Als ich vorbeigefahren bin ...« 
»Doch nicht meine Frau?« stammelte Wilms und sprang auf -- »nicht 
wahr? -- So sagen Sie's doch,« wiederholte der unglückliche Mann 
heiser.
»Nein, nein, nicht Ihre Frau -- ich meine bloß -- -- es ist da einer von 
den Blauen, von den Gerichtsvollziehern. Na kommen Sie schnell auf 
meinen Wagen« -- und leise setzte er hinzu: »Was wollen Sie erst einen 
Aufstand vor Ihren Leuten machen? Beeilen Sie sich, Herr Wilms.« 
Bald knarrte und ächzte das Fuhrwerk auf Wilms' Gehöft zu, und Herr 
Rosenblüt saß neben dem Besitzer und starrte ihm ängstlich ins Gesicht, 
bis sie den Wirtschaftshof erreicht hatten. 
Hier hielt der Wagen, und der Bauer sprang herab und blickte sich 
scheu um. 
Mitten auf dem Platze stand der Gerichtsvollzieher von Grimmen und 
unterhandelte laut und barsch mit Jochen, dem Pferdeknecht, der von 
Zeit zu Zeit einen ängstlichen Blick auf die Fenster der Krankenstube 
warf und den Beamten zu bitten schien, leiser zu verfahren. 
Alle Leute des Anwesens waren an diese Rücksicht auf die leidende 
Frau gewöhnt; ein lautes Wort, mitten in der dumpfen Stille, war 
unerhört, erschreckte alle förmlich. 
»Da is uns' Herr,« sagte der Knecht endlich erleichtert, als er des 
Bauern und seines Begleiters ansichtig wurde. Wilms kam schwerfällig 
näher, seine Gestalt sank immer mehr zusammen, als ob auf seinem 
Nacken sichtbarlich eine allzu schwere Last gelegt sei, und auf der 
Stirn perlten große Tropfen. Mit flüsternder, heiserer Stimme bat er den 
Beamten, mit ihm in die nächste Scheuer zu kommen. -- Nur nicht hier 
-- hier könnte man die Kranke stören, sie dürfte ja von nichts wissen; 
das könnte ihr den Rest geben. »Ich bitt' Sie, kommen Sie mit mir -- ein 
paar Schritte.« 
Jedoch der Gerichtsvollzieher hielt das für überflüssige Zeitvergeudung. 
Er knöpfte seinen Rock auf, nahm ein gestempeltes Papier heraus, das 
er prüfend überflog, und während er sich dazu wohlgefällig und 
amtswürdig seinen militärischen Schnurrbart strich, las er trocken vor: 
»Beauftragt vom Grafen Brachwitz auf Boltenhagen -- Zahlung der 
rückständigen Pacht vom 1. April -- 3600 Mark -- -- nicht eingegangen 
-- hm -- vorzunehmende Zwangspfändung.«
»Was? Vom April sind Sie dem Grafen noch schuldig?« warf der 
Viehhändler dazwischen. 
Der Gerichtsvollzieher faltete das Blatt wieder zusammen und pflanzte 
sich vor dem Besitzer auf: 
»Können Sie zahlen, Herr Wilms?« fragte er prompt. 
»Nein.« 
»Na, dann muß ich anfangen. Nehmen Sie's nicht übel.« 
»Aber -- wenn Sie mir nur -- nur bis morgen Zeit lassen wollten,« 
stöhnte Wilms und legte sich die Hand vor die Stirn. »Nur bis morgen 
-- ich könnte mich ja noch an jemanden wenden. -- Ich hatte in der 
letzten Zeit mit meiner Frau so viel -- aber es ist doch vielleicht noch 
möglich.« 
»Tut mir leid -- strenge Ordre.« Der Gerichtsvollzieher knöpfte dabei 
seinen Rock zu und wandte sich an den Knecht. 
»Wollen gleich mit dem Vieh anfangen,« befahl er kurz. »Wo haben 
Sie die Schweine?« 
»Dann zeig dem Herrn, Jochen.« Wilms hatte es tonlos gesprochen und 
wandte sich jetzt schnell ab. Selbst dem Viehhändler hatte er nicht 
mehr die Hand zum Abschiede gereicht. Er ging langsam in das 
Wohnhaus und trat in das Zimmer seines Weibes. 
 
III. 
Wie er sie verlassen, ebenso lag Else noch jetzt. Mit der linken Hand 
hatte sie die Bibel umklammert, die rechte fingerte nervös an der Wand, 
und ihre krankhaft leuchtenden Augen waren auf das Fenster gerichtet. 
Die ungewohnte Bewegung auf dem Hof, das Knarren der Torflügel, 
das jetzt laut werdende Grunzen der Schweine, alles störte sie. Sie war 
ganz aufgeregt, und als Wilms sich neben ihr Bett setzte, forschte sie
atemlos nach dem Grund all dieses Lärms. -- -- Ja der Grund -- 
Durfte ihr der Mann die wahre Ursache verraten? Konnte er gestehen, 
daß man jetzt den besten Teil seines Besitztums forttriebe, daß andere 
Trümmer bald folgen, und alle Pfosten seines Hauses um ihn 
zusammenbrechen würden, um ihn, den starken, kräftigen Mann, der 
nun schon seit Jahren, wie gelähmt, an dieses Bett geschmiedet war, so 
fest, daß alle Bewegungsfähigkeit gehemmt schien? -- Merkwürdig, 
ihm war es, als wäre sein Weib gesünder, als er; und er selbst 
gebrochen, ausgezehrt, kraftlos, ein toter Mann, der in dem großen 
Lehnstuhl hockte und vor sich hinstarrte. 
»Was hantieren sie denn dort draußen so laut?« klagte das Weib und 
klappte nervös mit dem Deckel der Bibel -- »soll denn gar nicht ein 
bißchen Rücksicht auf mich genommen werden, Wilms?« 
Der Landmann raffte sich zusammen. Nur schonen die arme Frau, war 
sein einziger Gedanke. -- Der Gedanke, der ihm die Not ins Haus 
gerufen. 
»I, Elsing, das wird wohl bald wieder aufhören.« 
»Ja, aber was machen sie denn?« 
»Ach, Rosenblüt ist bloß da und -- und kauft mir Vieh ab.« 
»Der Jude?« rief die Kranke und richtete sich auf. -- »Sieh -- sieh da,« 
stotterte sie und zeigte gerade aus, »da steht er vor dem Fenster    
    
		
	
	
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