schreibt 
mir dort auf mein steinern Haus nur den Namen und: 'Lest Lagarde!' Ja, 
nur die zwei Dinge klein und groß: Diese Bitte und dann meinen 
Namen bloß. Nur den Namen und: 'Lest Lagarde!' 
Das Inselchen Mutterland dorten, nein, das will ich nicht verschmähn. 
Holt mich doch dort bald die Nordsee heim mit steilen, stürzenden 
Seen -- das Muttermeer, die Mutterflut ... o wie sich gut dann da 
drunten ruht, tief fern von deutschem Geschehn! 
Inzwischen war dem Fünfunddreißigjährigen Entscheidendes geworden. 
Natur und Mensch hatten sich ihm endgültig vergeistigt. Und als er 
eines Abends wieder einmal das Evangelium nach Johannes aufschlug, 
glaubte er es zum ersten Male wirklich zu verstehen. 
Die nächsten Jahre -- des Austragens, Ausreifens, zu Ende Denkens -- 
überstand er so, wie er sie überstand, eigentlich nur, weil ihm 
Gesundheit und Mittel fehlten, sich irgendwohin zurückzuziehen, wo er 
in völliger Unbekanntheit seine Tage hätte vollenden dürfen. Er war 
doppelt geworden und in der wunderlichen Verfassung, sich, sozusagen, 
groß oder klein schreiben zu können. (In 'Einkehr', 'Ich und Du' und 
einer Sammlung Aufzeichnungen findet sich Einiges aus diesem 
Abschnitt.) 
Er konnte in einem Kaffeehause sitzen und fühlen: 'So von seinem 
Marmortischchen aus, seine Tasse vor sich, zu betrachten, die da 
kommen und gehen, sich setzen und sich unterhalten, und durch das 
mächtige Fenster die draußen hin und her treiben zu sehen, wie 
Fischgewimmel hinter der Glaswand eines großen Behälters, -- und 
dann und wann der Vorstellung sich hinzugeben: Das bist Du! -- Und 
sie alle zu sehen, wie sie nicht wissen, wer sie sind, wer da, als sie, mit 
SICH selber redet und wer sie aus meinen Augen als SICH erkennt und 
aus ihren nur als sie!' ... 
Und doch war solches Erkennen nur erst ein Oberflächen-Erkennen und 
darum letzten Endes noch zur Unfruchtbarkeit verurteilt. 
So kam das Jahr 1908 -- 
'Da traf ich Dich, in ärgster Not: den Andern! Mit Dir vereint, gewann 
ich frischen Mut. Von neuem hob ich an, mit Dir, zu wandern, und 
siehe da: Das Schicksal war uns gut. Wir fanden einen Pfad, der klar
und einsam empor sich zog, bis, wo ein Tempel stand. Der Steig war 
steil, doch wagten wir's gemeinsam. Und heut noch helfen wir uns, 
Hand in Hand.' 
Der Andre war Sie, die mein Leben fortan teilte; der Pfad war der Weg 
theosophisch-anthroposophischer Erkenntnisse, wie sie uns heute, in 
einziger Weise, durch Rudolf Steiner vermittelt werden. 
In dieser Persönlichkeit lebt ein großer spiritueller Forscher 'ein ganz 
dem Dienste der Wahrheit gewidmetes Leben' vor uns und für uns dar. 
Vor ihm darf auch der Unabhängigste sich von neuem besinnen und 
revidieren, vor ihm hat dies jedenfalls der getan, der immer am liebsten 
dem Worte nachleben wollte: -- Vitam impendere vero. 
 
IN ME IPSUM 
_Was ist denn von außen her über ein Leben zu sagen! Gar nichts._ 
 
1891 
Nicht im lärmenden Kampf der Tage, auch nicht im Sturm einer großen 
Zeit, aber nach Jahrtausenden stiller Arbeit, nach Äonen ewig 
fortwirkenden Webens -- dann werden die Menschen gut werden. 
O, wer diesen Glauben, der mir Gewißheit ist, in allen Augenblicken 
seines Strebens im Herzen lebendig fühlte, er würde glücklich sein. 
* * * * * 
Mein einziges Gebet ist das um Vertiefung. Durch sie allein kann ich 
wieder zu Gott gelangen. Vertiefung! Vertiefung! 
 
1892 
Ich bin ein Studienkopf, den der Schöpfer einst flüchtig skizzierte, als 
ihm ein Künstlerporträt im Sinne lag. 
 
1894 
Ich möchte nicht leben, wenn Ich nicht lebte. 
* * * * * 
Vor einer Menschenmenge: Ich sehe plötzlich die Gedanken dieses 
Volks wie eine dicke schwarze Wolke über ihm. Eine Wolke voll 
Tränen und Blitzen.
* * * * * 
Über all meinen Werken soll es wie ein großes Verstehen liegen -- und 
davon werden viele glücklich werden. 
 
1895 
Mir ist mein ganzes Leben zu Mut, als ginge mein Weg oft an der 
Hecke des Paradieses vorbei. Dann streift mich warmer Hauch, dann 
mein' ich, Rosen zu sehn und zu atmen, ein süßer Ton rührt mich zu 
Tränen, auf der Stirn liegt es mir wie eine liebe, friedegebende Hand -- 
sekundenlang. So streife ich oft vorbei an der Hecke des Paradieses ... 
* * * * * 
O tiefe Liebe, die mich zu allem beseelt. 
* * * * * 
Möchte gern noch oft erwachen, stets als großer Künstler. 
 
1896 
In Arco: 
Ich dünkte mich einer jener alten blonden Germanen, die hier einst mit 
Herrscherschritt durch die Straßen wanderten. 
* * * * * 
Ich sehe auf mich selbst zurück. Unzählige Gestalten huschen 
schemenhaft an mir vorüber. 
* * * * * 
Ausgraben will ich meiner Seele Schacht. 
* * * * * 
Daß ich nie in meinem Leben eine Schwester gehabt habe! Kein 
fremdes Weib kann dem Bruder ein solches Verhältnis ersetzen. 
* * * * * 
Man lasse sich durch meine Ironie nicht    
    
		
	
	
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