ein Gefäß mit Wasser tragend und ein 
Räucherpfännchen, auf dem ein scharfriechendes Kraut glimmte und 
ihr seinen Dampf ins Gesicht trieb, daß sie mit Husten, Schelten und 
Augenreiben die drolligsten Gebärden machte. Sie trug das 
Räucherwerk mit kleinen Schritten dicht an den vier Wänden herum, 
die mit einer Unzahl Fliegen und Mücken bedeckt waren. 
Marschiert da weg, ihr Gesindel, sagte sie, ihr Blutsauger, schlimmer 
als Advokaten und Doktoren! Hättet ihr auch Lust, Feigen zu Nacht zu 
essen und Zyper zu naschen? Da könntet ihr wohl lachen und hernach 
zum Dank dem Herrn da, wenn er schläft, das Gesicht zerstechen, ihr 
Meuchelmörder! Wartet, ich will euch was eingeben, das euch ohne 
Abendessen in Schlaf bringen soll. 
Mußt du immer schwatzen, du gottlose Kreatur? sagte die Mutter, die 
allen Bewegungen ihres Lieblings mit strahlenden Blicken folgte. 
Weißt du nicht, daß ein Faß, das klingt, leer ist, und wer viel spricht, 
wenig sagt?--Mutter, sagte das Mädchen lachend, ich muß den Mücken 
ein Schlaflied singen, und seht, wie es hilft! da fallen sie schon von der 
Wand. Gute Nacht, ihr Tagediebe, ihr schlechten Gesellen, die ihr 
keine Miete bezahlt und doch in alle Töpfe guckt. Wir sprechen uns 
morgen wieder, wenn ihr heute nicht genug bekommen habt. 
Sie schwenkte das erlöschende Kraut noch einmal wie beschwörend 
überm Haupte und schüttete die Asche in den Kanal, dann verbeugte 
sie sich rasch gegen den Fremden und lief wie der Wind hinaus. 
Ist es nicht eine Hexe, ein häßliches, unerzogenes Geschöpf? sagte Frau 
Giovanna, indem sie aufstand und sich ebenfalls zum Gehen anschickte. 
Und doch gefällt jeder Äffin ihr Äffchen. Und übrigens, so klein sie ist 
und nichtsnutzig, so anstellig ist sie auch, und es heißt auch von ihr: 
Bis die Große sich nur bückt, Hat die Kleine schon das Kraut gepflückt. 
Wenn ich das Kind nicht hätte, Herr Andrea! Aber Ihr wollt schlafen, 
und ich stehe noch hier und brodle wie die Suppe überm Feuer. Schlaft 
wohl und willkommen in Venedig! 
Er erwiderte ihren Gruß trocken und schien es nicht zu bemerken, daß 
sie offenbar noch ein lobendes Wort über ihre Tochter von ihm 
erwartete. Als er endlich allein war, saß er noch eine Weile am Tisch,
und sein Gesicht wurde immer düsterer und schmerzlicher. Das Licht 
brannte mit langem Docht, die Fliegen, die Mariettas Hexenkünsten 
entgangen waren, belagerten in schwarzen Klumpen die überreifen 
Feigen, draußen in dem Sackgäßchen flogen die Fledermäuse ans 
Fenster und stießen gegen das Gitter--der einsame Fremde schien für 
alles um ihn her erstorben, und nur die Augen lebten an ihm. 
Erst als es elf schlug vom Turm einer nahen Kirche, richtete er sich 
mechanisch auf und sah um sich. An der Decke seines niedrigen 
Zimmers zog in grauen Streifen der scharfe Dunst des Räucherkrautes 
hin und der Dampf der Kerze gesellte sich zu der Wolke droben. 
Andrea öffnete das Fenster nach dem Kanal, um die Luft zu reinigen. 
Da sah er gegenüber Licht in einem durch einen weißen Vorhang nur 
halb geschlossenen Fenster und konnte durch die Lücke deutlich ein 
Mädchen beobachten, welches am Tisch vor einer Schüssel saß und die 
Reste einer großen Pastete hastig verzehrte, mit den Fingern die Bissen 
zum Munde führend und dazu dann und wann aus einem 
Kristallfläschchen trinkend. Das Gesicht hatte einen leichtsinnigen, 
aber eben nicht herausfordernden Ausdruck, nicht mehr in erster 
Jugend. In der nachlässigen Kleidung und dem halbaufgelösten Haar 
lag etwas Studiertes und Bewußtes, was doch nicht ungefällig war. Sie 
mußte längst bemerkt haben, daß das Zimmer gegenüber einen neuen 
Bewohner aufgenommen hatte; aber obwohl sie denselben jetzt am 
Fenster sah, fuhr sie ruhig im Schmausen fort, und nur wenn sie trank, 
schwenkte sie das Fläschchen erst vor sich her, als wolle sie einen 
Mittrinker begrüßen. Darauf stellte sie die leere Schüssel beiseite, 
rückte den Tisch mit der Lampe so gegen die Wand, daß alles Licht auf 
einen breiten Spiegel im Hintergrunde fiel, und begann nun einen 
Haufen Maskenanzüge, der auf einem Armsessel bunt übereinander lag, 
der Reihe nach vor dem Spiegel anzuprobieren, so daß der Fremde 
gegenüber, dem sie den Rücken dabei zudrehte, desto deutlicher ihr 
Abbild sehen mußte. Sie schien sich nicht wenig in ihren 
Verkleidungen zu gefallen. Wenigstens nickte sie ihrem Bilde aufs 
freundlichste zu, lachte sich an, daß Zähne und Lippen schimmerten, 
runzelte die Brauen, um eine tragische oder schmachtende Miene zu 
machen, und sah dabei heimlich seitwärts nach dem Beobachter drüben, 
den sie ebenfalls durch den Spiegel im Auge behielt. Als die dunkle 
Gestalt unbeweglich blieb und die erhofften Zeichen des Beifalls auf
sich warten ließen, wurde sie ungehalten und bereitete einen 
Hauptschlag vor. Sie band sich einen großen roten Turban um die 
Schläfen, aus dem an blitzender Agraffe eine Reiherfeder hervorsah. 
Das Rot stand allerdings nicht übel zu ihrer gelben Gesichtsfarbe, und 
sie machte sich selbst eine tiefe Verbeugung der Anerkennung. Als es 
aber drüben auch jetzt noch still    
    
		
	
	
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