üppig ausgestatteten
Liebesverse! Verbrennen Sie alles, was Ihr Laden birgt, Herr
Blüthenzweig, denn es ist ein Unrat in Gottes Augen! Verbrennen,
verbrennen, verbrennen Sie es!« rief er außer sich, indem er eine wilde,
weite Bewegung rings in die Runde vollführte... »Diese Ernte ist reif
für den Schnitter ... Die Frechheit dieser Zeit durchbricht alle Dämme ...
Ich aber sage Ihnen...«
»Krauthuber!« ließ Herr Blüthenzweig, einer Tür im Hintergrund
zugewandt, mit Anstrengung seine Stimme vernehmen... »Kommen Sie
sofort herein!«
Das, was infolge dieses Befehls auf dem Schauplatze erschien, war ein
massiges und übergewaltiges Etwas, eine ungeheuerliche und
strotzende menschliche Erscheinung von schreckeneinflößender Fülle,
deren schwellende, quellende, gepolsterte Gliedmaßen überall formlos
ineinander übergingen ... eine unmäßige, langsam über den Boden
wuchtende und schwer pustende Riesengestalt, genährt mit Malz, ein
Sohn des Volkes von fürchterlicher Rüstigkeit! Ein fransenartiger
Seehundsschnauzbart war droben in seinem Angesicht bemerkbar, ein
gewaltiges, mit Kleister besudeltes Schurzfell bedeckte seinen Leib,
und die gelben Ärmel seines Hemdes waren von seinen sagenhaften
Armen zurückgerollt.
»Wollen Sie diesem Herrn die Türe öffnen, Krauthuber«, sagte Herr
Blüthenzweig, »und, sollte er sie dennoch nicht finden, ihm auf die
Straße hinausverhelfen.«
»Ha?« sagte der Mann, indem er mit seinen kleinen Elefantenaugen
abwechselnd Hieronymus und seinen erzürnten Brotherrn betrachtete ...
Es war ein dumpfer Laut von mühsam zurückgedämmter Kraft. Dann
ging er, mit seinen Tritten alles um sich her erschütternd, zur Tür und
öffnete sie.
Hieronymus war sehr bleich geworden. »Verbrennen Sie...« wollte er
sagen, aber schon fühlte er sich von einer furchtbaren Übermacht
umgewandt, von einer Körperwucht, gegen die kein Widerstand
denkbar war, langsam und unaufhaltsam der Tür entgegengedrängt.
»Ich bin schwach...« brachte er hervor. »Mein Fleisch erträgt nicht die
Gewalt ... es hält nicht stand, nein ... Was beweist das? Verbrennen
Sie...«
Er verstummte. Er befand sich außerhalb des Kunstladens. Herrn
Blüthenzweigs riesiger Knecht hatte ihn schließlich mit einem kleinen
Stoß und Schwung fahren lassen, so daß er, auf eine Hand gestützt,
seitwärts auf die steinerne Stufe niedergesunken war. Und hinter ihm
schloß sich klirrend die Glastür.
Er richtete sich empor. Er stand aufrecht und hielt schwer atmend mit
der einen Faust seine Kapuze oberhalb der Brust zusammengerafft,
indes er die andere unter dem Mantel hinabhängen ließ. In seinen
Wangenhöhlen lagerte eine graue Blässe; die Flügel seiner großen,
gehöckerten Nase blähten und schlössen sich zuckend; seine häßlichen
Lippen waren zu dem Ausdruck eines verzweifelten Hasses verzerrt,
und seine Augen, von Glut umzogen, schweiften irr und ekstatisch über
den schönen Platz.
Er sah nicht die neugierig und lachend auf ihn gerichteten Blicke. Er
sah auf der Mosaikfläche vor der großen Loggia die Eitelkeiten der
Welt, die Maskenkostüme der Künstlerfeste, die Zierate, Vasen,
Schmuckstücke und Stilgegenstände, die nackten Statuen und
Frauenbüsten, die malerischen Wiedergeburten des Heidentums, die
Porträts der berühmten Schönheiten von Meisterhand, die üppig
ausgestatteten Liebesverse und Propagandaschriften der Kunst
pyramidenartig aufgetürmt und unter dem Jubelgeschrei des durch
seine furchtbaren Worte geknechteten Volkes in prasselnde Flammen
aufgehen... Er sah gegen die gelbliche Wolkenwand, die von der
Theatinerstraße heraufgezogen war und in der es leise donnerte, ein
breites Feuerschwert stehen, das sich im Schwefellicht über die frohe
Stadt hinreckte...
»Gladius Dei super terram...« flüsterten seine dicken Lippen, und in
seinem Kapuzenmantel sich höher emporrichtend, mit einem
versteckten und krampfigen Schütteln seiner hinabhängenden Faust,
murmelte er bebend: »Cito et velociter!«
* * * * *
SCHWERE STUNDE
Er stand vom Schreibtisch auf, von seiner kleinen, gebrechlichen
Schreibkommode, stand auf wie ein Verzweifelter und ging mit
hängendem Kopfe in den entgegengesetzten Winkel des Zimmers zum
Ofen, der lang und schlank war wie eine Säule. Er legte die Hände an
die Kacheln, aber sie waren fast ganz erkaltet, denn Mitternacht war
lange vorbei, und so lehnte er, ohne die kleine Wohltat empfangen zu
haben, die er suchte, den Rücken daran, zog hustend die Schöße seines
Schlafrockes zusammen, aus dessen Brustaufschlägen das verwaschene
Spitzenjabot heraushing, und schnob mühsam durch die Nase, um sich
ein wenig Luft zu verschaffen; denn er hatte den Schnupfen wie
gewöhnlich.
Das war ein besonderer und unheimlicher Schnupfen, der ihn fast nie
völlig verließ. Seine Augenlider waren entflammt und die Ränder
seiner Nasenlöcher ganz wund davon, und in Kopf und Gliedern lag
dieser Schnupfen ihm wie eine schwere, schmerzliche Trunkenheit.
Oder war an all der Schlaffheit und Schwere das leidige
Zimmergewahrsam schuld, das der Arzt nun schon wieder seit Wochen
über ihn verhängt hielt? Gott wußte, ob er wohl daran tat. Der ewige
Katarrh und die Krämpfe in Brust und Unterleib mochten es nötig
machen, und schlechtes Wetter war über Jena, seit Wochen, seit
Wochen, das war richtig, ein miserables und hassenswertes Wetter, das
man in allen Nerven spürte, wüst, finster und kalt, und der
Dezemberwind heulte im Ofenrohr, verwahrlost und gottverlassen, daß
es klang nach nächtiger Heide im Sturm und Irrsal und heillosem Gram
der Seele. Aber gut war sie nicht, diese enge Gefangenschaft, nicht

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