Ausdruck des edelsten Gemüts, nicht ohne gerührtes Interesse lesen. 
Ehe jedoch zu den wertvollen Briefen übergegangen wird, möchte es 
nötig sein zu sagen, wie die Veröffentlichung oder vielmehr der 
Entschluß dazu entstanden ist. Es möchte dies Pflicht sein in einer Zeit, 
worin so viele Briefe von vertrautem Inhalt erscheinen, die neben dem 
Interesse, das sie gewähren, notwendig verletzen müssen und gerechten 
Tadel verdienen, ohne die Wahrhaftigkeit zu beweisen. 
Die Herausgabe dieser Briefe ist wie von einem unsichtbaren Willen 
geleitet entstanden. Ich bewahrte viele Jahre meine köstlichen, 
neidenswerten Briefschätze, schweigend, wie ein Heiligtum, und sah 
sie an wie eine unerschöpfliche Quelle höheren Lebens, woraus ich 
lange Jahre Mut und Kraft schöpfte und die Reife empfing, deren ich 
fähig war, und nur auf diese Art teilhaftig werden konnte. Eigentlich 
bedurfte ich für meinen Geist keine weitere Nahrung, für mein 
Nachdenken keinen reicheren Stoff, für meine Belehrung kein anderes 
Buch, für meine Seele kein helleres Licht. Dabei fand ich in allen 
Lagen den Trost und die Ermutigung, die mir gerade nötig waren. 
Höchst gütig ließ der edle Freund sich zu meiner Fassungskraft herab, 
so war er mir, worüber er auch reden mochte, immer verständlich, klar 
und überzeugend. Wenn wir auch in manchen Meinungen verschieden 
waren, so ging diese Verschiedenheit aus ganz verschiedenen 
Äußerlichkeiten des Lebens hervor. Immer aber blieb der Freund 
meiner Seele das leitende Prinzip meines geistigen Lebens; ich lebte 
von einem Brief bis zum andern mit ihm fort, und es bildete sich für 
mich, in einer mühe- und sorgenvollen Lage und bei untergrabener 
Gesundheit, ein reiches inneres Leben. Wenn ich mich immer mehr 
zurückzog, den Kreis meiner Freunde enger schloß, folgte ich nur 
meiner tiefsten Neigung; Vergnügen und Freude, und meine stille 
Verborgenheit war, ungekannt und ungeahnt von jedermann, höchst 
belebt und beseelt, ja beseligt, und war es allein durch diesen
seelenvollen Briefwechsel, der nie wieder unterbrochen wurde, weder 
durch Reisen, noch durch Krankheiten, und bis in den Tod bestand. 
Dem mit mir übereinstimmenden Freunde war es eine besondere 
Befriedigung, daß ich so schweigend mein Heiligtum während eines 
halben Menschenalters bewahrte. 
Die letzten Jahre meines Lebens gewährten mir wieder mehr Muße, so 
konnte ich mehr und tiefer in den Geist der Briefe, der in allen und 
jedem einzelnen weht, mich versenken und vertiefen, in diesen reichen, 
hocherleuchteten Geist, voll lauterer himmlischer Gesinnungen! Jahre 
habe ich mit diesen Briefen, und nur mit ihnen gelebt. 
Oft vertieft in die Ideen des vollendeten Freundes und zugleich 
versenkt in Nachdenken über dies einzige Verhältnis und das, was 
dadurch für Zeit und Ewigkeit in mir gereift war, schien es mir nicht 
recht, daß so viel Wahres, Großes und Gutes mit mir untergehen sollte. 
Es war allerdings nur für mich geschrieben, für mich und meine Art zu 
empfinden berechnet, aber die überzeugenden Wahrheiten, so klar 
ausgesprochen, die sicheren Wege zu innerem Glück und Ruhe so 
unverkennbar, so klar und milde gezeigt, daß die Erkenntnis heilsam 
für jedes gutgeartete Gemüt sein muß. 
Und das alles sollte mit mir untergehen? mit mir zernichtet werden? -- 
Das war vielleicht die erste innere Aufforderung, das Segensreiche so 
oder anders zu erhalten! 
Ich fing an Auszüge zu machen, um solche im Manuskript Freunden zu 
hinterlassen, und erkannte bald, wie vergänglich solche Vermächtnisse 
sind und wie schnell verlesen. So stiegen nach und nach Gründe auf, so 
wertvolle Papiere durch den Druck zu erhalten. Ein großes Hindernis 
trat mir entgegen: der Widerwille an aller Öffentlichkeit. Was Freunden 
für mich hochehrend erschien, dünkte mir Entweihung. Ein zweites 
Hindernis war die Forderung einer strengen Durchsicht, selbst teilweise 
einer gänzlichen Umschreibung der gemachten Auszüge. 
Schwierigkeiten aller Art entstanden. So waren, wie schon gesagt, 
Jahre nötig, den Entschluß der Veröffentlichung zu reifen. Auch kann 
diese erst nach meinem Ableben stattfinden. Die Zeit, die das
Unbedeutende bald erbleichen läßt, verklärt das Große und wird auch 
den hohen Wert der Gaben steigern, die ich denen hinterlasse, die sie 
verstehen, würdigen und gewiß mit Freuden empfangen. 
Als heilige Pflicht erschien es mir nach dem gefaßten Entschluß, alle 
Auszüge selbst zu machen und eigenhändig zu schreiben. So sicherte 
ich Wahrheit und Treue auf einer Seite, indem ich auf der andern 
niemand verantwortlich machte. So kann ich aber nicht dafür einstehen, 
daß nicht Wiederholungen vorfallen. Ich bemerke dies im Vorbericht, 
um nicht später bei jedem einzelnen Fall daran zu erinnern. Ich bedarf 
gewiß Nachsicht und Verzeihung für solche Fehler, die ich begehen, ja 
nicht werde vermeiden können, da ich den Entschluß der Herausgabe 
zu spät gefaßt habe, und keine fremde Hilfe erbitten noch zulassen will. 
Man ist wohl so gütig, wenn bei aller Sorgfalt Wiederholungen der Art 
vorfallen, solche Stellen zu überschlagen. Der Verfasser ist es ja allein, 
der Interesse erregt und gewährt, und was er schreibt, entschädigt 
reichlich, wo mich Tadel trifft. 
Von meinen Briefen ist, wie ich das gewünscht und erbeten hatte, 
nichts erhalten; nur von einzelnen habe ich Abschrift oder Fragmente 
bewahrt,    
    
		
	
	
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