-- und 
guckt hinein, gerade auf mein Bett.« Entsetzt fiel sie zurück und zog 
die Decke hoch, so daß sie nicht mehr bemerken konnte, wie Rosenblüt 
mit allerlei Grimassen ihren Mann hinauswinkte. »Wilms, ich kann den 
Juden einmal nicht leiden -- was hast du auch immer mit ihm. 
Immerfort was. Der Herr Pastor sagt auch, daß du dich zuviel mit ihm 
abgibst.« 
»Still, Elsing, ich hab' schon manch gutes Stück Geld an dem Mann 
verdient.«
»Ach wo -- die betrügen ja alle. Du verstehst bloß die Wirtschaft 
nicht.« -- Das war ein böses Wort. 
Wilms zuckte zusammen und griff nach seiner Brust. Draußen winkte 
Herr Rosenblüt immer energischer. 
»Ich muß jetzt aber doch einen Augenblick auf den Hof, Elsing,« 
ermunterte sich der Mann endlich. 
»Schon wieder?« 
Sie warf ihm einen flehenden Blick zu und ergriff seine Hand: »Du bist 
ja eben erst hereingekommen. -- Und dann -- mir ist immer so wohl, 
wenn du bei mir bist, sobald du mich aber allein läßt, dann überfällt 
mich wieder die schreckliche Angst -- du weißt ja -- als ob mir was auf 
der Brust säße« -- sie keuchte -- »nicht wahr, du bleibst?« 
Er blieb und sank ohne eine Antwort in dem hohen Lehnstuhl 
zusammen. Das war das Bild seines Lebens. -- Die Last zog an ihm und 
zog ihn abwärts. 
Jetzt sprach und fragte sie immer hastiger weiter. Wie es mit der 
Wirtschaft stünde? -- Doch gut? Und der Pastor hätte ihr eine Annonce 
gebracht, in der ein beweglicher Krankenstuhl nicht allzu teuer 
angepriesen würde. 150 Mk. »Nicht wahr, das ist nicht zu viel? -- Das 
erübrigst du doch für deine Frau? Du hast mich doch lieb? Nicht 
wahr?« -- Und dann kamen die Erinnerungen. Wie sie noch frisch und 
gesund in ihrem Hauswesen herumgesprungen wäre, und wie furchtbar 
verliebt Wilms sich als junger Ehemann gebärdete. Hinter jeder Tür, 
wo es die Leute nicht sehen konnten, hätte er um einen Kuß gebettelt. 
»Ach, küsse mich noch einmal so. -- Ich bin doch eigentlich noch so 
jung.« 
Halb betäubt sank sein Haupt an ihre Brust. Er war so zerschmettert, 
daß er für nichts mehr das volle Verständnis besaß. 
Da wurde an die Tür geklopft. Erst leise, dann energisch, und 
schließlich trat Herr Rosenblüt ins Zimmer und blickte sich verdutzt in
der Krankenstube um. Die dumpfe Luft und das Bild der beiden sich 
umschlungen haltenden Gatten ließ ihn einen Moment verstummen, 
eine Art Rührung zuckte in den Zügen des Händlers auf, dann aber 
drängte die Zeit gar zu gewaltig, und er räusperte sich stark: »Guten 
Morgen -- Frau Wilms -- ich bitte um Entschuldigung -- wie geht es 
Ihnen? -- aber es ist die höchste Zeit, Herr Wilms -- ich muß mit Ihnen 
reden, jetzt sofort. Der Kerl ruiniert Ihnen ja die ganze Wirtschaft.« 
Die fremde Stimme traf Else wie ein Schuß. 
»Großer Gott, wer ist das?« stammelte die Kranke, als sie den 
Eindringling, der ihr eine linkische Verbeugung machte, gewahrte, und 
über ihr Gesicht flutete eine brennende Röte: »Was will er hier? -- 
Wilms, mein Zimmer ist doch nicht zu Geschäften da? Warum gehst du 
mit dem Herrn nicht in die Wohnstube?« 
Es war ein unfreundlicher Gruß, und Herr Rosenblüt stand wie 
angedonnert. Erst als Wilms ihn unter den Arm faßte und begütigend 
aufforderte, ihm zu folgen, hatte sich der Händler soweit gefaßt, daß er 
energisch den Hut schwenken und gereizt auffahren konnte: 
»Wozu? Da kann ich ja auch gehen. Adieu auch, Herr Wilms, empfehle 
mich Ihnen, verehrte Frau.« Aber Wilms ließ ihn nicht, und mit vielen 
Bitten und Entschuldigungen schob er ihn durch eine braunlackierte 
Tür, in deren Mitte ein großes, ovales, durch eine Gardine verdecktes 
Guckfensterchen angebracht war, aus dem Zimmer. In der Wohnstube 
standen einfache grüne Ripsmöbel, gestickte Deckchen prangten auf 
dem Sofa, und mitten durch die Zimmerdecke zog sich ein großer, 
tapetenüberklebter Balken. Hier fiel Wilms in einen der Polsterstühle 
nieder, stützte seinen Kopf in die Hand und fragte endlich den 
Geschäftsfreund nach dessen Begehr, aber es klang alles so zerstreut, 
so fern und tonlos, als ob der Geist des Mannes auf düsteren Irrpfaden 
wandele. Und dieses Gebrochensein, dieses vollständige Einschlafen 
einer ehemals großen Kraft erschütterte den andern. Mitleidig halb, und 
halb furchtsam, trat er auf ihn zu. Dann berührte er mit seinem Stock 
die Schulter des Sitzenden, und während er ihm nun unaufhörlich leise 
auf die Achsel schlug, redete er eindringlich auf ihn ein. Es war ein 
langer Vortrag, aber Wilms hörte nur eins heraus, und das war etwas
Hoffnungsfreudiges, mitten in seiner trostlosen Nacht, ein 
Frührotschimmer, ein aufblitzendes Licht. -- Herr Rosenblüt war über 
die Pfändung empört. -- Der Beamte hätte gewiß das Doppelte des 
Werts aus der Wirtschaft gezogen, die schönsten Stücke Vieh, ohne die 
der Besitzer gar nicht weiter existieren konnte. Seine Entrüstung war zu 
ehrlich, es sprudelte nur so aus ihm. -- »Was soll das heißen?    
    
		
	
	
	Continue reading on your phone by scaning this QR Code
 
	 	
	
	
	    Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the 
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.
	    
	    
