19. Jahrhunderts geboren, in den fünfziger und 
sechziger Jahren mit den Traditionen der Corneliusschule gebrochen 
und in Deutschland eine neue Kunst heraufgeführt haben, eine 
Blütezeit der Malerei, wie sie seit den Tagen Dürers und Holbeins nicht 
mehr gewesen war. Er ist ein Altersgenosse von Anselm Feuerbach, 
Viktor Müller (auch von Piloty, Knaus und Vautier) und ging Lenbach, 
Hans von Marées, Hans Thoma, Toni Stadler, Karl Haider, Gabriel 
Max und Makart um ein Jahrzehnt oder wenig mehr voraus. Als er sich 
der Malerei zuwandte, hat Cornelius den Karton der apokalyptischen 
Reiter geschaffen, begann Rethel die Fresken im Aachener Rathause 
und die Holzschnitte des Totentanzes und es folgten die duftigsten 
Werke von Schwind, wie das Aschenbrödel und die Wartburgfresken, 
und die reifsten Holzschnittfolgen von Ludwig Richter bald nach. 
Die führenden Geister aber der in dieser Zeit heranwachsenden 
Generation haben im Kolorit ihr kräftigstes Ausdrucksmittel gefunden. 
Sie begannen die Koloristen unter den Meistern der früheren 
Jahrhunderte zu studieren. Es richtete sich das neue Interesse 
hauptsächlich auf die Farbenkomposition, die Kunstmittel, mit denen 
die koloristische Gesamthaltung in früheren Zeiten erzielt worden war, 
aber auch auf die Malmittel, die technischen Verfahren, die 
handwerkliche Praxis, welche die vorausgehende Zeit vernachlässigt 
hatte. Böcklin meinte gelegentlich: Wer heute in der Kunst noch etwas 
erreichen wolle, müsse die Malerei von neuem erfinden. Die 
heranwachsende Generation wandte sich nach Belgien und nach Paris, 
hauptsächlich zu Couture, sie lernte von Delacroix und den Meistern 
von Barbizon. Die Mehrzahl aber, wenigstens gerade die 
Bedeutendsten und Einflußreichsten, haben schließlich nicht in 
Frankreich, sondern in Italien im Umgang mit den Werken der alten 
Kunst die entscheidende Richtung für ihr ganzes Leben gefunden und 
diese im Umgang mit Kollegen und Schülern weitergebildet. 
Böcklin ist einer der ältesten, selbständigsten und eigenartigsten unter
diesen Künstlern. Er ist noch mehr als alle übrigen seine eigenen Wege 
gegangen, am meisten verschrieen und verhöhnt worden, war während 
der größten Zeit seines Wirkens wie Feuerbach, Thoma, Hans von 
Marées, nur von wenigen erkannt, abseits gestanden und hat schließlich 
die größte Fülle von Beifall geerntet. 
Er gehört zur deutschen Kunst, so gut wie die anderen, obwohl er in 
Basel geboren und aufgewachsen ist und auch von schweizerischen 
Eltern stammt, obwohl auch für seine Kunst ein Aufenthalt in Paris von 
einiger Bedeutung, und der erste siebenjährige in Italien entscheidend 
war. Der einzige Lehrer und der einzige Studiengenosse, der auf seine 
Richtung von tieferem Einfluß war, waren Deutsche ihrer Kunst und 
Herkunft nach, ebenso die Mehrzahl der Freunde und Kollegen, die er 
in den entscheidenden Jahren um sich sah. Er ist, was gewöhnlich 
übersehen wird, aus der heroischen Landschaftsmalerei 
herausgewachsen, die seit Asmus Carstens und Jos. Anton Koch in 
Deutschland gepflegt wurde und immer Verständnis gefunden hat. Er 
ist der Sohn und Erbe dieser ganzen Richtung. Er hat auch fast nur in 
deutschen Landen zuerst Verständnis und später allgemeinen Beifall 
gefunden, und die Erfolge, die er in Deutschland errungen hat, haben 
sein Ansehen in seiner Vaterstadt erst recht befestigt. Von 
französischer Seite sind einzelne Stimmen schon früh laut geworden, 
die Böcklins Bedeutung anerkannten, aber sie blieben ganz vereinzelt. 
In England ist der Meister so gut wie unbekannt. Noch heute befindet 
sich das Werk des Künstlers mit ganz wenigen Ausnahmen in 
deutschem, deutsch-schweizerischem und österreichischem Besitz. 
Bezeichnend ist auch, daß die Polemik, die sich vor dem Kriege in 
Deutschland gegen Böcklin erhob und ihm jedes wahre Künstlertum 
absprach, aus den Kreisen derer stammt, die für die unbedingte 
Überlegenheit der Franzosen in der bildenden Kunst eintraten. 
Dies alles war nur zum kleineren Teile Zufall. Seine Art ist im letzten 
Grunde deutsch. Immer stärker treten in seinem Stil gewisse Neigungen 
hervor, die für die Kunst der Festlandgermanen von jeher bezeichnend 
gewesen sind, und sie von der der latinisierten Völker unterscheiden. Er 
steht diesseits der Kulturgrenze, die vom Jura bis zur Nordsee reicht. 
Sein Ideal ist im letzten Grunde nicht die regelnde Ordnung und das
Ebenmaß, sondern das sprühende Leben, die Wucht des Ausdrucks und 
die Macht der Stimmung. 
 
DIE VATERSTADT UND DIE ELTERN 
Die Vaterstadt Basel ist noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts 
einem Bewunderer Böcklins, der hingewallfahrtet war, um die Heimat 
des Propheten kennen zu lernen, unsäglich eng und muffig erschienen 
und von ihm danach verlästert worden. Da mögen unangenehme 
Reiseerlebnisse das Urteil getrübt haben, aber früher, in Böcklins 
Jugend, hätte ein flüchtiger Besucher wirklich nicht ahnen können, daß 
ein enthusiastischer Künstler in den Mauern heranwuchs, der die Faune 
und Nymphen, Tritonen und Nereiden und die schaumgeborene 
Aphrodite aus dem Orkus heraufholen werde. 
Die Stadt war freilich zur Zeit des Humanismus und der Reformation 
der Mittelpunkt geistigen Lebens für ganz Südwestdeutschland 
gewesen. Sie hatte gleichzeitig auch ein blühendes Kunstleben gehabt. 
Dürer hatte auf der Wanderschaft hier Arbeit gefunden und zwanzig 
Jahre später Holbein eine zweite Heimat und große und lohnende 
Aufträge. Die Buchdrucker datierten damals ihre Drucke aus der 
«weitberühmten Stadt Basel» und in den    
    
		
	
	
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