Die Italienische Plastik | Page 5

Wilhelm Bode
gerundet vor den Grund stellt,
sind von Interesse die Monatsdarstellungen am Dome von Ferrara und
die von derselben Hand herrührende Anbetung der Könige über der
Thür von S. Mercuriale zu Forlì; wahrscheinlich schon aus der Mitte
des XIII. Jahrhunderts. --
Wenig später, aber unter anderen Bedingungen, entstand und
entwickelte sich die Skulptur in Toskana, wenn sie auch mit der
lombardischen Kunst Beziehungen hat und aus der Lombardei sogar
eine Reihe ihrer Künstler bezog. In höherem Maße als in der
Lombardei war in Toskana die Plastik abhängig von der Architektur,
welche dort bald nach der Mitte des XI. Jahrh. an den Formen der
Antike in sehr eigenartiger Weise sich als Basilikenbau entwickelt hatte.
Die innere Gestaltung erhielt in der Fassade einen reichen organischen
Ausdruck; teils in einer Art farbiger Steinmosaik, wie an San Miniato
vor Florenz, teils in Säulenarkaden, wie zuerst am Dom zu Pisa. Der
feine architektonische Sinn ließ hier nur eine beschränkte Mitwirkung
der freien Plastik zu; auch machte sich diese erst nach Verlauf eines
vollen Jahrhunderts, nach der Mitte des XII. Jahrh. geltend. Außen
blieb sie im Wesentlichen auf den Thürsturz und die Thürflügel
beschränkt, im Innern wurde ihr der Schmuck der Kapitelle, des
Taufbeckens und namentlich der Kanzel überwiesen, welche gerade
damals durch die Predigerorden, die Dominikaner und Franziskaner,
eine besondere Bedeutung erhielt.
Die frühesten dieser Bildwerke besitzt Pistoja. Ein Meister Gruamons
fertigte 1162 am Thürsturz des Hauptportals von S. Giovanni
Fuorcivitas das Abendmahl und 1166 für San Andrea an derselben
Stelle die Anbetung der Könige. Als Verfertiger der Kapitelle dieser
Thür nennt sich der Meister Enrigus. Ein Jahr später entstand das
Relief am Architravbalken der Thür von S. Bartolommeo in Pantano.

Den gleichen Charakter tragen die jüngeren, aber trotzdem roheren
Bildwerke an der Kanzel in Groppoli vor Pistoja, sowie der Erzengel
Michael ebenda (vom Jahre 1194), letzterer interessant als Freifigur.
Gleichzeitige Arbeiten derselben Richtung sind (von zahlreichen,
überall im nordwestlichen Toskana zerstreuten skulptierten Kapitellen,
Säulenbasen u. dergl. abgesehen): in Pisa die Architravskulpturen an S.
Casciano und das Relief mit Christus zwischen den Apostelsymbolen
von einem Meister Bonusamicus (jetzt im Campo Santo), in Lucca der
Portalschmuck des Meisters Biduinus an S. Salvatore und die Reliefs
des Taufbeckens vom Meister Robertus in S. Frediano, letztere wohl
die tüchtigsten von allen diesen Arbeiten. Zu den spätesten, aber
trotzdem noch fast rohen Arbeiten dieser Art zählen die Bildwerke am
Dom zu Arezzo, der zweiten Hälfte des XII. und dem Anfang des XIII.
Jahrh. angehörend. Dasselbe gilt auch noch von den Arbeiten des
Marchionne (vom Jahre 1216).
[Abbildung: 21D. Bemalte Madonnenstatue des Presbyter Martin.]
Alle diese Werke halten sich auf dem Niveau der Arbeiten von
Steinmetzen, welche die Ornamente an den Kirchenbauten auszuführen
gewohnt sind. Sie behandeln daher ihre Reliefs in der Komposition und
in der Wiedergabe der menschlichen Gestalt genau wie ihre Ornamente:
die Figuren sind ganz in der Fläche gehalten und möglichst zur
Ausfüllung des Raumes benutzt, so daß der Grund ringsum ausgehoben
erscheint und die Gestalten in der Regel mit den Füßen den unteren,
mit den Köpfen den oberen Rand berühren. In den Verhältnissen, in
Bewegung und Ausdruck der Figuren noch völlig kindlich und in der
Ausführung mehr oder weniger roh, konnten dennoch diese Arbeiten
durch die Selbständigkeit und die Naivetät der Empfindung und durch
den Ernst des Strebens den Grund zu einer wirklich künstlerischen
Entwickelung der Plastik legen.
Wie weit damals diese einheimische Skulptur noch hinter der
byzantinischen zurückstand, beweist am deutlichsten eine Anzahl
Arbeiten, die gleichzeitig in Toskana unter byzantinischem Einfluß
ausgeführt worden sind; namentlich in Pisa, das durch seinen
blühenden Handel auf dem Mittelmeere zu dem halb byzantinischen

Süden von Italien und zu Byzanz selbst in nahe Beziehung gebracht
war. Schon die Bronzethür am Dom zu Pisa, wahrscheinlich die Arbeit
des Pisaners Bonannus (1180), der einige Jahre später in Monreale die
sehr verwandte Thür goß, erscheint ganz unter dem Einfluß
gleichzeitiger byzantinischer Goldschmiedearbeiten. Noch stärker und
vorteilhafter macht sich diese Einwirkung in den Skulpturen an den
Architraven von zwei Thüren des Battistero geltend; an der östlichen
Thür auch in den Laibungen. Hier haben die Figuren die volle
Schönheit, die schlanken Körperformen, die zierlichen Falten der
klassischen Gewänder, die vornehme Ruhe und die feine Rundung echt
byzantinischer Arbeiten dieser Zeit. Diesen kommen sie ferner in der
Sauberkeit der Arbeit gleich und besitzen dabei auch die
charakteristische Fülle, die einfach schlichte Erzählungsart, die kräftige
Ausarbeitung, den in seiner Gebundenheit feinen Ausdruck solcher
Arbeiten. Die Berliner Sammlung, die von älteren romanischen
Bildwerken aus Toskana nur ein mit Köpfen und Tieren dekoriertes
Kapitell aufzuweisen hat (No. 27, aus Lucca stammend, etwa vom
Jahre 1200), besitzt eine in ihrer Art hervorragende große
Madonnenstatue aus jener von byzantinischen Vorbildern beeinflußten
Richtung: die thronende Maria mit dem segnenden Christkind von der
Hand des Presbyter Martin von Borgo San Sepolcro, aus d. J. 1199 (No.
21D): lebensgroße Figuren aus Holz mit ihrer ursprünglichen, trefflich
erhaltenen
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