Freuden 
hier oben? Jetzt hast du wohl sechsmal aufstehen müssen, während wir 
beim Essen waren, nur wegen des dummen Geißleins, damit es nicht 
hinunterfällt. Ist denn das eine Freude?" 
"Ja, das tue ich ganz gern. Nicht wahr, Mäggerli, komm! Komm!" 
Moni sprang auf und lief dem Geißlein nach, denn es machte ganz 
unvorsichtige Freudensprünge. Als er wieder saß, sagte Jörgli: "Es gibt 
auch ein anderes Mittel, die jungen Geißen zu halten, daß sie nicht über 
die Felsen hinabfallen und man ihnen nicht immer nachspringen muß 
wie du." 
"Was für eins?" fragte Moni. 
"Man steckt einen Stecken fest in den Boden und bindet die Geiß mit 
einem Bein daran. Sie zappelt dann zwar furchtbar, aber sie kann doch
nicht fort." 
"Du wirst doch nicht glauben, daß ich so etwas mit dem Geißlein 
mache", sagte der Moni ganz entrüstet. Er zog das Mäggerli zu sich und 
hielt es fest, als müßte er es schützen. 
"Um das Geißlein mußt du dich nicht mehr lange sorgen", fing Jörgli 
wieder an, "das kommt nicht mehr hier herauf." 
"Was? Was? Was sagst du, Jörgli?" fuhr Moni auf. 
"Pah, weißt du's denn nicht? Der Wirt will es nicht aufziehen, es ist ihm 
zu schwach, es wird nie eine kräftige Geiß. Er hat es meinem Vater 
verkaufen wollen, aber der wollte es auch nicht. Nun will es der Wirt 
nächste Woche schlachten, und dann kauft er unseren Scheck dort." 
Moni war vor Schrecken ganz weiß geworden. Erst konnte er kein 
Wort sagen, aber jetzt jammerte er laut und rief: 
"Nein, nein, das dürfen sie nicht tun, Mäggerli, das dürfen sie nicht tun. 
Sie dürfen dich nicht schlachten, das kann ich nicht ertragen. Oh, ich 
will lieber gleich mit dir sterben. Nein, das kann ja nicht sein!" 
"Tu doch nicht so", sagte Jörgli ärgerlich und zog den Moni in die 
Höhe, der sich in seinem Jammer mit dem Gesicht zu Boden geworfen 
hatte. "Steh doch auf, du weißt ja, daß das Geißlein nun einmal dem 
Wirt gehört und er damit machen darf, was er will. Denk doch nicht 
mehr dran! Komm ich weiß noch etwas: Sieh! Sieh!" Dann hielt Jörgli 
dem Moni die eine Hand hin, und mit der anderen deckte er den 
Gegenstand fast zu, den Moni bewundern sollte. Es funkelte aber ganz 
wunderbar aus der Hand heraus, denn die Sonne blitzte eben dort 
hinein. 
"Was ist's?" fragte Moni, als es eben wieder aufblitzte, von einem 
Sonnenstrahl beleuchtet. 
"Rat!"
"Ein Ring?" 
"Nein, aber so etwas Ähnliches." 
"Wer hat dir's gegeben?" 
"Gegeben? Niemand, ich hab es selbst gefunden." 
"Dann gehört es aber nicht dir, Jörgli." 
"Warum nicht? Ich habe es niemand genommen, ich wäre fast mit dem 
Fuß darauf getreten, dann wär's doch zerbrochen. Ich kann es ebenso 
gut behalten." 
"Wo hast du's gefunden?" 
"Unten beim Badehaus, gestern abend." 
"Dann hat es jemand aus dem Haus unten verloren. Du mußt es dem 
Wirt sagen, und wenn du's nicht tust, so tue ich's heute Abend." 
"Nein, nein, Moni, tue nur das nicht", sagte Jörgli jetzt bittend, "sieh, 
ich will dir zeigen, was es ist. Und ich will es in einen von den 
Wirtshäusern an ein Zimmermädchen verkaufen, sie muß mir aber vier 
Franken geben, dann geb ich dir auch einen oder zwei, und dann weiß 
ja niemand etwas davon." 
"Ich will nichts! Ich will nichts!" unterbrach ihn Moni heftig, "und der 
liebe Gott hat alles gehört, was du gesagt hast." 
Jörgli schaute zum Himmel auf. "Ja, so weit weg", sagte er zweifelhaft. 
Er fing aber gleich an, leiser zu reden. 
"Er hört dich doch", sagte Moni zuversichtlich. 
Dem Jörgli war es nicht mehr recht wohl in seiner Haut. Wenn er nur 
den Moni auf seine Seite zu bringen wußte, sonst war alles verloren. Er 
dachte lange nach. "Moni", sagte er plötzlich, "ich will dir etwas 
versprechen, das dich freut, wenn du keinem Menschen etwas von dem
Gefundenen sagen willst. Du brauchst ja auch nichts davon zu nehmen, 
dann hast du nichts damit zu tun. Wenn du das willst, so will ich dafür 
sorgen, daß mein Vater doch das Mäggerli kauft. Dann wird es nicht 
geschlachtet, willst du?" 
In Moni entstand ein harter Kampf. Es war ein Unrecht, wenn er dabei 
half, den Fund zu verheimlichen. Jörgli hatte seine Hand aufgemacht, 
es lag ein Kreuz darin, mit vielen Steinen besetzt, die in allen Farben 
funkelten. Moni sah wohl, daß das nicht ein wertloses Ding war, nach 
dem niemand fragen werde. Wenn er schweigen würde, würde er etwas 
behalten, was ihm nicht gehörte. Aber auf der anderen Seite war das 
kleine, liebevolle Mäggerli, das sollte auf schreckliche Weise mit 
einem Messer getötet werden, und er konnte das verhindern, wenn er 
schweigen wollte. Eben jetzt lag das Geißlein so vertrauensvoll neben 
ihm, als wußte es, daß er ihm immer helfen wurde. Nein, er konnte es 
nicht geschehen lassen, er mußte es retten. 
"Einverstanden, Jörgli", sagte er,    
    
		
	
	
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