gesprächsweise geäußert: 
»Nein, es sind rätselvolle Tatsachen, die Frauen ... sowenig neu es ist, 
sowenig kann man ablassen, davor zu stehen und zu staunen. Da ist ein 
wunderbares Geschöpf, eine Sylphe, ein Duftgebild, ein Märchentraum 
von einem Wesen. Was tut sie? Sie geht hin und ergibt sich einem 
Jahrmarktsherkules oder Schlächterburschen. Sie kommt an seinem 
Arme daher, lehnt vielleicht sogar ihren Kopf an seine Schulter und 
blickt dabei verschlagen lächelnd um sich her, als wollte sie sagen: Ja, 
nun zerbrecht euch die Köpfe über diese Erscheinung! -- Und wir 
zerbrechen sie uns.« -- 
Hiermit hatte Herrn Klöterjahns Gattin sich wiederholt beschäftigt.
Eines anderen Tages fand zum Erstaunen der Rätin Spatz folgendes 
Zwiegespräch zwischen ihnen statt. 
»Darf ich einmal fragen, gnädige Frau (aber es ist wohl naseweis), wie 
Sie heißen, wie eigentlich Ihr Name ist?« 
»Ich heiße doch Klöterjahn, Herr Spinell!« 
»Hm.-- Das weiß ich. Oder vielmehr: ich leugne es. Ich meine natürlich 
Ihren eigenen Namen, Ihren Mädchennamen. Sie werden gerecht sein 
und einräumen, gnädige Frau, daß, wer Sie >Frau Klöterjahn< nennen 
wollte, die Peitsche verdient.« 
Sie lachte so herzlich, daß das blaue Äderchen über ihrer Braue 
beängstigend deutlich hervortrat und ihrem zarten, süßen Gesicht einen 
Ausdruck von Anstrengung und Bedrängnis verlieh, der tief 
beunruhigte. 
»Nein! Bewahre, Herr Spinell! Die Peitsche? Ist >Klöterjahn< Ihnen so 
fürchterlich?« 
»Ja, gnädige Frau, ich hasse diesen Namen aus Herzensgrund, seit ich 
ihn zum erstenmal vernahm. Er ist komisch und zum Verzweifeln 
unschön, und es ist Barbarei und Niedertracht, wenn man die Sitte so 
weit treibt, auf Sie den Namen Ihres Herrn Gemahls zu übertragen.« 
»Nun, und >Eckhof Ist Eckhof schöner? Mein Vater heißt Eckhof.« 
»Oh, sehen Sie! >Eckhof< ist etwas ganz anderes! Eckhof hieß sogar 
ein großer Schauspieler. Eckhof passiert. -- Sie erwähnten nur Ihres 
Vaters. Ist Ihre Frau Mutter ...« 
»Ja; meine Mutter starb, als ich noch klein war.« 
»Ah. -- Sprechen Sie mir doch ein wenig mehr von Ihnen, darf ich Sie 
bitten? Wenn es Sie ermüdet, dann nicht. Dann ruhen Sie, und ich fahre 
fort, Ihnen von Paris zu erzählen, wie neulich. Aber Sie könnten ja ganz 
leise reden, ja, wenn Sie flüstern, so wird das alles nur schöner
machen ... Sie wurden in Bremen geboren?« Und diese Frage tat er 
beinahe tonlos, mit einem ehrfurchtsvollen und inhaltsschweren 
Ausdruck, als sei Bremen eine Stadt ohnegleichen, eine Stadt voller 
unnennbarer Abenteuer und verschwiegener Schönheiten, in der 
geboren zu sein eine geheimnisvolle Hoheit verleihe. 
»Ja, denken Sie!« sagte sie unwillkürlich. »Ich bin aus Bremen.« 
»Ich war einmal dort«, bemerkte er nachdenklich. -- 
»Mein Gott, Sie waren auch dort? Nein, hören Sie, Herr Spinell, 
zwischen Tunis und Spitzbergen haben Sie, glaube ich, alles gesehen!« 
»Ja, ich war einmal dort«, wiederholte er. »Ein paar kurze 
Abendstunden. Ich entsinne mich einer alten, schmalen Straße, über 
deren Giebeln schief und seltsam der Mond stand. Dann war ich in 
einem Keller, in dem es nach Wein und Moder roch. Das ist eine 
durchdringende Erinnerung ...« 
»Wirklich? Wo mag das gewesen sein?-Ja, in solchem grauen 
Giebelhause, einem alten Kaufmannshause mit hallender Diele und 
weißlackierter Galerie, bin ich geboren.« 
»Ihr Herr Vater ist also Kaufmann?« fragte er ein wenig zögernd. 
»Ja. Aber außerdem und eigentlich wohl in erster Linie ist er ein 
Künstler.« 
»Ah! Ah!. Inwiefern?« 
»Er spielt die Geige ... Aber das sagt nicht viel. Wie er sie spielt, Herr 
Spinell, das ist die Sache! Einige Töne habe ich niemals hören können, 
ohne daß mir die Tränen so merkwürdig brennend in die Augen stiegen, 
wie sonst bei keinem Erlebnis. Sie glauben es nicht ...« 
»Ich glaube es! Ach, ob ich es glaube! ... Sagen Sie mir, gnädige Frau: 
Ihre Familie ist wohl alt? Es haben wohl schon viele Generationen in 
dem grauen Giebelhaus gelebt, gearbeitet und das Zeitliche gesegnet?«
»Ja. -- Warum fragen Sie übrigens?« 
»Weil es nicht selten geschieht, daß ein Geschlecht mit praktischen, 
bürgerlichen und trockenen Traditionen sich gegen das Ende seiner 
Tage noch einmal durch die Kunst verklärt.« 
»Ist dem so? -- Ja, was meinen Vater betrifft, so ist er sicherlich mehr 
ein Künstler als mancher, der sich so nennt und vom Ruhme lebt. Ich 
spiele nur ein bißchen Klavier. Jetzt haben sie es mir ja verboten; aber 
damals, zu Hause, spielte ich noch. Mein Vater und ich, wir spielten 
zusammen ... Ja, ich habe all die Jahre in iieber Erinnerung; besonders 
den Garten, unseren Garten, hinterm Hause. Er war jämmerlich 
verwildert und verwuchert und von zerbröckelten, bemoosten Mauern 
eingeschlossen; aber gerade das gab ihm viel Reiz. In der Mitte war ein 
Springbrunnen, mit einem dichten Kranz von Schwertlilien umgeben. 
Im Sommer verbrachte ich dort lange Stunden mit meinen Freundinnen. 
Wir saßen alle auf kleinen Feldsesseln rund um den Springbrunnen 
herum ...« 
»Wie schön!« sagte Herr Spinell und zog die Schultern empor. »Saßen 
Sie und sangen?« 
»Nein, wir häkelten meistens.« 
»Immerhin ... Immerhin ...« 
»Ja, wir häkelten und schwatzten, meine    
    
		
	
	
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