hegte ich nicht die leiseste Hoffnung 
des Wiedersehens. Ich schloß die vorübergegangene schöne 
Erscheinung in das Allerheiligste und gab es nie heraus, sprach nie 
darüber und sicherte es so vor Entweihung durch fremde Berührung. 
Ein Stammbuchblättchen, ein in jener Zeit mehr als jetzt 
gebräuchliches Erinnerungszeichen, blieb mir ein sehr teures Andenken 
durch mein ganzes Leben. Ich ahnte nicht, wie bedeutend es noch 
werden würde, als ein Dokument, das hierher gehört, da es beides 
charakterisiert, den jugendlichen Humboldt und unser jugendliches 
Verhältnis. 
Bald nach dieser für mich in den späteren Folgen so wichtigen 
Bekanntschaft, im Frühjahr 1789, wurde ich verheiratet. Ich lebte in
dieser kinderlosen Ehe nur fünf Jahre und trat in keine zweite. 
Mich trafen ungewöhnliche und schmerzlich-verwickelte Schicksale, 
und durch rätselhafte, geheime, erst spät enthüllte Intriguen und 
Feindschaften blieb mein ganzes Leben ein Gewebe von 
Widerwärtigkeiten, die ich später gesegnet habe, da nichts anders sein 
durfte, als es war, sollte ich der segensvollen Teilnahme des edelsten 
Freundes teilhaftig werden. 
In dieser Zeit begannen die großen Weltbegebenheiten und griffen 
mehr oder weniger in die Schicksale von Tausenden ein, die nichts 
damit zu tun hatten. Auch auf mich übten sie ihre Gewalt, indem sie 
mich eines Vermögens beraubten, das eben ausreichte, mir bei mäßigen 
Wünschen Unabhängigkeit zu sichern, wodurch mir viele 
Lebensbitterkeiten fern blieben, die ich später kennen lernte. 
In der ereignisschweren Zeit 1806 wohnte ich als Fremde in 
Braunschweig. Eine Reihe von Jahren hatte ich dort unter der milden 
Regierung des alten, allgeliebten, verehrten Herzogs Karl Wilhelm 
Ferdinand gelebt. Es war nach der Schlacht bei Jena, wovon man so 
große Erwartungen hegte, als die Besitznahme deutscher Länder und 
die französische Herrschaft begann. Braunschweig traf der Schlag 
zuerst. Wie gewaltsam die Schritte auch waren, die geschahen, man sah 
sie als kriegerische Maßregeln an, aber nicht als Vorspiel dessen, was 
folgte. Man besorgte und befürchtete keine Fremdherrschaft. 
Jetzt erging eine Aufforderung, die allgemeine Last freiwillig oder 
gezwungen mitzutragen. An mich erging aber keine Anforderung, gern 
und freiwillig gab ich einen großen Teil meines Vermögens. Es war mir 
gerade ein Kapital ausgezahlt, das vorerst auf Wechsel stand, worüber 
ich gleich disponieren konnte; gefährlich schien es durchaus nicht, die 
Obligationen wurden von den Landständen ausgestellt und garantiert, 
die Gelder von ihnen empfangen. Man hielt das für sehr sicher. Mich 
hatten schwere Privatleiden in der Zeit getroffen, so, im Schmerz 
befangen, handelte ich wohl nicht vorsichtig genug. Wie es bald mit 
diesen Papieren ging, ist bekannt genug und gehört nicht weiter hierher. 
Bald kamen die wichtigen weltgeschichtlichen Jahre 1812, 13 und 14
heran. Wer, der sie erlebte, denkt nicht gern und mit Freuden der 
Begeisterung jener Zeit, in der man des eigenen Geschicks vergaß, 
wenn es nicht zu schwer war! Ich lebte in dieser Zeit im 
Braunschweigischen. Wer hatte mehr gelitten als der Herzog selbst, wie 
hing ihm sein Volk an mit deutscher Treue und Liebe! Auf eine den 
gütigen Fürsten hochehrende Art war er mit meinen Verlusten und 
meiner daraus hervorgegangenen Lage bekannt geworden. Er rechnete 
mir, als einer Fremden, mein früheres Darlehn höher an, als es solches 
verdiente. Freunde von mir standen ihm nahe und machten ihn genauer 
mit allem bekannt. Der höchst gütige Fürst bezeigte mir in zwei Briefen 
seine Teilnahme an meinen Verlusten und den Wunsch, meine Lage 
gründlich zu ändern. Man riet mir, das Wohlwollen gleich in Anspruch 
zu nehmen und um eine Pension zu bitten. Das vermochte ich nicht. Ich 
vertraute dem fürstlichen Wort: nach glücklich beendeter Sache die 
Sorge für mich selbst zu übernehmen. Dies Vertrauen hätte mich gewiß 
nicht getäuscht, wäre er nicht bei Waterloo gefallen. -- 
Mehrere einflußreiche Männer in hoher Stellung interessierten sich für 
meine Sache, um mir einigen Ersatz zu verschaffen, aber vergeblich. 
Meine großen Verluste blieben, wie hart und drückend sie waren, 
unersetzt. 
Um diese Zeit sprachen die Zeitungen viel in großen, ehrenvollen 
Erwartungen von dem Minister von Humboldt, der im Hauptquartier 
des Königs von Preußen und dann als dessen Bevollmächtigter auf dem 
Kongreß in Wien war. Plötzlich kam mir der Gedanke, mich in die 
Erinnerung des nie Vergessenen zurückzurufen, mich offen und ohne 
Rückhalt gegen ihn über meine dermalige Lage auszusprechen und es 
ihm und seiner Einsicht anheim zu stellen, ob und was für mich zu tun 
sei. So schnell wie der Gedanke in mir aufstieg, wurde er ausgeführt. 
Alles Jugendvertrauen kehrte während des Schreibens zurück. Ich gab 
dem teuern Freund einen möglichst kurzen Überblick über viele 
verhängnisvolle Jahre, verweilte aber länger bei der Gegenwart, die mir 
den Mut gegeben hatte zu diesem Schritt. Das heilig bewahrte 
Stammbuchblättchen war eine sprechende Beglaubigung. Von diesem 
Brief habe ich damals für mich eine Abschrift bewahrt und diese jetzt 
wiedergefunden, und da er die folgenden veranlaßte und den
Briefwechsel eröffnete, so gehört er, stückweise, hierher und ich teile 
das Nötige daraus mit. 
Ich bekam auf der Stelle Antwort. 
Jeder, der den Vollendeten kannte, wird seinen Brief, den treuen    
    
		
	
	
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