Siegfried, der Held | Page 3

Rudolph Herzog
die Walküren ritten, und hieß Grane. Das schenkte Mime

seinem Zögling. Und Helm und Panzer schmiedete er ihm und ein
Schwert, das durch härtestes Eisen schnitt wie durch einen Butterkloß,
und das Schwert hieß Balmung. Wie da Siegfrieds Augen leuchteten!
»Vater Mime,« fragte er, »weshalb macht Ihr mich so reich?«
Und der Mißgestaltete sprach: »Laß es dir gefallen, mein junger Held.
Keiner auf der Welt hat mir Liebe geschenkt als du. Ist es da nicht
verständlich, daß ich dir auf meine Art davon zurückgeben möchte?«
Siegfried errötete. »Ich habe es nicht um Lohn getan.«
Und der Schmied sprach weiter: »Gerade deshalb bist du des Lohnes
würdig. Aber ich weiß, daß deine junge Ritterseele nicht nach Lohn
giert, der dir ohne Kampf und Zutun in den Schoß fällt. Den echten
Mann erfreut nur der Besitz, den er sich selbst erobert hat. Deshalb
schuf ich dir nur die Waffen. Dein Werk sei nun, den Schatz zu
gewinnen. Und jetzt höre mich an.«
Da erzählte Mime, der Schmied:
»Es war ein König mit Namen Nibelung, der besaß den reichsten
Schatz der Erde an Gold und Edelgestein. Mein Bruder Fafner und ich
gewannen ihn durch List; doch als es zwischen uns zur Teilung
kommen sollte, höhnte mich der arge Bruder wegen meiner Mißgestalt
und bedrohte mein Leben. Da entfloh ich vor dem Treulosen und büßte
in dieser Waldeseinöde meine Habgier. Fafner aber hielt sich von Stund
an für reicher und mächtiger als die Götter in Walhalla, erzürnte die
Himmlischen und wurde zur Strafe in einen scheußlichen Lindwurm
verwandelt. Wo sich am Rhein das Land der Sieben Berge erstreckt,
gewahrst du den steil zum Strome abstürzenden Felsen, der seine
Wohnung bildet. Hier hütet der Drache seine Schätze, tief in einer
Felsenburg, in der tausend gefangene Nibelungenritter die Wache
halten. Und das gefräßige Untier, das schon seinen Goldhunger nicht zu
stillen vermochte, wirft sich auf die Bauern des Gebirges und
verschlingt sie bei lebendigem Leibe, immer wähnend, es schlänge
Gold. Nun mach du dich auf, mein Sohn, bestehe das Abenteuer und
gewinne den Schatz. Aber hüte dich vor dem Ring, den der Drache an

der Klaue trägt. Nibelung trug ihn und verfluchte ihn, als er ihm von
Fafner entrissen wurde. Vergrabe ihn tief im Bauche der Erde oder wirf
ihn ins Meer, wo sein Schlund am schwärzesten gähnt.«
Das versprach Siegfried, ließ sich von Mime wappnen und das Schwert
gürten, nahm mit Kuß und Umarmung Abschied von seinem
Pflegevater, bestieg das Roß Grane und ritt singend in die Welt.
So aber sah Siegfried aus, als er, Mann geworden, singend auszog, ein
Held zu werden: Um Haupteslänge überragte er die Menschen. Goldrot
flog ihm das Haar um den Kopf, als hätte er die Sonne in seinen
Locken gefangen. Stahlblau blickten seine Augen, und so froh und
weich ihr Glanz in guten Tagen zu sein vermochte, so dräuend und
blitzend konnten sie funkeln und flammen, schien dem Helden eine
Sache nicht recht. Wohlgebildet war sein Körper, daß es den Frauen
eine Wonne wurde, ihn zu schauen, sein Arm eisern und seine Schenkel
von unermüdlicher Kraft auf dem Pferderücken und im Weitsprung
hinter der Wurfscheibe her.
Wohin er kam, staunten die Leute dem jugendschönen Recken nach,
und sein Bild machte aller Herzen fröhlich. Er aber zog singend durch
die Lande, als wäre er der Frühling.
So nahte er sich dem Siebengebirge und sah den Drachenfels wie eine
Festung über dem Strome lagern.
»Ei, mein Roß Grane,« rief er lachend, »wollen wir heute noch den
Strauß wagen? Verschiebe nicht auf morgen, was du heute noch
verrichten kannst.« Und das edle Roß Grane flog wie ein Pfeil ins
Gebirge hinein.
Immer dunkler und dichter wurden die Wälder. Kein Mensch war hier
gegangen seit Jahren und Jahren. Unheimlich lastete die Einsamkeit,
und geräuschlos fast, als verstünde es die Gefahr, setzte das Roß Grane
Huf vor Huf.
Da lag die kahle Höhe des Felsen.

Das Roß erschauerte. Ein Dampf quoll auf, der in Stößen den Himmel
verfinsterte, und ein giftiger Brodem erfüllte die Luft und stach in die
Lungen.
Siegfried zog das Helmband fester und lockerte den gewaltigen
Eschenspeer, der von der Spitze bis zum Schaft mit zweischneidigem
Eisen beschlagen war. Mit der Linken tastete er nach seinem guten
Schwert Balmung, strich beruhigend seinem Pferde über den Kopf und
lenkte es behutsam um einen Felssturz.
Da lag das Untier, an die hundert Fuß lang, mit dem Kopfe eines
Krokodils, den Krallen eines Löwen und dem schuppigen Schwanze
eines fürchterlichen Wurmes. Es schlief.
»Pfui,« sagte Siegfried und hätte gern das Wort zurückgenommen.
Denn vom Klange seiner Stimme war der Drache erwacht, glotzte aus
vorquellenden Augen den tollkühnen Ritter an, öffnete den Rachen und
-- lachte ein grausenerregendes Lachen.
Das erbitterte den Helden, denn er spürte den Hohn.
»Schließe den Schnabel, du Vieh!« rief er zornig. »Dein Atem riecht
übel. Warte, ich sperr' ihn dir!«
Und er bog
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 29
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.