Winter im Freien zu ertragen.
Viele Pflanzen, die wir in Deutschland sorgfältig vor der Kälte 
schützen müssen, halten den durch Seeluft gemilderten englischen 
Winter aus, zum Beispiel der Laurus Tinus, da Heliotropium und der 
Jasmin (Jasminum officinale). Die beiden letzteren haben wir oft in 
einer Höhe von sechs bis acht Fuß sich an den Mauern hinziehen sehen. 
Obstbäume aller art werden aus diesen Anlagen verbannt. Die 
verständige Weise, mit welcher alle Bäume mit Hinsicht auf Höhe, 
Wuchs und die dunklere oder hellere Farbe ihres Laubes geordnet sind, 
gibt dem Ganzen einen Zauber, den man fühlt, ohne sich ihn gleich 
erklären zu können. Alles ist zur schönsten befriedigenden Einheit 
gebracht. Das Auge wird sogar in Hinsicht der Entfernung eines 
Gegenstandes oft getäuscht. Die englischen Gärtner sind wahre 
Landschaftsmaler im Großen, ja wir möchten sie fast für die einzigen 
eigentlichen Künstler der Nation erklären. Jeden Vorteil, den Optik und 
die Regeln der Perspektive ihnen darbieten, wissen sie gar gut zu 
benutzen, ohne doch ins Kleinliche zu fallen. Mit den Nadelhölzern 
aller Art, den verschiedenen, uns zum Teil in Deutschland unbekannten, 
immergrünen Stauden und Sträuchern, deren einige sogar bisweilen im 
Dezember blühen, werden sehr schöne Effekte hervorgebracht. 
Gewöhnlich sieht man davon in der Nähe des Hauses eine Art 
Wintergarten an einem sonnigen Platz angelegt, in welchem man sich 
bei winterlichem Sonnenschein ergehen und, von allen Seiten durch das 
Grün getäuscht, in den Frühling hineinträumen kann. Solche Anstalten 
sind auf jener Insel notwendiger als bei uns: denn derselbe wunderliche 
Geist, der die Einwohner dieses Landes die nacht zum Tage 
umzuschaffen bewog, verwirrte auch den Lauf der Jahreszeiten. Der 
Winter herrscht in Hinsicht auf Kleidung und Vergnügen bis über die 
Mitte des Junius hinaus. Dann fängt der Frühling erst an, und so muß 
der Sommer und mit ihm der Aufenthalt auf dem Lande, welcher in der 
Regel erst im August und noch später beginnt, bis nach Weihnachten 
verlängert werden, damit jedem neben dem Unrecht auch sein Recht 
geschehe. 
Der Haupteingang zum Park, ein oft sehr prächtiges Tor, hat zu beiden 
Seiten zwei kleine Gebäude, die Wohnung des Türhüters und seiner 
Familie, bei welchem sich jeder Einlaßbegehrende vermittelst einer
Glocke meldet. Dieses Tor mit seinen Gebäuden, the Lodge genannt, 
ist eine Hauptzierde des Parks. Die beiden Pavillons sind bald im 
gotischen Geschmacke, bald im ägyptischen; sie stellen Türme, 
griechische Tempel oder auch nur artige, moderne Gartenhäuschen vor, 
je nachdem der Geschmack des Erbauers war. Immer hat der Türhüter 
eine freundliche, artige Wohnung darin, mit Küche und Keller und 
allem, wessen er bedarf, wohl versehen, und manche angesehene 
Familie in Deutschland würde zufrieden sein, einen solchen 
Sommeraufenthalt zu besitzen. 
 
Woburn-Abbey 
[Fußnote: Johanna trat die Reise nach längerem Aufenthalt in London 
mit ihrem Gatten am 30. Juni oder 31. Juli 1803 an] 
Dieser Landsitz, der erste, welchen wir besuchten, ist das Eigentum des 
Herzogs von Bedford, des reichsten Particuliers und zugleich des 
größten Ökonomen in England. Sein Bruder, der Ökonomie mit noch 
größerem Eifer ergeben, starb vor wenigen Jahren, sechsunddreißig 
Jahre alt, und hinterließ dem jetzigen Besitzer, welcher sich dem 
geistlichen Stande gewidmet hatte, das große Vermögen. 
Woburn liegt eine Tagesreise von London entfernt. Das erste, was man 
uns hier zeigt, waren natürlicherweise die Wirtschaftsgebäude, vor 
allem die Viehställe: denn der Herzog, wie seine Vorgänger, 
beschäftigt sich hauptsächlich mit diesem Zweige der Landwirtschaft. 
Auch machen die vierbeinigen Eleven aller Art ihrem Erzieher Freude 
und Ehre. Sie tragen bei den in England gewöhnlichen 
Preisbewerbungen in Hinsicht der Größe, Schönheit und des Gedeihens 
gewöhnlich über alle anderen Mitbewerber den Preis davon. Dafür wird 
auch alles getan, um ihr Andenken nach ihrem leider fast immer 
gewaltsamen Tode zu verewigen. Im Schloß wimmelt es von gemalten 
oder in Stein gehauenen ähnlichen Bildnissen der wohlgeratensten 
unter ihnen. Viele davon sind sogar in Kupfer gestochen, und ihr 
Porträt prangt in den Londoner Kupferstichläden neben anderen 
berühmten Porträts von großen Gelehrten oder Ministern.
So wenig wir auch vom Landhaus verstehen mochten, so war es uns 
doch unmöglich, die Ordnung überall und die zweckmäßigen 
Einrichtungen ohne Vergnügen und Bewunderung zu sehen. Man 
zeigte uns viele in diesem Lande der Industrie erfundenen Maschinen, 
um die ländliche Arbeit zu vereinfachen, zu erleichtern und 
einträglicher zu machen. Zum Beispiel eine Dreschmaschine; eine 
andere um das Getreide abzuschälen, damit kein Mehl in den Kleien 
verlorengehe; noch eine, womit man in der Mühle vier Sorten Mehl mit 
einem Mal durchbeutelt, und noch manches andere von dieser Art. 
In den Viehställen herrscht eine unglaubliche Reinlichkeit, besonders 
da, wo wir sie am wenigstens vermuten konnten, im Schweinestalle. 
Die Bewohner dieses Orts hatten aber auch ein so gesegnetes Gedeihen, 
waren so groß und von der Last ihres Fettes so niedergedrückt, daß sie 
uns völlig lebensmüde erschienen. Noch zeigte man uns verschiedene 
ihrer Schönheit wegen berühmte Stiere und einige indianische Kühe. 
Letztere haben einen geraderen Rücken und einen kleineren Kopf, 
übrigens sehen sie wie andere Kühe aus.    
    
		
	
	
	Continue reading on your phone by scaning this QR Code
 
	 	
	
	
	    Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the 
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.
	    
	    
