und Behaglichkeit einer 
Familienwohnung verwirklichte sie hier. Da war der grüne Salon mit 
den tiefen englischen Lehnstühlen, dem geräumigen Sofa am breiten 
Fensterpfeiler, mit dem runden, von einer Tuchdecke bedeckten großen 
Tisch davor, dem mächtigen roten Marmorkamin an der Längswand 
ihm gegenüber; daneben, nur durch Portieren getrennt, das helle 
Boudoir mit seinen kretonneüberzogenen Wänden und Möbeln, dem 
Schreibtisch voller Familienbilder, überragt von Thorwaldsens 
segnendem Christus; und auf der andern Seite des Vaters Zimmer mit 
seinen schweren geschnitzten Eichenmöbeln, in deren Arabesken das 
Wappentier der Kleves, die gekrönte Eule, sich vielfach wiederholte. 
Für das Speisezimmer hatte die Großmutter die alten Empiremöbel 
ihrer Mutter hergegeben: Mahagoni mit Bronzebeschlägen und 
gelbseidnen Sesselbezügen. Hier prangte auch eine Reihe alter 
Familienbilder an den Wänden: Frauen im Reifrock mit märchenhaft 
dünner Taille und gepuderten Haaren, Männer in goldstrotzender 
Uniform und mächtiger Lockenperücke, und mitten unter ihnen ein 
rosiges, lächelndes, goldlockiges Frauenköpfchen, das die Mutter in 
spätern Jahren immer in den dunkelsten Winkel zu hängen pflegte: Alix, 
die Urgroßmutter, das Königsliebchen. 
Ein großes, helles Schlafzimmer, eine Fremdenstube und ein sorgfältig 
abgeschlossner, von der Großmutter streng behüteter Raum -- als hätte 
Blaubart seine Frauen darin -- vollendeten die Wohnung. In Ost und 
West, in Süd und Nord -- wohin immer das Soldatenschicksal uns 
getrieben hat, -- dieser Rahmen des Lebens ist sich stets gleich 
geblieben. Ein Gesellschaftszimmer, ein Tanzsaal kamen später wohl 
hinzu, sie haben mich aber immer wie etwas Fremdes angemutet. »Ihr 
habt keine Heimat,« pflegte die Großmutter zu sagen, »da müßt ihr sie 
als Ersatz, wie die Schnecke ihr Haus, mit euch tragen.« 
Als die Eltern nach der Hochzeitsreise diese Räume, die geschaffen 
schienen, Liebe und Freude in sich zu schließen, betraten, war auf ihr 
Eheglück schon ein Reif gefallen. Ahnungslos, wie alle wohlgehüteten 
Mädchen ihrer Zeit und ihrer Lebenskreise, war Ilse in die Ehe getreten. 
Keusch wie sie war der Mann, dem sie sich vermählt hatte, aber um so 
gewaltiger war die Glut seiner Liebe und seines Begehrens, während
ihre Sinne noch schliefen und das große, tiefe Geheimnis des 
Geschlechts sich ihr wie eine gräßliche Untat offenbarte. Sie hat mir oft 
erzählt, daß sie in den ersten acht Tagen ihres Zusammenlebens mit 
ihrem Mann am liebsten davongelaufen wäre, wenn sie sich nicht vor 
ihren Eltern geschämt hätte. Erst ganz allmählich kam ihr die 
Erkenntnis, daß ihr Gatte kein Verbrecher, ihr Schicksal kein abnormes 
war. Zu den seelischen Leiden, mit denen sie ihn, der so liebevoll, so 
zartfühlend und weichherzig war, wohl noch mehr quälte als sich selbst, 
kamen körperliche Beschwerden hinzu, deren Ursachen sie ebenso 
verständnislos gegenüberstand. Sie suchte sie mit der ihr eignen 
Energie zu beherrschen, um so mehr, als sie sich unter den ihr fremden 
Kleveschen Verwandten befand; sie teilte auch ihrer Mutter nichts 
davon mit, um die Überängstliche nicht unnötig, wie sie meinte, 
aufzuregen. Tapfer beteiligte sie sich an allen Ausflügen, allen 
ländlichen Festen; tanzte und ritt, obwohl es ihr oft vor den Augen 
dunkelte und der Schwindel sie zu übermannen drohte. So kehrte die 
junge Frau bleich und müde zurück, die, ein Bild blühender Gesundheit, 
das Elternhaus verlassen hatte. Der Schatten dieser ersten Schmerzen 
und Enttäuschungen fiel über ihr ganzes Leben. 
Der Großmutter blutete das Herz, als sie ihr Kind wiedersah. Bald aber 
war sie beruhigt und zärtlicher Freude voll in dem Gedanken an das 
junge Leben, das sich im Schoße der Tochter entwickelte. Nur allzu 
früh sollte die Hoffnung, die von Ilse selbst nur qualvoll empfunden 
wurde, zerstört werden; und statt einer Wöchnerin pflegte die 
Großmutter eine schwer kranke junge Frau. Erst die würzige Herbstluft 
von Pirgallen heilte sie, und der Königsberger Karneval sah sie als eine 
der schönsten der Schönen im fröhlichen Kreise der Jugend wieder. Sie 
tanzte gern, sie sah sich gern von Bewunderern umgeben, und ihr Mann 
war überglücklich, wenn er sie heiter wußte. 
Im zweiten Jahre ihrer Ehe stellten sich wieder Hoffnungen ein; mit 
hellem Jubel begrüßte sie Hans Kleve, mit tiefer Rührung die 
Großmutter; nur die, unter deren Herzen das neue Leben erwachte, 
spürte nichts von alledem. Die Fassung, mit der sie sich in ihr Schicksal 
ergab, das Vorgefühl ernster kommender Pflichten war das einzige, was 
sie ihm gegenüber aufbringen konnte.
Indessen richtete die Großmutter des Enkelkindes erstes Stübchen ein: 
Alles darin war weiß und rot, einfach und freundlich, nur das Sofa war 
mit braunem Rips bezogen und der Tisch davor mit braunem 
Wachstuch. Du gutes altes Sofa! Auf dir hab ich die Glieder im ersten 
Lebensgefühl gestreckt, auf dir bin ich umhergeklettert, als ich die 
Beinchen regen konnte; in deinen Winkeln hab ich mein 
Lieblingsspielzeug geheimnisvoll verwahrt, habe, tief in deine Polster 
geschmiegt, meine Märchenbücher verschlungen und meine ersten 
Träume auf dir geträumt! 
Mitten in den Vorbereitungen zum Empfange des kleinen Erdenbürgers 
warf eine Lungenentzündung den alten Golzow aufs Krankenlager. Bei 
einer der häufig wiederkehrenden Überschwemmungen, die durch die 
wilden, alle Dämme durchreißenden Wogen des kurischen    
    
		
	
	
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