deckt mir die Vergangenheit, Kaum kann ich heut des Gestern 
mich erinnern, Kaum in der jetzigen Stund' der erst geschiednen. Ich 
frage mich: warst du's denn wirklich selber, Der in Olympia stand an 
ihrer Seite, An ihrer Seite in des Siegs Triumph? War es dein Name, 
den des Volkes Jubel Vermischt mit ihrem in die Lüfte rief? Ja sagt mir 
alles und doch glaub ich's kaum. Was für ein ärmlich Wesen ist der 
Mensch, Wenn, was als Hoffnung seine Sinne weckte, Ihm als 
Erfüllung sie in Schlaf versenkt. Als ich sie noch nicht sah und kannte, 
nur Die Phantasie ihr schlechtgetroffnes Bild In graue Nebel noch 
verfließend malte, Da schien mir's leicht für einen Blick von ihr, Ein 
güt'ges Wort, das Leben hinzuwerfen; Und jetzt da sie nun mein ist, mir 
gehört, Da meiner Wünsche winterliche Raupen Als goldne 
Schmetterlinge mich umspielen, Jetzt frag ich noch und steh und sinn 
und zaudre!
Weh ich vergesse hier mich selber noch Und sie und Eltern und-- O 
meine Eltern! Muß ich erst jetzt, jetzt eurer mich erinnern! Konnt' ich 
so lang euch ohne Botschaft lassen? Vielleicht beweint ihr meinen Tod, 
vielleicht Gab des Gerüchtes Mund euch schon die Kunde, Daß euer 
Sohn, den ihr zu lieben nicht, Den ihr zum Kampfe nach Olympia 
sandtet, In Sapphos Arm-- Wer wagt es sie zu schmähn! Der Frauen 
Zier, die Krone des Geschlechts! Mag auch des Neides Geifer sie 
bespritzen, Ich steh für sie, sei's gegen eine Welt! Und selbst mein 
Vater, sieht er sie nur erst, Gern legt er ab das alte Vorurteil, Das 
frecher Zitherspielerinnen Anblick Mit frommer Scheu ihm in die Brust 
geprägt. (In Gedanken versinkend.) Wer naht?--der laute Haufen dringt 
hierher. Wie widerlich!--Schnell fort!--Wohin?--Ah hier! (Geht in die 
Grotte.) 
 
Zweiter Auftritt 
Eucharis. Melitta. Sklavinnen mit Blumen und Kränzen. 
Eucharis (lärmend). Ihr Mädchen auf! Mehr Blumen bringt herbei! Zu 
ganzen Haufen Blumen. Schmückt das Haus Und Hof und Halle, Säule 
Tür und Schwelle, Ja selbst die Blumenbeete schmückt mit Blumen! 
Tut Würze zum Gewürz; denn heute feiert Das Fest der Liebe die 
Gebieterin. 
Mädchen (ihre Blumen vorweisend). Hier sieh! 
(Sie fangen an die Säulen und Bäume umher mit Kränzen und 
Blumenketten zu behängen.) 
Eucharis. Recht gut, recht gut! Doch du Melitta, Wo hast du Mädchen 
deine Blumen? 
Melitta (ihre leeren Hände betrachtend). Ich? 
Eucharis. Ja du!--Ei seht mir doch die Träumerin! Kommst du allein 
hierher mit leeren Händen?
Melitta. Ich will wohl holen-- 
Eucharis. Ich will holen, spricht sie Du kleine Heuchlerin bekenne nur 
Was hast du denn? Was war das heut bei Tisch, Daß die Gebieterin so 
oft nach dir Mit leisem Lächeln schlau hinüberblickte Und dann die 
Augen spottend niederschlug? Sooft sie's tat sah ich dich heiß erröten, 
Und mit dem Zittern peinlicher Verwirrung Des oftversehnen Dienstes 
dich vergessen. Und als sie nun dich ruft, den großen Becher Dem 
schönen Fremden zu kredenzen und Du scheu den Rand durch deine 
Lippen ziehst, Da rief sie plötzlich aus: Die Augen nieder! Und ach des 
großen Bechers halber Inhalt Ergoß mit eins sich auf den blanken 
Estrich. Da lachte Sappho selbst! Was war das alles? Bekenne nur, da 
hilft kein Leugnen, Mädchen. 
Melitta. O laßt mich! 
Eucharis. Nichts da, ohne Gnade Kind! Den Kopf empor, und alles 
frisch bekannt! O weh, da quillt wohl gar ein kleines Tränchen!-- Du 
arges Ding! Ich sage ja nichts mehr! Doch weine nicht! Wenn du's so 
öfters treibst, So werd ich noch so böse--Weine nicht!-- Sind eure 
Blumen alle? Nun so kommt, Wir wollen neue holen!--Setz dich hin, 
Hier sind noch Rosen, hilf uns Kränze winden. Sei fleißig Kind! Doch, 
hörst du? Weine nicht! 
(Mit den Mädchen ab.) 
 
Dritter Auftritt 
Melitta (allein. Sie setzt sich auf die Rasenbank und beginnt einen 
Kranz zu flechten. Nach einer Weile schüttelt sie schmerzlich das 
Haupt, und legt das Angefangene neben sich hin). 
Es geht nicht!--Weh, der Kopf will mir zerspringen Und stürmisch 
pocht das Herz in meiner Brust! 
Da muß ich sitzen einsam und verlassen, Fern von der Eltern Herd im 
fremden Land, Und Sklavenketten drücken diese Hände, Die ich
hinüberstrecke nach den Meinen. Weh mir, da sitz ich einsam und 
verlassen, Und niemand höret mich und achtet mein! 
Mit Tränen seh ich Freunde und Verwandte Den Busen drücken an 
verwandte Brust; Mir schlägt kein Busen hier in diesem Lande, Und 
meine Freunde wohnen weit von hier. Ich sehe Kinder um den Vater 
hüpfen, Die fromme Stirn, die heil'gen Locken küssen, Mein Vater lebt 
getrennt durch ferne Meere, Wo ihn nicht Gruß und Kuß des Kinds 
erreicht! Sie tun wohl hier so, als ob sie mich liebten, Und auch an 
sanften Worten fehlt es nicht, Doch ist es Liebe nicht, 's ist nur 
Erbarmen, Das auch der Sklavin milde Worte gönnt; Der Mund, der 
erst von Schmeicheln überflossen, Er füllt sich bald mit Hohn und 
bitterm Spott! 
Sie dürfen lieben,    
    
		
	
	
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