der Krone Preußen 
geradezu die unbeschränkte Souveränität über Danzig zu bestreiten, 
und stellten so übermütige Forderungen, daß der König mit einer
entschiedenen Ablehnung antwortete, als Zar Alexander nach seiner 
Gewohnheit versuchte, die Ansprüche der Polen durch einen zärtlichen 
Freundesbrief zu unterstützen. Der unerquickliche Verlauf dieser 
Verhandlungen zwang zu dem Entschlusse, die polnischen 
Landschaften den übrigen Provinzen des Ostens völlig gleichzustellen. 
Auf der anderen Seite lehrten die Frankfurter Erfahrungen, daß ein 
Bundeszollgesetz ganz unmöglich war und Preußen mithin zunächst im 
eigenen Hause Ordnung schaffen mußte. 
Im Jahre 1816 erfolgten die ersten vorbereitenden Schritte. Das Verbot 
der Geldausfuhr ward aufgehoben, das Salzregal in allen Provinzen 
gleichmäßig eingeführt; dann sprach die Verordnung vom 11. Juni die 
Aufhebung der Wasser-, Binnen- und Provinzialzölle als Grundsatz aus 
und verhieß die Einführung eines allgemeinen und einfachen 
Grenzzollsystems. Zu Anfang des folgenden Jahres war der Entwurf für 
das neue Zollgesetz beendigt. Sobald aber von den reformatorischen 
Absichten des Entwurfs Einiges ruchbar ward, erscholl der Notschrei 
der geängstigten Produzenten weithin durch das Land. 
Leidenschaftliche Eingaben der Baumwoll- und Kattunfabrikanten aus 
Schlesien und Berlin, die doch allesamt unter der bestehenden 
Unordnung schwer litten, bestätigten die alte Wahrheit, daß die 
Selbstsucht der Menschen der schlimmste Feind ihres eigenen 
Interesses ist. Der Lärm ward so bedrohlich, daß der König für nötig 
hielt, zunächst eine Spezialkommission mit der Prüfung dieser 
Vorstellungen zu beauftragen. Hier errang die alte friderizianische 
Schule noch einmal die Oberhand. Der Vorsitzende, Oberpräsident v. 
Heydebreck, betrachtete als höchste Aufgabe der Handelspolitik »das 
Numeraire dem Lande zu konservieren«; die Mehrheit beschloß, der 
Krone die Wiederherstellung des Verbotsystems, wie es bis zum Jahre 
1806 bestanden, anzuraten. Aber zugleich mit diesem Bericht ging auch 
ein geharnischtes Minderheitsgutachten ein, verfaßt von Staatsrat 
Kunth, dem Erzieher der Gebrüder Humboldt, einem selbstbewußten 
Vertreter des altpreußischen Beamtenstolzes, der das gute Recht der 
Bureaukratie oftmals gegen die aristokratische Geringschätzung seines 
Freundes Stein verteidigte. Mit den Zuständen des Fabrikwesens aus 
eigener Anschauung gründlich vertraut, lebte und webte er in den 
Gedanken der neuen Volkswirtschaftslehre. »Eigentum und Freiheit,
darin liegt alles; es gibt nichts anderes« -- so lautete sein Kernspruch. 
Als das ärgste Gebrechen der preußischen Industrie erschien ihm die 
erstaunlich mangelhafte Bildung der meisten Fabrikanten, eine 
schlimme Frucht des Übergewichts der gelehrten Klassen, welche nur 
durch den Einfluß des auswärtigen Wettbewerbs allmählich beseitigt 
werden konnte; waren doch selbst unter den ersten Fabrikherren Berlins 
viele, die kaum notdürftig ihren Namen zu schreiben vermochten. 
Kunths Gutachten fand im Staatsrate fast ungeteilte Zustimmung; es 
ließ sich nicht mehr verkennen, daß die Aufhebung der Handelsverbote 
nur die notwendige Ergänzung der Reformen von 1808 bildete. Als das 
Plenum des Staatsrats am 3. Juli über das Zollgesetz beriet, sprachen 
die politischen Gegner Gneisenau und Schuckmann einmütig für die 
Befreiung des Verkehrs. Oberpräsident Merckel und Geh. Rat Ferber, 
ein aus dem sächsischen Dienste herübergekommener trefflicher 
Nationalökonom, führten aus, daß dem Notstande des Gewerbefleißes 
in Schlesien und Sachsen nur durch die Freiheit zu begegnen sei; und 
zuletzt stimmten von 56 Anwesenden nur drei gegen das Gesetz: 
Heydebreck, Ladenberg und Geh Rat Beguelin. Am 1. August 
genehmigte der König von Karlsbad aus »das Prinzip der freien Einfuhr 
für alle Zukunft«. Nun folgten neue peinliche Verhandlungen, da es 
anfangs unmöglich schien, die neue Ordnung gleichzeitig in den beiden 
Hälften des Staatsgebiets einzuführen. Endlich, am 26. Mai 1818, kam 
das Zollgesetz für die gesamte Monarchie zustande. 
Sein Verfasser war der Generaldirektor Karl Georg Maaßen(1), ein 
Beamter von umfassenden Kenntnissen, mit Leib und Seele in den 
Geschäften lebend, ein Mann, der hinter kindlich anspruchslosen 
Umgangsformen den kühnen Mut des Reformers, eine tiefe und freie 
Auffassung des sozialen Lebens verbarg. Aus Cleve gebürtig, hatte er 
zuerst als preußischer Beamter in seiner Heimat, dann eine Zeitlang im 
bergischen Staatsdienste die Großindustrie des Niederrheins, nachher 
bei der Potsdamer Regierung die Volkswirtschaft des Nordostens 
kennen und also die Theorien Adam Smiths(2), denen er von frühauf 
huldigte, durch vielseitige praktische Erfahrung zu ergänzen gelernt. So 
ging er auch beim Entwerfen des Zollgesetzes nicht von einer fertigen 
Doktrin aus, sondern von drei Gesichtspunkten der praktischen
Staatskunst. Die Aufgabe war: zunächst in der gesamten Monarchie 
durch Befreiung des inneren Verkehrs eine lebendige Gemeinschaft der 
Interessen zu begründen, sodann dem Staate neue Einnahmequellen zu 
eröffnen, endlich dem heimischen Gewerbefleiß einen mächtigen 
Schutz gegen die englische Übermacht zu gewähren und ihm doch den 
heilsamen Stachel des ausländischen Wettbewerbs nicht gänzlich zu 
nehmen. Wo die Wünsche der Industrie den Ansprüchen der 
Staatskassen widersprachen, da mußte das Interesse der Finanzen 
vorgehen; dies gebot die Bedrängnis des Staatshaushalts. 
Die beiden ersten Paragraphen des Gesetzes verkündigten die Freiheit 
der Ein-, Aus- und Durchfuhr für den ganzen Umfang des Staates. 
Damit wurde die volle Hälfte des nichtösterreichischen Deutschlands 
zu einem freien Marktgebiete vereinigt, zu einer wirtschaftlichen 
Gemeinschaft, welche, wenn sie die Probe bestand, sich auch über die 
andere Hälfte der Nation erweitern konnte. Denn die schroffsten 
Gegensätze unseres vielgestaltigen sozialen Lebens lagen innerhalb der 
preußischen Grenzen. War    
    
		
	
	
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