hassen, was sie wollen, Und was das Herz empfindet, 
spricht die Lippe aus, Sie zieret Gold und Purpur und Geschmeide, 
Nach ihnen wendet staunend sich der Blick; Der Sklavin Platz ist an 
dem niedern Herde, Da trifft kein Blick sie, ach und keine Frage, Kein 
Auge, kein Gedanke und kein Wunsch!-- 
Ihr Götter, die ihr mich schon oft erhört, Mit reicher Hand Erfüllung 
mir gesendet, Wenn ich mit frommem Sinne zu euch flehte, O leiht 
auch diesmal mir ein gnädig Ohr! Führt gütig mich zurücke zu den 
Meinen, Daß ich an des Vertrauens weiche Brust, Die kummerheiße 
Stirne kühlend presse. Führt zu den Meinen mich, ach, oder nehmt 
mich Hinauf zu euch, zu euch!--zu euch! 
 
Vierter Auftritt 
Phaon. Melitta. 
Phaon (der während des vorigen Selbstgespräches am Eingange der 
Grotte erschienen ist, sich aber lauschend zurückgezogen hat, tritt jetzt 
vor und legt Melitten von hinten die Hand auf die Schulter). So jung 
noch und so traurig, Mädchen? 
Melitta (zusammenschreckend). Ah!
Phaon. Ich hörte dich erst zu den Göttern rufen Um eines Freundes 
Brust. Hier ist ein Freund! Es bindet gleicher Schmerz, wie gleiches 
Blut, Und Trauernde sind üb'rall sich verwandt. Auch ich vermisse 
ungern teure Eltern, Auch mich zieht's mächtig nach der Heimat zu; 
Komm laß uns tauschen, daß des einen Kummer Zum Balsam werde 
für des andern Brust. Du schweigst--Woher dies Mißtraun gutes 
Mädchen? Blick auf zu mir! Nicht schlimm bin ich gesinnt. (Er hebt ihr 
das Haupt am Kinne empor.) Ei sieh! Du bist wohl gar der kleine 
Mundschenk, Der statt des Gasts den blanken Estrich tränkte. Darum so 
bang? Nicht doch! Es hat der Unfall So mich als die Gebieterin 
belustigt. 
Melitta (die bei dem letzten Worte etwas zusammengefahren, schlägt 
nun die Augen empor und blickt ihn an, dann steht sie auf und will 
gehen). 
Phaon. Nicht wollt' ich dich beleidigen, mein Kind. Hat dieses sanfte 
Aug' so ernste Blicke? Du mußt mir Rede stehn, ich lass dich nicht! 
Schon unterm Mahle hab ich dich bemerkt, Die jungfräuliche Stille 
glänzte lieblich Durch all den wilden Taumel des Gelags. Wer bist du, 
und was hält dich hier zurück? Du warst nicht mit zu Tisch, ich sah 
dich dienen, Es schien der Sklavinnen Vertraulichkeit Gefährtin dich zu 
nennen und-- 
Melitta. Ich bin's. (Wendet sich ab und will gehen.) 
Phaon (sie zurückhaltend). Nicht doch! 
Melitta. Was willst du von der Sklavin, Herr? Laß einer Sklavin Brust 
sie suchen und-- (Tränen ersticken ihre Stimme.) Nehmt mich hinauf zu 
euch, zu euch, ihr Götter! 
Phaon (sie anfassend). Du bist bewegt, du zitterst, fasse dich! Es binden 
Sklavenfesseln nur die Hände, Der Sinn, er macht den Freien und den 
Knecht. Sei ruhig, Sappho ist ja gut und milde, Ein Wort von mir, und 
ohne Lösegeld Gibt sie den Deinen dich, dem Vater wieder. 
Melitta (schüttelt schweigend das Haupt).
Phaon. Glaub mir, sie wird's gewiß! Wie, oder ist Die heiße Sehnsucht 
nach dem Vaterlande, Die erst dich so ergriff, so schnell 
verschwunden? 
Melitta. Ach sag mir erst, wo ist mein Vaterland? 
Phaon. Du kennst es nicht? 
Melitta. In zarter Kindheit schon Ward ich entrissen seiner treuen Hut, 
Nur seine Blumen, seine Täler hat Behalten das Gedächtnis, nicht den 
Namen. Nur, glaub ich, lag es wo die Sonne herkommt, Denn dort war 
alles gar so licht und hell. 
Phaon. So ist es weit von hier? 
Melitta. O weit, sehr weit! Von andern Bäumen war ich dort umgeben 
Und andre Blumen dufteten umher, In blauern Lüften glänzten schönre 
Sterne Und freundlich-gute Menschen wohnten dort. In vieler Kinder 
Mitte lebt' ich da, Ach, und ein Greis, mit weißen Silberlocken, Ich 
nannte Vater ihn, liebkoste mir, Dann noch ein andrer Mann, so schön 
und hold Mit braunem Haar und Aug', fast so wie--du-- 
Phaon. Du schweigst? Der Mann? 
Melitta. Er auch-- 
Phaon. Liebkoste dir, Nicht so? (Sie bei der Hand ergreifend.) 
Melitta (leise). Ich war ein Kind! 
Phaon. Ich weiß es wohl! Ein süßes, liebes, unbefangnes Kind! (Ihre 
Hand loslassend.) Nur weiter! 
Melitta. So ging alles schön und gut. Doch einst erwacht' ich nachts. 
Ein wild Geschrei Drang laut von allen Seiten in mein Ohr. Die 
Wärtrin naht, man rafft mich auf Und trägt mich in die wilde Nacht 
hinaus. Da sah ich ringsherum die Hütten flammen Und Männer 
fechten, Männer fliehn und fallen. Jetzt naht ein Wütrich, streckt die 
Hand nach mir, Nun war Geheul, Gejammer, Schlachtgeschrei; Ich
fand mich erst auf einem Schiffe wieder, Das pfeilschnell durch die 
dunkeln Wogen glitt. Noch andre Mädchen, Kinder sah ich weinen, 
Doch immer kleiner ward der Armen Zahl Je weiter wir uns von der 
Heimat trennten, Gar viele Tag' und Nächte fuhren wir, Ja Monden 
wohl, zuletzt war ich allein Von all den Armen bei den wilden Männern. 
Da endlich trat uns Lesbos' Strand entgegen, Man schifft mich aus ans 
Land. Da sah mich Sappho, Da bot sie Geld, und ihre ward    
    
		
	
	
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