gewesen -- vielleicht oft
nur zu sehr.«
An dieser Stelle hatte die Schwester etwas zu sagen, und etwas unmutig
rief sie:
»Bester Bruder, sie reden im Dorfe doch schon dumm genug von dir!«
Der geistliche Herr lächelte; aber der Förster lachte laut und rief:
»Ja, Fräulein Dorette, für den Anstand ist seine Natur freilich nicht
eingerichtet, das habe ich zweimal in Erfahrung gebracht und werde es
mit meiner Einwilligung nicht zum drittenmal erleben. Das ist so! er
hält jedem Fuchs, der herüberwechselt, eine Standrede, ehe er losbrennt
und vorbeipafft. Aber hingegen bei einem Treiben wäre er wohl an Ort
und Stelle, und eine Hasenklapper ist auch ein recht nützliches Ding.«
»Ich danke Ihnen für Ihre Bemerkung, Ulebeule!« sprach das alte
Fräulein spitz und kurz, und jetzt lächelte Herr Philipp Kristeller und
ließ sich nicht weiter auf seinem Wege aufhalten.
»Ich gab also, wie es nicht anders sein konnte, meiner Natur nach. Ich
erzählte dem neuen Bekannten so nach und nach von allem, was mir an
mir, meinem Leben und Zuständen wichtig dünkte. Um alles, von
meiner Geburt an, wußte er bald Bescheid; was ich von ihm dagegen
erfuhr, war so wenig als möglich, das heißt gar nichts! -- Aber ein guter
Gesellschafter war er doch, und wurde ein immer besserer, je häufiger
wir uns trafen. Wir fingen an, die Plätze miteinander zu verabreden, an
welchen wir uns finden wollten, und er, als der freiere Mann, war stets
am Orte. Manchmal begleitete er mich bis an den Hügelhang, an
welchem die Stadt liegt; allein so oft ich ihn auch einlud, nun auch mit
mir in dieselbe hinunterzusteigen, so lehnte er das stets bestimmt ab,
ohne einen Grund für die Weigerung anzugeben. Am Waldrande über
dem Nordthore nahm er stets Abschied, drückte mir die Hand und ging
zurück. In der Stadt und Umgegend kannte ihn keiner, so oft und viel
ich auch die Leute nach ihm ausfragte. Gesehen hatte ihn wohl
mancher, und manchem war er auch in seinem Wesen und Treiben
aufgefallen; doch nähere Auskunft über ihn wußte niemand zu geben.
In einem Dorfe, mitten in den Bergen, hatte er für ein Pferd und einen
leichten Wagen ein Standquartier, doch auch da nannte man ihn einfach
nur Herr August und hielt ihn für einen Studiosen aus der
Universitätsstadt in der Ebene, der, >wie schon viele<, von dort in die
Berge komme, um >die Kräuter zu verstudieren<.«
»Scheint mir eine kalte Fährte gewesen zu sein,« meinte der Förster,
und der Pastor war derselben Meinung.
»Ich gab auch nichts darauf,« erzählte Herr Philipp weiter, »sondern
setzte den Verkehr fort, wie er sich eben machte, und nachdem ich mit
dem Herrn August ein halbdutzend Male zusammengetroffen war,
fügte es der Zufall, daß er auch meine Braut kennen lernte. Die hatte
mit ihren Verwandten und Bekannten an einem schönen Sonntage
einen Ausflug in den Wald gemacht, und da trafen wir, -- als Johanne
und ich uns von der lustigen Gesellschaft abseits geschlagen hatten und
allein für uns gingen, auf einem überwachsenen Pfade auf meinen
geheimnisvollen Freund. Wir gingen Arm in Arm, und er ging wieder
einsam, und sein Gesicht war ernster und trüber denn je. Als er uns
erblickte, erhellten sich seine Mienen zwar, aber nicht auf lange. Er
wollte mit uns fröhlich und heiter sein; aber es gelang ihm schlecht. Er
sprach sehr gut und freundlich zu meinem Schatz; doch je länger er mit
uns ging und je munterer wir auf ihn einplauderten, desto stiller wurde
er. Und als nun gar die übrige Gesellschaft singend, lachend und
jubelnd zu uns stieß, da war er plötzlich wieder verschwunden, und wir
sahen ihn an jenem fröhlichen Tage nicht mehr. >Du, Philipp, der hat
ein großes Unglück erfahren oder windet sich noch durch ein solches<,
sagte mir Johanne nachher; >Philipp, der Mensch thut mir unendlich
leid; -- ist es dir denn noch niemals bange und traurig in seiner Nähe zu
Mute geworden?<
»Die Weiber haben in der Hinsicht einen feinen Blick und Sinn, und sie
verstehen es, uns Mannsvolk auf manches aufmerksam zu machen, was
man gefühlt hat, ohne daß es einem im Bewußtsein klar geworden ist.
Ich stutzte, und jetzt zuerst fiel es auch mir bei, daß mein schweigsamer
Freund auch mir schon einige Male sehr leid gethan habe. Bänglich
war's mir freilich noch nicht in seiner Gesellschaft zu Mute gewesen;
doch schon auf dem lustigen Heimwege nach der Stadt war es mir ganz
klar, daß von nun an auch das Bangen mich zu Zeiten wohl
überkommen könne. Von jenem Tage an achtete ich schärfer und
schärfer auf meinen Freund August, und dann einmal fragte ich ihn mit
aller Aufbietung meiner Beredsamkeit und Überredungskraft, was ihm
eigentlich fehle und ob es durchaus nicht möglich sei, daß ich ihm helfe?
Ich beschwor ihn inständigst, doch ein Herz zu fassen und alles, was
ihn drücke, mir mitzuteilen. Ich sagte ihm,

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