die Fürbitte der Familie 
Asteron, noch auch der Wunsch der Äbtissin selbst, welche das junge 
Mädchen wegen ihres sonst untadelhaften Betragens liebgewonnen 
hatte, die Strenge, mit welcher das mit welcher das klösterliche Gesetz 
sie bedrohte, mildern konnte. Alles, was geschehen konnte, war, daß 
der Feuertod, zu dem sie verurteilt wurde, zur großen Entrüstung der 
Matronen und Jungfrauen von St. Jago, durch einen Machtspruch des 
Vizekönigs, in eine Enthauptung verwandelt ward.
Man vermietete in den Straßen, durch welche der Hinrichtungszug 
gehen sollte, die Fenster, man trug die Dächer der Häuser ab, und die 
frommen Töchter der Stadt luden ihre Freundinnen ein, um dem 
Schauspiele, das der göttlichen Rache gegeben wurde, an ihrer 
schwesterlichen Seite beizuwohnen. 
Jeronimo, der inzwischen auch in ein Gefängnis gesetzt worden war, 
wollte die Besinnung verlieren, als er diese ungeheure Wendung der 
Dinge erfuhr. Vergebens sann er auf Rettung: überall, wohin ihn auch 
der Fittig der vermessensten Gedanken trug, stieß er auf Riegel und 
Mauern, und ein Versuch, die Gitterfenster zu durchfeilen, zog ihm, da 
er entdeckt ward, eine nur noch engere Einsperrung zu. Er warf sich 
vor dem Bildnisse der heiligen Mutter Gottes nieder, und betete mit 
unendlicher Inbrunst zu ihr, als der einzigen, von der ihm jetzt noch 
Rettung kommen könnte. 
Doch der gefürchtete Tag erschien, und mit ihm in seiner Brust die 
Überzeugung von der völligen Hoffnungslosigkeit seiner Lage. Die 
Glocken, welche Josephen zum Richtplatz begleiteten, ertönten, und 
Verzweiflung bemächtigte sich seiner Seele. Das Leben schien ihm 
verhaßt, und er beschloß, sich durch einen Strick, den ihm der Zufall 
gelassen hatte, den Tod zu geben. Eben stand er, wie schon gesagt, an 
einem Wandpfeiler und befestigen den Strick, der ihn dieser 
jammervollen Welt entreißen sollte, an eine Eisenklammer, die an dem 
Gesimse derselben eingefugt war; als plötzlich der größte Teil der Stadt, 
mit einem Gekrache, als ob das Firmament einstürzte, versank, und 
alles, was Leben atmete, unter seinen Trümmern begrub. Jeronimo 
Rugera war starr vor Entsetzen; und gleich als ob sein ganzes 
Bewußtsein zerschmettert worden wäre, hielt er sich jetzt an dem 
Pfeiler, an welchem er hatte sterben wollen, um nicht umzufallen. Der 
Boden wankte unter seinen Füßen, alle Wände des Gefängnisses rissen, 
der ganze Bau neigte sich, nach der Straße zu einzustürzen, und nur der, 
seinem langsamen Fall begegnende, Fall des gegenüberstehenden 
Gebäudes verhinderte, durch eine zufällige Wölbung, die gänzliche 
Zubodenstreckung desselben. Zitternd, mit sträubenden Haaren, und 
Knieen, die unter ihm brechen wollten, glitt Jeronimo über den 
schiefgesenkten Fußboden hinweg, der Öffnung zu, die der
Zusammenschlag beider Häuser in die vordere Wand des Gefängnisses 
eingerissen hatte. 
Kaum befand er sich im Freien, als die ganze, schon erschütterte Straße 
auf eine zweite Bewegung der Erde völlig zusammenfiel. 
Besinnungslos, wie er sich aus diesem allgemeinen Verderben retten 
würde, eilte er, über Schutt und Gebälk hinweg, indessen der Tod von 
allen Seiten Angriffe auf ihn machte, nach einem der nächsten Tore der 
Stadt. Hier stürzte noch ein Haus zusammen, und jagte ihn, die 
Trümmer weit umherschleudernd, in eine Nebenstraße; hier leckte die 
Flamme schon, in Dampfwolken blitzend, aus allen Giebeln, und trieb 
ihn schreckenvoll in eine andere; hier wälzte sich, aus seinem Gestade 
gehoben, der Mapochofluß auf ihn heran, und riß ihn brüllend in eine 
dritte. Hier lag ein Haufen Erschlagener, hier ächzte noch eine Stimme 
unter dem Schutte, hier schrieen Leute von brennenden Dächern herab, 
hier kämpften Menschen und Tiere mit den Wellen, hier war ein 
mutiger Retter bemüht, zu helfen; hier stand ein anderer, bleich wie der 
Tod, und streckte sprachlos zitternde Hände zum Himmel. Als 
Jeronimo das Tor erreicht, und einen Hügel jenseits desselben 
bestiegen hatte, sank er ohnmächtig auf demselben nieder. 
Er mochte wohl eine Viertelstunde in der tiefsten Bewußtlosigkeit 
gelegen haben, als er endlich wieder erwachte, und sich, mit nach der 
Stadt gekehrtem Rücken, halb auf dem Erdboden erhob. Er befühlte 
sich Stirn und Brust, unwissend, was er aus seinem Zustande machen 
sollte, und ein unsägliches Wonnegefühl ergriff ihn, als ein Westwind, 
vom Meere her, sein wiederkehrendes Leben anwehte, und sein Auge 
sich nach allen Richtungen über die blühende Gegend von St. Jago 
hinwandte. Nur die verstörten Menschenhaufen, die sich überall 
blicken ließen, beklemmten sein Herz; er begriff nicht, was ihn und sie 
hiehergeführt haben konnte, und erst, da er sich umkehrte, und die 
Stadt hinter sich versunken sah, erinnerte er sich des schrecklichen 
Augenblicks, den er erlebt hatte. Er senkte sich so tief, daß seine Stirn 
den Boden berührte, Gott für seine wunderbare Errettung zu danken; 
und gleich, als ob der eine entsetzliche Eindruck, der sich seinem 
Gemüt eingeprägt hatte, alle früheren daraus verdrängt hätte, weinte er 
vor Lust, daß er sich des lieblichen Lebens, voll bunter Erscheinungen,
noch erfreue. 
Drauf, als er eines Ringes an seiner Hand gewahrte, erinnerte er sich 
plötzlich auch Josephens, und mit ihr seines Gefängnisses, der Glocken, 
die er dort gehört hatte, und des Augenblicks, der dem Einsturze 
desselben    
    
		
	
	
	Continue reading on your phone by scaning this QR Code
 
	 	
	
	
	    Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the 
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.
	    
	    
