei es ihre Pflicht« selber mitzufahren, den armen Herrn

nicht ohne eine zuverlässige Stütze den Weltstürmen preiszugeben, und
als auch das nicht angenommen wurde, wollte sie wenigstens einen
Bedienten durchsetzen, den sie als unausweichbare Bedingung ihrer
Einwilligung zu einem so tollkühnen, ungerechtfertigten Unternehmen
stellte.
Dieser Bediente war ein Vetter von ihr, den sie auch ohne weiteres
bestellte, um gleich beim Packen hülfreiche Hand zu leisten. Aber
selbst der Vetter fand keine Gnade vor des Commerzienraths Augen.
Herr Mahlhuber war nun einmal fest entschlossen allein zu reisen, und
-- hatte dabei auch seine ganz besondern Gründe. Sollte er sich einen
Menschen aufhängen, der nachher jede Bewegung, die er da draußen
gemacht, jede Ungeschicklichkeit in den fremden Sitten (und er war
klug genug solche zu fürchten) genau und ausführlich mit nach
Gidelsbach zurückbrachte und den Leuten in der Schenke Stoff zum
Lachen und Maulaufreißen gab? Nein, er wollte sich still in einen
Postwagen setzen und fahren, wohin? blieb sich gleich, ja, wenn es
unbemerkt geschehen konnte, vielleicht eine zeitlang herüber und
hinüber, von Station zu Station, um nur nicht zu weit fortzukommen;
doch das fand sich Alles später und er konnte darüber schalten und
walten wie es ihm gut dünkte -- wenn er nur allein war.
Auch incognito wollte er reisen. -- Mahlhuber! Der Name ging schon,
es gab verschiedene Mahlhuber, in Gidelsbach sowol wie in der
Umgegend, aber den Commerzienrath mußte er verheimlichen.
Schlechtweg Mahlhuber, mit dem Ludwigskreuz jedoch, denn das
durfte er nicht aus dem Knopfloch lassen, es hätte das als eine
Misachtung angesehen werden können; aber er trug es am Frack und
den Oberrock darüberhin, sodaß es wenigstens nicht unnöthig auffiel.
Eine Schwierigkeit zeigte sich aber doch noch. Der Commerzienrath
hatte Dorothee's wie ihres Vetters Begleitung parirt, wie überhaupt in
der ganzen Verhandlung eine sonst nicht so stark an ihm hervortretende
Willensfestigkeit gezeigt; Eins aber trug die wackere und um ihren
Herrn wirklich besorgte Wirthschafterin noch auf dem Herzen, auf dem
sie bestand und gegen das Herr Mahlhuber vergebens ankämpfte.
Dieser sollte nämlich, seiner größern Sicherheit wegen, ein paar alte

Pistolen, die bisjetzt friedlich, jeden Sonnabend sauber abgescheuert,
über seinem Bette gehangen hatten, mit auf die Reise nehmen,
etwaigen Gefahren und Abenteuern, die gar nicht ausbleiben könnten,
zu begegnen, und all sein Sträuben dagegen und Aergerlichwerden half
ihm nichts. Vergebens erklärte er Dorothee, daß er keinen Fuß vor die
Thür setzen würde, sobald er die geringste Ahnung von einem in
jetziger Art zu reisen ganz unmöglichen Abenteuer habe, und Räuber
gäbe es nicht mehr, dank der wohlthuenden Menge von Gendarmen
und Polizeidienern überall, wohin ein ruhiger Staatsbürger seine Bahn
lenken möge; wozu also sich mit einer höchst unbequemen Waffe
schleppen, die, wenn nicht geladen, vollkommen nutzlos und
beschwerlich, wenn aber geladen, sogar für den Träger selber
gefährlich werden könnte? Dorothee gab nicht nach; sie hatte erst
kürzlich eine furchtbare Geschichte gelesen, daß ein Reisender durch
einen rechtzeitigen Pistolenschuß sein eigenes Leben wie das seiner
Reisegefährtin, eines jungen unschuldigen Mädchens, gerettet habe,
und versicherte sich Alles gefallen lassen zu wollen, wenn der Herr
Commerzienrath nur eben in der einen Sache nachgeben würde.
Beide kamen zuletzt zu einem Compromiß, wonach sich der
Commerzienrath Mahlhuber erbot und verpflichtete, ein Pistol -- das
andere sollte unangefochten an der Wand hängen bleiben -- ungeladen
in die Tasche zu stecken und mitzunehmen. Er wollte es erst in den
Koffer thun, und Dorothee wollte es geladen haben; zuletzt vereinigten
sie sich zu der angegebenen Art, und die Sache schien abgemacht.
Wenn aber der Commerzienrath die Sache solcherart für erledigt hielt,
hatte Dorothee doch eine andere Ansicht davon und nicht umsonst
ihren Vetter bei der Hand, den geliebten Herrn, selbst gegen seinen
Willen, mit jeder nöthigen Vorsicht zu schützen und zu bewahren.
Balthasar bekam, mit zwei und einem halben Silbergroschen eine
ordentliche Ladung Pulver und Blei zu besorgen, das
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 50
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.