Die Juden | Page 2

Gotthold Ephraim Lessing
ich Eurem Herrn beigestanden habe--
Martin Krumm. Ja, ganz recht; eben das!
Der Reisende. Ihr seid ein ehrlicher Mann--
Martin Krumm. Das bin ich! Und mit der Ehrlichkeit kömmt man
immer auch am weitesten.
Der Reisende. Es ist mir kein geringes Vergnügen, daß ich mir, durch
eine so kleine Gefälligkeit, so viel rechtschaffne Leute verbindlich
gemacht habe. Ihre Erkenntlichkeit ist eine überflüssige Belohnung
dessen, was ich getan habe. Die allgemeine Menschenliebe verband
mich darzu. Es war meine Schuldigkeit; und ich müßte zufrieden sein,
wenn man es auch für nichts anders, als dafür, angesehen hätte. Ihr seid
allzu gütig, ihr lieben Leute, daß ihr euch dafür bei mir bedanket, was
ihr mir, ohne Zweifel, mit ebenso vielem Eifer würdet erwiesen haben,
wenn ich mich in ähnlicher Gefahr befunden hätte. Kann ich Euch
sonst worin dienen, mein Freund?
Martin Krumm. Oh! mit dem Dienen, mein Herr, will ich Sie nicht
beschweren. Ich habe meinen Knecht, der mich bedienen muß, wann's
nötig ist. Aber--wissen möcht ich wohl gern, wie es doch dabei
zugegangen wäre? Wo war's denn? Waren's viel Spitzbuben? Wollten
sie unsern guten Herrn gar ums Leben bringen, oder wollten sie ihm
nur sein Geld abnehmen? Es wäre doch wohl eins besser gewesen, als
das andre.
Der Reisende. Ich will Euch mit wenigem den ganzen Verlauf erzählen.
Es mag ohngefähr eine Stunde von hier sein, wo die Räuber Euren
Herrn, in einem hohlen Wege, angefallen hatten. Ich reisete eben diesen
Weg, und sein ängstliches Schreien um Hülfe bewog mich, daß ich
nebst meinem Bedienten eilends herzuritt.
Martin Krumm. Ei! ei!
Der Reisende. Ich fand ihn in einem offnen Wagen--
Martin Krumm. Ei! ei!

Der Reisende. Zwei vermummte Kerle--
Martin Krumm. Vermummte? ei! ei!
Der Reisende. Ja! machten sich schon über ihn her.
Martin Krumm. Ei! ei!
Der Reisende. Ob sie ihn umbringen, oder ob sie ihn nur binden
wollten, ihn alsdann desto sichrer zu plündern, weiß ich nicht.
Martin Krumm. Ei! ei! Ach freilich werden sie ihn wohl haben
umbringen wollen: die gottlosen Leute!
Der Reisende. Das will ich eben nicht behaupten, aus Furcht ihnen
zuviel zu tun.
Martin Krumm. Ja, ja, glauben Sie mir nur, sie haben ihn umbringen
wollen. Ich weiß, ich weiß ganz gewiß--
Der Reisende. Woher könnt Ihr das wissen? Doch es sei. Sobald mich
die Räuber ansichtig wurden, verließen sie ihre Beute, und liefen über
Macht dem nahen Gebüsche zu. Ich lösete das Pistol auf einen. Doch es
war schon zu dunkel, und er schon zu weit entfernt, daß ich also
zweifeln muß, ob ich ihn getroffen habe.
Martin Krumm. Nein, getroffen haben Sie ihn nicht;--
Der Reisende. Wißt Ihr es?
Martin Krumm. Ich meine nur so, weil's doch schon finster gewesen ist:
und im Finstern soll man, hör ich, nicht gut zielen können.
Der Reisende. Ich kann Euch nicht beschreiben, wie erkenntlich sich
Euer Herr gegen mich bezeugte. Er nannte mich hundertmal seinen
Erretter und nötigte mich, mit ihm auf sein Gut zurückzukehren. Ich
wollte wünschen, daß es meine Umstände zuließen, länger um diesen
angenehmen Mann zu sein; so aber muß ich mich noch heute wieder
auf den Weg machen--Und eben deswegen suche ich meinen
Bedienten.
Martin Krumm. Oh! lassen Sie sich doch die Zeit bei mir nicht so lang
werden. Verziehen Sie noch ein wenig--Ja! was wollte ich denn noch
fragen? Die Räuber,--sagen Sie mir doch--wie sahen sie denn aus? Wie
gingen sie denn? Sie hatten sich verkleidet; aber wie?
Der Reisende. Euer Herr will durchaus behaupten, es wären Juden
gewesen. Bärte hatten sie, das ist wahr; aber ihre Sprache war die
ordentliche hiesige Baurensprache. Wenn sie vermummt waren, wie ich
gewiß glaube, so ist ihnen die Dämmerung sehr wohl zustatten
gekommen. Denn ich begreife nicht, wie Juden die Straßen sollten

können unsicher machen, da doch in diesem Lande so wenige geduldet
werden.
Martin Krumm. Ja, ja, das glaub ich ganz gewiß auch, daß es Juden
gewesen sind. Sie mögen das gottlose Gesindel noch nicht so kennen.
So viel als ihrer sind, keinen ausgenommen, sind Betrüger, Diebe und
Straßenräuber. Darum ist es auch ein Volk, das der liebe Gott verflucht
hat. Ich dürfte nicht König sein: ich ließ' keinen, keinen einzigen am
Leben. Ach! Gott behüte alle rechtschaffne Christen vor diesen Leuten!
Wenn sie der liebe Gott nicht selber haßte, weswegen wären denn nur
vor kurzem, bei dem Unglücke in Breslau, ihrer bald noch einmal
soviel als Christen geblieben? Unser Herr Pfarr erinnerte das sehr
weislich in der letzten Predigt. Es ist, als wenn sie zugehört hätten, daß
sie sich gleich deswegen an unserm guten Herrn haben rächen wollen.
Ach! mein lieber Herr, wenn Sie wollen Glück und Segen in der Welt
haben, so hüten Sie sich vor den Juden ärger als vor der Pest.
Der Reisende. Wollte Gott, daß das nur die Sprache des Pöbels wäre!
Martin Krumm. Mein Herr, zum Exempel: Ich bin einmal auf
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