sechs Freundinnen und ich ...« 
»Wie schön! Gott, hören Sie, wie schön!« rief Herr Spinell, und sein 
Gesicht war gänzlich verzerrt. 
»Was finden Sie nun hieran so besonders schön, Herr Spinell!« 
»Oh, dies, daß es sechs außer Ihnen waren, daß Sie nicht in diese Zahl 
eingeschlossen waren, sondern daß Sie gleichsam als Königin daraus 
hervortraten ... Sie waren ausgezeichnet vor Ihren sechs Freundinnen. 
Eine kleine goldene Krone, ganz unscheinbar, aber bedeutungsvoll, saß 
in Ihrem Haar und blinkte ...«
»Nein, Unsinn, nichts von einer Krone ...« 
»Doch, sie blinkte heimlich. Ich hätte sie gesehen, hätte sie deutlich in 
Ihrem Haar gesehen, wenn ich in einer dieser Stunden unvermerkt im 
Gestrüpp gestanden hätte ...« 
»Gott weiß, was Sie gesehen hätten. Sie standen aber nicht dort, 
sondern eines Tages war es mein jetziger Mann, der zusammen mit 
meinem Vater aus dem Gebüsch hervortrat. Ich fürchte, sie hatten sogar 
allerhand von unserem Geschwätz belauscht ...« 
»Dort war es also, wo Sie Ihren Herrn Gemahl kennenlernten, gnädige 
Frau?« 
»Ja, dort lernte ich ihn kennen!« sagte sie laut und fröhlich, und indem 
sie lächelte, trat das zartblaue Äderchen angestrengt und seltsam über 
ihrer Braue hervor. »Er besuchte meinen Vater in Geschäften, wissen 
Sie. Am nächsten Tage war er zum Diner geladen, und noch drei Tage 
später hielt er um meine Hand an.« 
»Wirklich! Ging das alles so außerordentlich schnell?« 
»Ja ... Das heißt, von nun an ging es ein wenig langsamer. Denn mein 
Vater war der Sache eigentlich gar nicht geneigt, müssen Sie wissen, 
und machte eine längere Bedenkzeit zur Bedingung. Erstens wollte er 
mich lieber bei sich behalten, und dann hatte er noch andere Skrupeln. 
Aber...« 
»Aber?« 
»Aber ich wollte es eben«, sagte sie lächelnd, und wieder beherrschte 
das blaßblaue Äderchen mit einem bedrängten und kränklichen 
Ausdruck ihr ganzes liebliches Gesicht. 
»Ah, Sie wollten es.« 
»Ja, und ich habe einen ganz festen und respektablen Willen gezeigt, 
wie Sie sehen ...«
»Wie ich es sehe. Ja.« 
«... so daß mein Vater sich schließlich darein ergeben mußte.« 
»Und so verließen Sie ihn denn und seine Geige, verließen das alte 
Haus, den verwucherten Garten, den Springbrunnen und Ihre sechs 
Freundinnen und zogen mit Herrn Klöterjahn.« 
»Und zog mit ... Sie haben eine Ausdrucksweise, Herr Spi nell -! 
Beinahe biblisch! -- Ja, ich verließ das alles, denn so will es ja die 
Natur.« 
»Ja, so will sie es wohl.« 
»Und dann handelte es sich ja um mein Glück.« 
»Gewiß. Und es kam, das Glück ...« 
»Das kam in der Stunde, Herr Spinell, als man mir zuerst den kleinen 
Anton brachte, unseren kleinen Anton, und als er so kräftig mit seinen 
kleinen gesunden Lungen schrie, stark und gesund wie er ist ...« 
»Es ist nicht das erstemal, daß ich Sie von der Gesundheit Ihres kleinen 
Anton sprechen höre, gnädige Frau. Er muß ganz ungewöhnlich gesund 
sein?« 
»Das ist er. Und er sieht meinem Mann so lächerlich ähnlich!« 
»Ah! -- Ja, so begab es sich also. Und nun heißen Sie nicht mehr 
Eckhof, sondern anders, und haben den kleinen gesunden Anton und 
leiden ein wenig an der Luftröhre.« 
»Ja. -- Und Sie sind ein durch und durch rätselhafter Mensch, Herr 
Spinell, dessen versichere ich Sie ...« 
»Ja, straf mich Gott, das sind Sie!« sagte die Rätin Spatz, die übrigens 
auch noch vorhanden war. 
Aber auch mit diesem Gespräch beschäftigte Herrn Klöterjahns Gattin
sich mehrere Male in ihrem Innern. So nichtssagend es war, barg es 
doch einiges auf seinem Grunde, was ihren Gedanken über sich selbst 
Nahrung gab. War dies der schädliche Einfluß, der sie berührte? Ihre 
Schwäche nahm zu, und oft stellte Fieber sich ein, eine stille Glut, in 
der sie mit einem Gefühle sanfter Gehobenheit ruhte, der sie sich in 
einer nachdenklichen, preziösen, selbstgefälligen und ein wenig 
beleidigten Stimmung überließ. Wenn sie nicht das Bett hütete und 
Herr Spinell auf den Spitzen seiner großen Füße mit ungeheurer 
Behutsamkeit zu ihr trat, in einer Entfernung von zwei Schritten 
stehenblieb und, das eine Bein zurückgestellt und den Oberkörper 
vorgebeugt, mit ehrfürchtig gedämpfter Stimme zu ihr sprach, wie als 
höbe er sie in scheuer Andacht sanft und hoch empor und bettete sie auf 
Wolkenpfühle, woselbst kein schriller Laut und keine irdische 
Berührung sie erreichen solle..., so erinnerte sie sich der Art, in der 
Herr Klöterjahn zu sagen pflegte: »Vorsichtig, Gabriele, take care, 
mein Engel, und halte den Mund zu!«, eine Art, die wirkte, als schlüge 
er einem hart und wohlmeinend auf die Schulter. Dann aber wandte sie 
sich rasch von dieser Erinnerung ab, um in Schwäche und Gehobenheit 
auf den Wolkenpfühlen zu ruhen, die Herr Spinell ihr dienend bereitete. 
Eines Tages kam sie unvermittelt auf das kleine Gespräch zurück, das 
sie mit ihm über ihre Herkunft und Jugend geführt hatte. 
»Es ist also wahr«, fragte sie, »Herr Spinell, daß Sie die Krone gesehen 
hätten?« 
Und obgleich jene Plauderei schon vierzehn Tage zurücklag, wußte er 
sofort, um    
    
		
	
	
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