Schelmuffskys wahrhaftige, kuriöse und sehr gefährliche Reisebeschreibung zu Wasser und z | Page 8

Christian Reuter
ich vor ihm kein Auge zu dem andern
bringen kunnte, ob ich gleich sehr müde und schläfrig auch war. Indem
ich nun so eine kleine Weile lag und lauschte, so pochte ganz sachte
jemand an unsere Stubentüre an, ich fragte, wer da wäre, es wollte aber
niemand antworten. Es pochte noch einmal an, ich fragte wieder, wer
da wäre, es wollte mir aber niemand Antwort geben. Ich war her,
sprang zum Bette heraus, machte die Stubentüre auf und sah, wer
pochte. Als ich selbige eröffnete, so stund ein Mensche draußen und
hatte ein klein Briefchen in der Hand, bot mir im Finstern einen guten
Abend und fragte, ob der fremde vornehme Herr, welcher heute abend
über Tische die Begebenheit von einer Ratte erzählt, seine Stube hier
hätte. Da sie nun hörte, daß ichs selbst war, fing sie weiter an: Hier ist
ein Briefchen an Sie, und ich soll ein paar Zeilen Antwort drauf bringen.
Hierauf ließ ich mir den Brief geben, hieß sie ein wenig vor der
Stubentüre verziehen und pfiff dem Hausknechte, daß er mir das Licht
anbrennen mußte, welches er auch alsobald tat und mit einer großen
Laterne die Treppe hinaufgelaufen kam. Damit so erbrach ich den Brief
und sah, was drinnen stund. Der Inhalt war, wie folgt, also:
»A n m u t i g e r J ü n g l i n g.
Woferne Euchs beliebet, diesen Abend noch mein Zimmer zu besehen,
so lasset mir durch gegenwärtige Servante[12] Antwort wissen. Adjeu!
Eure affektionierte Dame, welche bei Euch heute abend über Tische an
der Ecke zur rechten Hand gesessen.
L a C h a r m a n t e.«
[12] Dienstmädchen.
Sobald ich diesen Brief nun gelesen, pfiff ich dem Hausknechte wieder,
daß er mir Feder, Tinte und Papier bringen mußte, darauf setzte ich
mich nur hin und schrieb einen sehr artigen Brief wieder an die Dame
Charmante zur Antwort, derselbe war nun auf diese Manier
eingerichtet:

»M i t W ü n s c h u n g a l l e s L i e b e s u n d
G u t e s z u v o r W o h l-E h r b a r e D a m e C h a r m a n t e.
Ich will nur erstlich meine Schuhe und Strümpfe wie auch meinen
Rock wieder anziehen, hernach will ich gleich zu Euch kommen. Ihr
müsset aber, Wohl-Ehrbare Dame, die Servante unfehlbar wieder zu
mir schicken, daß sie mir die Wege weist, wo ich Eure Stube finden
soll, und lasset sie eine Laterne mitbringen, daß ich auch nicht im
Finstern falle, denn alleine komme ich, der Tebel hol mer, nicht.
Warum? es ist jetzo gleich zwischen elf und zwölf, da der Henker
gemeiniglich sein Spiel hat und mir leichtlich ein Schauer ankommen
möchte, daß mir auf den Morgen hernach das Maul brav ausschlüge,
und was würde Euch denn damit gedient sein, wenn ich eine grindige
Schnauze kriegte, wornach Ihr Euch zu achten wisset. Haltet nun wie
Ihrs wollt, holt das Mensche mich ab, wohl gut, kommt sie aber nicht
wieder, wie bald ziehe ich mich wieder aus und lege mich wieder zu
meinem Bruder Grafen ins Bette. Im übrigen lebet wohl, ich verbleibe
dafür
Meiner Wohl-Ehrbaren Madame Charmante allezeit treu-gehorsamst
dienstschuldigst reisefertigster S c h e l m u f f s k y.«
Diesen Brief schickte ich nun der vornehmen Dame Charmante zur
Antwort wieder und suchte meine Schuhe und Strümpfe unter der Bank
flugs hervor, daß ich sie anziehen wollte; ich hatte kaum den einen
Strumpf an das linke Bein gezogen, so stund die Servante schon wieder
draußen und hatte eine große papierne Laterne in der Hand, worinnen
eine töpferne Lampe mit zwei Dochten brannte, und wollte mich nach
der Dame Charmante ihrem Zimmer leuchten, daß ich nicht fallen
sollte. Sobald als ich mich nun angezogen, nahm ich meinen Degen,
welches ein vortrefflicher Rückenstreicher war, unter den Arm und
ging mit nach der Charmante ihrer Stube zu. Das Mensche, die
Servante, kunnte mir mit der papiernen Laterne überaus stattlich
leuchten; sie führte mich von meiner Stube an die Treppe wieder
hinunter über den schönen Saal weg, einen langen Gang im Hof hinten,
allwo ich sechs Treppen hoch mit ihr wieder steigen mußte, ehe ich an
der Charmante ihr Zimmer kam.

Wie mir das Mensch die Stubentüre nun zeigte, so klinkte ich gleich
auf und ging ohne Bedenken unangemeldet hinein. Da mich die
Charmante nun kommen sah, bat sie bei mir um Verzeihung, daß ich
solches nicht ungeneigt aufnehmen möchte, daß sie bei später Nacht
noch zu mir geschickt und mich in ihr Zimmer bemüht hätte. Ich
antwortete der Charmante aber hierauf sehr artig
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