es möglich, Posen und das Rheinland ohne 
Schädigung ihrer wirtschaftlichen Eigenart derselben wirtschaftlichen 
Gesetzgebung zu unterwerfen, so war schon erwiesen, daß diese 
Gesetze mit einigen Änderungen auch für Baden und Hannover 
genügen mußten. Preußen hatte sich -- so sagte Maaßen oftmals -- 
genau die nämlichen Fragen vorzulegen wie alle die anderen deutschen 
Staaten, welche ernstlich nach Zolleinheit verlangten, und konnte, 
wegen der Mannigfaltigkeit seiner wirtschaftlichen Interessen, leichter 
als jene die richtige Antwort finden. Aber die Ausführung des 
Gedankens, die Verlegung der Zölle an die Grenzen des Staates war in 
Preußen schwieriger als in irgendeinem anderen Reiche; sie erschien 
zuerst vielen ganz unausführbar. Man sollte eine Zollinie von 1073 
Meilen bewachen, je eine Grenzmeile auf kaum fünf Geviertmeilen des 
Staatsgebiets, und zwar unter den denkbar ungünstigsten Verhältnissen, 
da die kleinen deutschen Staaten, die mit dem preußischen Gebiete im 
Gemenge lagen, zumeist noch kein geordnetes Zollwesen besaßen, ja 
sogar den Schmuggel grundsätzlich begünstigten. Solche Bedrängnis 
veranlaßte die preußischen Finanzmänner zur Aufstellung eines 
einfachen übersichtlichen Tarifs, der die Waren in wenige große 
Klassen einordnete. Eine umfängliche, verwickelte Zollrolle, wie sie in
England oder Frankreich bestand, erforderte ein zahlreiches 
Beamtenpersonal, das in Preußen den Ertrag der Zölle verschlungen 
hätte. Durch denselben Grund wurde Maaßen bewogen, die Erhebung 
der Zölle nach dem Gewichte der Waren vorzuschlagen, während in 
allen anderen Staaten das von der herrschenden Theorie allein 
gebilligte System der Wertzölle galt. Die Abstufung der Zölle nach 
dem Werte würde die Kosten der Zollverwaltung unverhältnismäßig 
erhöht haben; zudem lag in der hohen Besteuerung kostbarer Waren 
eine starke Versuchung zum Schmuggelhandel, welche ein Staat von so 
schwer zu bewachenden Grenzen nicht ertragen konnte. 
Auch in der großen Prinzipienfrage der Handelspolitik gab die 
Rücksicht auf die Finanzen den Ausschlag. Der Staat hatte die Wahl 
zwischen zwei Wegen. Man konnte entweder nach Englands und 
Frankreichs Beispiel Prohibitivzölle einführen, um diese sodann als 
Unterhandlungsmittel gegen die Westmächte zu benutzen und also Zug 
um Zug durch Differentialzölle zur Erleichterung des Verkehrs zu 
gelangen; oder man wagte sogleich in Preußen ein System mäßiger 
Zölle zu gründen, in der Hoffnung, daß die Natur der Dinge die großen 
Nachbarreiche dereinst in dieselbe Bahn drängen werde. Maaßen fand 
den Mut, den letzteren Weg zu wählen, vornehmlich, weil der 
zweifelhafte Ertrag aus hohen Schutzzöllen dem Bedürfnis der 
Staatskassen nicht genügen konnte. Verboten wurde allein die Einfuhr 
von Salz und Spielkarten; die Rohstoffe blieben in der Regel 
abgabenfrei oder einem ganz niedrigen Zolle unterworfen. Von den 
Manufakturwaren sollte ein mäßiger Schutzzoll erhoben werden, nicht 
über 10 Prozent, ungefähr der üblichen Schmuggelprämie entsprechend. 
Die Kolonialwaren dagegen unterlagen einem ergiebigen Finanzzolle, 
bis zu 20 Prozent, da Preußen an seiner leicht zu bewachenden 
Seegrenze die Mittel besaß, diese Produkte wirksam zu besteuern. 
Dies freieste und reifste staatswirtschaftliche Gesetz des Zeitraums 
wich von den herrschenden Vorurteilen so weit ab, daß man im 
Auslande anfangs über die gutmütige Schwäche der preußischen 
Doktrinäre spottete. Den Staatsmännern der absoluten Monarchie fällt 
ein undankbares entsagungsvolles Los. Wie laut preist England heute 
seinen William Huskisson(3), *one of the world's great spirits*; alle
gesitteten Völker bewundern die Freihandelsreden des großen Britten. 
Der Name Maaßens aber ist bis zur Stunde in seinem eigenen 
Vaterlande nur einem engen Gelehrtenkreise vertraut. Und doch hat die 
große Freihandelsbewegung unseres Jahrhunderts nicht in England, 
sondern in Preußen ihren ersten bahnbrechenden Erfolg errungen. Das 
wiederhergestellte französische Königtum hielt in dem Tarife von 1816 
die strengen napoleonischen Prohibitivzölle gegen fremde Fabrikwaren 
hartnäckig fest. Die Selbstsucht der Emigranten fügte noch schwere 
Zölle auf die Erzeugnisse des Landbaues, namentlich auf Schlachtvieh 
und Wolle, hinzu. Auch in England war nur ein Teil des 
Handelsstandes für die Lehren der Verkehrsfreiheit gewonnen. Noch 
stand der Grundherr treu zu den hohen Kornzöllen, der Reeder zu 
Cromwells Navigationsakte(4), der Fabrikant zu dem harten 
Prohibitivsysteme; noch urteilte die Mehrzahl der Gebildeten wie einst 
Burke(5) über Adam Smith: solche abstrakte Theorien sind gut genug 
für das stille Katheder von Glasgow(6). Erst das kühne Vorgehen der 
Berliner Staatsmänner ermutigte die englischen Freihändler, mit ihrer 
Meinung herauszurücken. Auf das »glänzende Beispiel, welches 
Preußen der Welt gegeben«, berief sich die freihändlerische Petition 
der Londoner City, welche Baring im Mai 1820 dem Parlamente 
übergab. An Preußen dachte Huskisson, als er seinen berühmten Satz 
aufstellte: »Der Handel ist nicht Zweck, er ist das Mittel, Wohlstand 
und Behagen unter den Völkern zu verbreiten« und seinem Volke 
zurief: »Dies Land kann nicht still stehen, während andere Länder 
vorschreiten in Bildung und Gewerbefleiß«. 
Den freihändlerischen Ansichten der preußischen Staatsmänner 
genügte das neue Gesetz nicht völlig. Man ahnte im Finanzministerium 
wohl, daß der weitaus größte Teil des Zollertrags allein von den 
gangbarsten Kolonialwaren aufgebracht werden und die Staatskasse 
von anderen Zöllen nur geringen Vorteil ziehen würde. Aber man sah 
auch, daß jedem Steuersystem durch die Gesinnung der 
Steuerpflichtigen feste Schranken gezogen sind; die öffentliche 
Meinung jener Tage würde der Regierung nie verziehen haben, wenn 
sie den Kaffee besteuert, den Tee frei gelassen hätte.    
    
		
	
	
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