Außergewöhnliches passirt.« 
»Also morgen!« stöhnte der Commerzienrath, und 
»Gott sei Dank!« sagte Doctor Mittelweile mit einem tiefen Seufzer, 
als er die Treppe hinabstieg; »haben wir ihn doch erst einmal so weit.« 
 
2. 
+Die Vorbereitungen zur Reise.+ 
Der Tag war ein geschäftsreicher im Mahlhuber'schen Hause, denn es 
galt einen Menschen zur Reise herzurichten, der die Welt, wie diese 
von ihm nichts wußte, fast ganz vergessen hatte und von seinen 
Bequemlichkeiten, die er alle hinter sich lassen sollte, so unzertrennlich 
zu sein schien, daß sie ihm ebenso viele nothwendige und fast 
unerlaßliche Bedürfnisse geworden waren. 
Frau Dorothee, die sechsundfunfzigjährige Haushälterin, wollte sich 
aber fast noch weniger hineinfinden als ihr Herr; sie schimpfte auf den 
Doctor, der, wenn er Ferien haben wollte, selber verreisen und nicht 
ihren armen Herrn »in Wind und Wetter« hinausschicken sollte, und 
weigerte sich im Anfange hartnäckig, auch nur einen Finger zu rühren, 
ihn »in sein Unglück« selber mit hineinstoßen zu helfen. Erst als sie 
sah, daß all ihr Protestiren erfolglos blieb, erklärte sie plötzlich: »in 
dem Falle sei es ihre Pflicht« selber mitzufahren, den armen Herrn
nicht ohne eine zuverlässige Stütze den Weltstürmen preiszugeben, und 
als auch das nicht angenommen wurde, wollte sie wenigstens einen 
Bedienten durchsetzen, den sie als unausweichbare Bedingung ihrer 
Einwilligung zu einem so tollkühnen, ungerechtfertigten Unternehmen 
stellte. 
Dieser Bediente war ein Vetter von ihr, den sie auch ohne weiteres 
bestellte, um gleich beim Packen hülfreiche Hand zu leisten. Aber 
selbst der Vetter fand keine Gnade vor des Commerzienraths Augen. 
Herr Mahlhuber war nun einmal fest entschlossen allein zu reisen, und 
-- hatte dabei auch seine ganz besondern Gründe. Sollte er sich einen 
Menschen aufhängen, der nachher jede Bewegung, die er da draußen 
gemacht, jede Ungeschicklichkeit in den fremden Sitten (und er war 
klug genug solche zu fürchten) genau und ausführlich mit nach 
Gidelsbach zurückbrachte und den Leuten in der Schenke Stoff zum 
Lachen und Maulaufreißen gab? Nein, er wollte sich still in einen 
Postwagen setzen und fahren, wohin? blieb sich gleich, ja, wenn es 
unbemerkt geschehen konnte, vielleicht eine zeitlang herüber und 
hinüber, von Station zu Station, um nur nicht zu weit fortzukommen; 
doch das fand sich Alles später und er konnte darüber schalten und 
walten wie es ihm gut dünkte -- wenn er nur allein war. 
Auch incognito wollte er reisen. -- Mahlhuber! Der Name ging schon, 
es gab verschiedene Mahlhuber, in Gidelsbach sowol wie in der 
Umgegend, aber den Commerzienrath mußte er verheimlichen. 
Schlechtweg Mahlhuber, mit dem Ludwigskreuz jedoch, denn das 
durfte er nicht aus dem Knopfloch lassen, es hätte das als eine 
Misachtung angesehen werden können; aber er trug es am Frack und 
den Oberrock darüberhin, sodaß es wenigstens nicht unnöthig auffiel. 
Eine Schwierigkeit zeigte sich aber doch noch. Der Commerzienrath 
hatte Dorothee's wie ihres Vetters Begleitung parirt, wie überhaupt in 
der ganzen Verhandlung eine sonst nicht so stark an ihm hervortretende 
Willensfestigkeit gezeigt; Eins aber trug die wackere und um ihren 
Herrn wirklich besorgte Wirthschafterin noch auf dem Herzen, auf dem 
sie bestand und gegen das Herr Mahlhuber vergebens ankämpfte. 
Dieser sollte nämlich, seiner größern Sicherheit wegen, ein paar alte
Pistolen, die bisjetzt friedlich, jeden Sonnabend sauber abgescheuert, 
über seinem Bette gehangen hatten, mit auf die Reise nehmen, 
etwaigen Gefahren und Abenteuern, die gar nicht ausbleiben könnten, 
zu begegnen, und all sein Sträuben dagegen und Aergerlichwerden half 
ihm nichts. Vergebens erklärte er Dorothee, daß er keinen Fuß vor die 
Thür setzen würde, sobald er die geringste Ahnung von einem in 
jetziger Art zu reisen ganz unmöglichen Abenteuer habe, und Räuber 
gäbe es nicht mehr, dank der wohlthuenden Menge von Gendarmen 
und Polizeidienern überall, wohin ein ruhiger Staatsbürger seine Bahn 
lenken möge; wozu also sich mit einer höchst unbequemen Waffe 
schleppen, die, wenn nicht geladen, vollkommen nutzlos und 
beschwerlich, wenn aber geladen, sogar für den Träger selber 
gefährlich werden könnte? Dorothee gab nicht nach; sie hatte erst 
kürzlich eine furchtbare Geschichte gelesen, daß ein Reisender durch 
einen rechtzeitigen Pistolenschuß sein eigenes Leben wie das seiner 
Reisegefährtin, eines jungen unschuldigen Mädchens, gerettet habe, 
und versicherte sich Alles gefallen lassen zu wollen, wenn der Herr 
Commerzienrath nur eben in der einen Sache nachgeben würde. 
Beide kamen zuletzt zu einem Compromiß, wonach sich der 
Commerzienrath Mahlhuber erbot und verpflichtete, ein Pistol -- das 
andere sollte unangefochten an der Wand hängen bleiben -- ungeladen 
in die Tasche zu stecken und mitzunehmen. Er wollte es erst in den 
Koffer thun, und Dorothee wollte es geladen haben; zuletzt vereinigten 
sie sich zu der angegebenen Art, und die Sache schien abgemacht. 
Wenn aber der Commerzienrath die Sache solcherart für erledigt hielt, 
hatte Dorothee doch eine andere Ansicht davon und nicht umsonst 
ihren Vetter bei der Hand, den geliebten Herrn, selbst gegen seinen 
Willen, mit jeder nöthigen Vorsicht zu schützen und zu bewahren. 
Balthasar bekam, mit zwei und einem halben Silbergroschen eine 
ordentliche Ladung Pulver und Blei zu besorgen, das    
    
		
	
	
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