Wallensteins Tod | Page 9

Friedrich von Schiller
Menschenleben Augenblicke,
Wo er dem Weltgeist näher
ist als sonst
Und eine Frage frei hat an das Schicksal.
Solch ein
Moment war's, als ich in der Nacht,
Die vor der Lützner Aktion
vorherging,
Gedankenvoll an einen Baum gelehnt,
Hinaussah in die
Ebene. Die Feuer
Des Lagers brannten düster durch den Nebel,
Der
Waffen dumpfes Rauschen unterbrach,
Der Runden Ruf einförmig
nur die Stille.
Mein ganzes Leben ging, vergangenes
Und künftiges,
in diesem Augenblick
An meinem inneren Gesicht vorüber,
Und an
des nächsten Morgens Schicksal knüpfte
Der ahnungsvolle Geist die
fernste Zukunft.
Da sagt' ich also zu mir selbst:" So vielen

Gebietest du! Sie folgen deinen Sternen
Und setzen, wie auf eine
große Nummer,
Ihr Alles auf dein einzig Haupt und sind
In deines
Glückes Schiff mit dir gestiegen.
Doch kommen wird der Tag, wo

diese alle
Das Schicksal wieder auseinanderstreut,
Nur wen'ge
werden treu bei dir verharren.
Den möcht' ich wissen, der der Treuste
mir
Von allen ist, die dieses Lager einschließt.
Gib mir ein Zeichen,
Schicksal! Der soll's sein,
Der an dem nächsten Morgen mir zuerst

Entgegenkommt mit einem Liebeszeichen".
Und dieses bei mir
denkend, schlief ich ein.
Und mitten in die Schlacht ward ich geführt

Im Geist. Groß war der Drang. Mir tötete
Ein Schuß das Pferd, ich
sank, und über mir
Hinweg, gleichgültig, setzten Roß und Reiter,

Und keuchend lag ich, wie ein Sterbender,
Zertreten unter ihrer Hufe
Schlag.
Da faßte plötzlich hilfreich mich ein Arm,
Es war
Octavio--und schnell erwach ich,
Tag war es, und--Octavio stand vor
mir.
"Mein Bruder", sprach er, "reite heute nicht
Den Schecken, wie
du pflegst. Besteige lieber
Das sichre Tier, das ich dir ausgesucht.

Tu's mir zu Lieb'. Es warnte mich ein Traum."
Und dieses Tieres
Schnelligkeit entriß
Mich Banniers verfolgenden Dragonern.
Mein
Vetter ritt den Schecken an dem Tag,
Und Roß und Reiter sah ich
niemals wieder.
Illo.
Das war ein Zufall.
Wallenstein. (bedeutend)
Es gibt keinen Zufall;
Und was uns blindes Ohngefähr nur dünkt,

Gerade das steigt aus den tiefsten Quellen.
Versiegelt hab ich's und
verbrieft, daß er
Mein guter Engel ist, und nun kein Wort mehr!
(Er
geht.)
Terzky.
Das ist mein Trost, der Max bleibt uns als Geisel.
Illo.
Und der soll mir nicht lebend hier vom Platze.

Wallenstein. (bleibt stehen und kehrt sich um)
Seid ihr nicht wie die Weiber, die beständig
Zurück nur kommen auf
ihr erstes Wort,
Wenn man Vernunft gesprochen stundenlang!

--Des Menschen Taten und Gedanken, wißt!
Sind nicht wie Meeres
blind bewegte Wellen.
Die innre Welt, sein Mikrokosmus, ist
Der
tiefe Schacht, aus dem sie ewig quellen.
Sie sind notwendig, wie des
Baumes Frucht,
Sie kann der Zufall gaukelnd nicht verwandeln.

Hab ich des Menschen Kern erst untersucht,
So weiß ich auch sein
Wollen und sein Handeln.
(Gehen ab.)
Vierter Auftritt
Zimmer in Piccolominis Wohnung.
Octavio Piccolomini reisefertig. Ein Adjutant.
Octavio.
Ist das Kommando da?
Adjutant.
Es wartet unten.
Octavio.
Es sind doch sichre Leute, Adjutant?
Aus welchem Regimente nahmt
Ihr sie?
Adjutant.
Von Tiefenbach.
Octavio.
Dies Regiment ist treu.
Laßt sie im Hinterhof sich ruhighalten,
Sich

niemand zeigen, bis Ihr klingeln hört;
Dann wird das Haus
geschlossen, scharf bewacht,
Und jeder, den Ihr antrefft, bleibt
verhaftet.
(Adjutant ab.)
Zwar hoff ich, es bedarf nicht ihres Dienstes,
Denn meines Kalkuls
halt ich mich gewiß.
Doch es gilt Kaisers Dienst, das Spiel ist groß,

Und besser zu viel Vorsicht als zu wenig.
Fünfter Auftritt
Octavio Piccolomini. Isolani tritt herein.
Isolani.
Hier bin ich--Nun! wer kommt noch von den andern?
Octavio. (geheimnisvoll)
Vorerst ein Wort mit Euch, Graf Isolani.
Isolani. (geheimnisvoll)
Soll's losgehn? Will der Fürst was unternehmen?
Mir dürft Ihr trauen.
Setzt mich auf die Probe.
Octavio.
Das kann geschehn.
Isolani.
Herr Bruder, ich bin nicht
Von denen, die mit Worten tapfer sind

Und, kommt's zur Tat, das Weite schimpflich suchen.
Der Herzog hat
als Freund an mir getan,
Weiß Gott, so ist's! Ich bin ihm alles
schuldig.
Auf meine Treue kann er baun.
Octavio.

Es wird sich zeigen.
Isolani.
Nehmt Euch in acht. Nicht alle denken so.
Es halten's hier noch viele
mit dem Hof
Und meinen, daß die Unterschrift von neulich,
Die
abgestohlne, sie zu nichts verbinde.
Octavio.
So? Nennt mir doch die Herren, die das meinen.
Isolani.
Zum Henker! Alle Deutschen sprechen so.
Auch Esterhazy, Kaunitz,
Deodat
Erklären jetzt, man müss' dem Hof gehorchen.
Octavio.
Das freut micht.
Isolani.
Freut Euch?
Octavio.
Daß der Kaiser noch
So gute Freunde hat und wackre Diener.
Isolani.
Spaßt nicht. Es sind nicht eben schlechte Männer.
Octavio.
Gewiß nicht. Gott verhüte, daß ich spaße!
Sehr ernstlich freut es mich,
die gute Sache
So stark zu sehn.

Isolani.
Was Teufel! Wie ist das?
Seid Ihr denn nicht?--Warum bin ich denn
hier?
Octavio. (mit Ansehen)
Euch zu erklären, rund und nett, ob Ihr
Ein Freund wollt heißen oder
Feind des Kaisers.
Isolani. (trotzig)
Darüber werd ich dem Erklärung geben,
Dem's zukommt, diese Frag'
an mich zu tun.
Octavio.
Ob mir das zukommt, mag dies Blatt Euch lehren.
Isolani.
Wa--was?
Das ist des Kaisers Hand und Siegel.
(Liest.)
"Als werden sämtliche Hauptleute unsrer
Armee der Ordre unsers
lieben, treuen,
Des Generalleutnant Piccolomini,
Wie unsrer
eignen"--Hum--Ja--So--Ja, ja!
Ich--mach Euch meinen Glückwunsch,
Generalleutnant.
Octavio.
Ihr unterwerft Euch dem Befehl?
Isolani.
Ich--aber
Ihr überrascht mich auch so schnell--Man wird
Mir doch
Bedenkzeit, hoff ich--
Octavio.
Zwei Minuten.

Isolani.
Mein Gott, der Fall ist aber--
Octavio.
Klar und einfach.
Ihr sollt erklären, ob Ihr Euren Herrn
Verraten
wollet oder treu ihm dienen.
Isolani.
Verrat--Mein Gott--Wer
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