West-oestlicher Divan | Page 9

Johann Wolfgang von Goethe
wirf
deine Kuchen;
Wer weiß, wer sie genießt!
Als ich einmal eine Spinne erschlagen,
Dacht ich, ob ich das wohl
gesollt?
Hat Gott ihr doch wie mir gewollt
Einen Anteil an diesen
Tagen!
"Dunkel ist die Nacht, bei Gott ist Licht."
Warum hat er uns nicht
auch so zugericht?
Welch eine bunte Gemeinde!
An Gottes Tisch sitzen Freund und
Feinde.
Ihr nennt mich einen kargen Mann;
Gebt mir, was ich verprassen
kann!
Soll ich dir die Gegend zeigen,
Mußt du erst das Dach besteigen.

Wer schweigt, hat wenig zu sorgen;
Der Mensch bleibt unter der
Zunge verborgen.
Ein Herre mit zwei Gesind,
Er wird nicht wohl gepflegt.
Ein Haus,
worin zwei Weiber sind,
Es wird nicht rein gefegt.
Ihr lieben Leute, bleibt dabei
Und sagt nur: "Autos epha!"
Was sagt
ihr lange Mann und Weib?
Adam, so heißt's, und Eva!
Wofür ich Allah höchlich danke?
Daß er Leiden und Wissen getrennt.

Verzweifeln müßte jeder Kranke,
Das übel kennend, wie der Arzt
es kennt.
Närrisch, daß jeder in seinem Falle
Seine besondere Meinung preist!

Wenn Islam "Gott ergeben" heißt,
In Islam leben und sterben wir
alle.
Wer auf die Welt kommt, baut ein neues Haus,
Er geht und läßt es
einem zweiten;
Der wird sich's anders zubereiten.
Und niemand
baut es aus.
Wer in mein Haus tritt, der kann schelten,
Was ich ließ viele Jahre
gelten;
Vor der Tür aber müßt er passen,
Wenn ich ihn nicht wollte
gelten lassen.
Herr, laß dir gefallen
Dieses kleine Haus!
Größre kann man bauen,

Mehr kommt nicht heraus.
Du bist auf immer geborgen,
Das nimmt dir niemand wieder:
Zwei
Freunde ohne Sorgen,
Weinbecher, Büchlein Lieder.
"Was brachte Lokman nicht hervor,
Den man den Garst'gen hieß!"

Die Süßigkeit liegt nicht im Rohr,
Der Zucker, der ist süß.
Herrlich ist der Orient
übers Mittelmeer gedrungen;
Nur wer Hafis
liebt und kennt,
Weiß, was Calderon gesungen.

"Was schmückst du die eine Hand denn nun
Weit mehr als ihr
gebührte?"
Was sollte denn die Linke tun,
Wenn sie die Rechte
nicht zierte?
Wenn man auch nach Mekka triebe
Christus' Esel, würd' er nicht

Dadurch besser abgericht,
Sondern stets ein Esel bliebe.
Getretner Quark
Wird breit, nicht stark.
Schlägst du ihn aber mit Gewalt
In feste Form, er nimmt Gestalt.

Dergleichen Steine wirst du kennen.
Europäer Pise sie nennen.
Betrübt euch nicht, ihr guten Seelen!
Denn wer nicht fehlt, weiß wohl,
wenn andre fehlen;
Allein wer fehlt, der ist erst recht daran,
Er weiß
nun deutlich, wie sie wohl getan.
"Du hast gar vielen nicht gedankt,
Die dir so manches Gute
gegeben!"
Darüber bin ich nicht erkrankt,
Ihre Gaben mir im
Herzen leben.
Guten Ruf mußt du dir machen,
Unterscheiden wohl die Sachen;

Wer was weiter will, verdirbt.
Die Flut der Leidenschaft, sie stürmt vergebens
Ans unbezwungne
feste Land:
Sie wirft poetische Perlen an den Strand,
Und das ist
schon Gewinn des Lebens.
Vertrauter
Du hast so manche Bitte gewährt,
Und wenn sie dir auch schädlich
war;
Der gute Mann da hat wenig begehrt,
Dabei hat es doch keine
Gefahr.
Wesir
Der gute Mann hat wenig begehrt,
Und hätt ich's ihm sogleich

gewährt,
Er auf der Stelle verloren war.
Schlimm ist es, wie doch wohl geschieht,
Wenn Wahrheit sich nach
dem Irrtum zieht.
Das ist auch manchmal ihr Behagen:
Wer wird so
schöne Frau befragen?
Herr Irrtum, wollt er an Wahrheit sich
schließen,
Das sollte Frau Wahrheit bald verdrießen.
Wisse, daß mir sehr mißfällt,
Wenn so viele singen und reden!
Wer
treibt die Dichtkunst aus der Welt?
--Die Poeten!
Buch des Timur
Timur Nameh: Buch des Timur
Der Winter und Timur
So umgab sie nun der Winter
Mit gewaltgem Grimme. Streuend

Seinen Eishauch zwischen alle,
Hetzt' er die verschiednen Winde

Widerwärtig auf sie ein.
über sie gab er Gewaltkraft
Seinen
frostgespitzten Stürmen,
Stieg in Timurs Rat hernieder,
Schrie ihn
drohend an und sprach so:
"Leise, langsam, Unglücksel'ger!

Wandle, du Tyrann des Unrechts!
Sollen länger noch die Herzen

Sengen, brennen deinen Flammen?
Bist du der verdammten Geister

Einer: wohl! ich bin der andre.
Du bist Greis; ich auch! Erstarren

Machen wir so Land als Menschen.
Mars, du bist's! Ich bin Saturnus;

übeltätige Gestirne,
Im Verein die schrecklichsten.
Tötest du die
Seele, kältest
Du den Luftkreis: meine Lüfte
Sind noch kälter, als
du sein kannst.
Quälen deine wilden Heere
Gläubige mit tausend
Martern:
Wohl! in meinen Tagen soll sich,
Geb es Gott! was
Schlimmres finden,
Und, bei Gott! dir schenk ich nichts.
Hör es
Gott, was ich dir biete!
Ja, bei Gott! von Todeskälte
Nicht, o Greis,
verteidigen soll dich
Breite Kohlenglut vom Herde,
Keine Flamme
des Dezembers!"
An Suleika

Dir mit Wohlgeruch zu kosen,
Deine Freuden zu erhöhn,
Knospend
müssen tausend Rosen
Erst in Gluten untergehn.
Um ein Fläschchen zu besitzen,
Das den Ruch auf ewig hält,

Schlank wie deine Fingerspitzen,
Da bedarf es einer Welt.
Einer Welt von Lebenstrieben,
Die in ihrer Fülle Drang
Ahneten
schon Bulbuls lieben,
Seelerregenden Gesang.
Sollte jene Qual uns quälen,
Da sie unsre Lust vermehrt?
Hat nicht
Myriaden Seelen
Timurs Herrschaft aufgezehrt?
Buch Suleika--1
Suleika Nameh: Buch Suleika
Ich gedachte in der Nacht,
Daß ich den Mond sähe im Schlaf,
Als
ich aber erwachte,
Ging unvermutet die Sonne auf.
Einladung
Mußt nicht vor dem Tage fliehn;
Denn der Tag, den du ereilest,
Ist
nicht besser als der heutge:
Aber wenn du froh verweilest,
Wo ich
mir die Welt beseitge,
Um die Welt an mich zu ziehen,
Bist du
gleich mit mir geborgen:
Heut ist heute, morgen morgen.
Und, was
folgt und was vergangen,
Reißt nicht hin und bleibt nicht hangen,

Bleibe du, mein Allerliebstes,
Denn du bringst es und du gibst es.
Daß Suleika von Jussuf entzückt war,
Ist keine
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