el Abbes, den 
ich versuchte zu besuchen, war indess nicht sichtbar für mich, jedesmal 
kam ich zu ungelegener Zeit. 
Unterdessen machte ich mich rasch und mit Energie daran, meinen 
Vorsatz auszuführen, obschon alle anderen Europäer abriethen. Ich 
vermied aber so viel wie möglich mit ihnen in weitere Berührungen zu 
kommen, namentlich mied ich das spanische Consulat (obschon mir
dasselbe später in Marokko viel Freundschaft erwiesen hat), um nicht 
als Spion verdächtigt zu werden. Denn hätten die Mohammedaner mich 
nach wie vor mit Christen verkehren sehen, so würden sie es gleich 
gemerkt haben, dass ich nur zum Schein übergetreten. So war ich nur 
fünf Tage in Tandja, wie der Marokkaner die Stadt nennt, und am 
sechsten Tage hatte ich dem Orte schon den Rücken gekehrt, in 
Begleitung eines Landbewohners, der es übernommen hatte, mich nach 
Fes bringen zu wollen. 
Ich hatte meine Sachen auf das Nothdürftigste reducirt, ein Bündelchen 
mit Wäsche war Alles, was ich bei mir hatte, nach Landessitte trug ich 
es an einem Stocke hängend auf der Schulter; eine weisse Djelaba (ein 
weisses langes wollenes, mit Capuze versehenes Hemd) war meine 
Kleidung. Gelbe Pantoffeln, dann eine spanische Mütze, worein ich 
mein letztes Geld--eine englische Fünf-Pfundnote--genäht hatte, 
endlich ein schwarzer weiter europäischer Ueberzug, der als Burnus 
dienen konnte: das war mein Anzug. Ich hatte keine Waffen, ein 
kleines Buch mit Bleistift, um Notizen machen zu können, war in der 
Tasche verborgen. Dies war meine ganze Ausrüstung. 
Gewiss ein Wagestück, unter solchen Umständen, mit solchen mehr als 
bescheidenen Mitteln in ein vollkommen fremdes Land eindringen zu 
wollen! Um so mehr, als ich von der arabischen Sprache nur die 
gewöhnlichsten Redensarten auswendig wusste und weit davon entfernt 
war, auch nur mangelhaft sprechen zu können. Allerdings hatte ich 
Eine Phrase gut auswendig gelernt, die Glaubensformel der 
Mohammedaner, welche, man kann es sagen, alleiniger Schlüssel zum 
Oeffnen dieser von so fanatischer Bevölkerung bewohnten Gegenden 
ist. Diese Glaubensformel--wer hätte sie nicht schon gehört oder 
gelesen--lautet: _"Lah ilah il allah, Mohammed ressul ul Lah,"_[1] 
ausser Gott kein Gott, Mohammed ist der Gesandte Gottes. 
[Fußnote 1: Ganz genau so sprechen die Marokkaner den Satz aus, 
obschon es nach der Schreibweise eine etwas andere Aussprache sein 
müsste.] 
Mein Gefährte schien vollkommen überzeugt, ich sei zum Islam 
übergetreten, nur glaube ich, vermuthete er, ich sei heimlich entflohen 
aus irgend einem verborgenen unlauteren Grund, vielleicht dachte er 
auch, dass bei den Christen der Uebertritt von einer Religion, wie bei 
den Mohammedanern mit dem Tode bestraft würde; aber das schien
ihm gewiss, dass mein Päckchen mit Wäsche gestohlen sei, vielleicht 
noch andere Sachen enthielte und ich mich damit aus dem Staube 
machen wolle. Natürlicherweise mussten ihm solche Gedanken 
kommen: ein Marokkaner, wenn er auf Reisen geht, beschwert sich nie 
mit Wäsche zum Wechseln, und wenn es selbst der Sultan wäre. 
Wir schlugen einen Weg ein, der in der Richtung nach Tetuan führte, 
weil mein Begleiter im "Djebel" (Gebirge) vorher einen Freund 
aufsuchen wollte, und bald genug hatten wir die nächste Umgegend 
Tangers verlassen. Der Weg war nicht belebt, denn es war nicht der 
nach Tetuan führende Karavanenweg. Aber wie entzückend war die 
Umgebung, und wenn auch die Pflanzenwelt nicht neu für mich war, 
wenn auch das Thierreich nördlich vom Atlas überhaupt wenig bietet, 
was nicht in den übrigen Ländern am Mittelmeerbecken zu finden ist, 
das schon Gesehene unter anderen Verhältnissen übt immer einen 
mächtigen Zauber aus. 
Da sieht man die Wege bordirt von der Stachelfeige oder, wie der 
Marokkaner sagt: "Christenfeige, karmus nssara", von der 
langblättrigen Aloës, Lentisken- und Myrtengebüsch, Schlingpflanzen 
wuchern dazwischen. Der April ist für Marokko die Zeit, welche in 
Deutschland etwa dem Ende Mai und dem Anfang Juni entsprechen 
würde. Die Pracht und Fülle der Natur hat nun keine Grenzen. Der 
heisse und austrocknende Südostwind hat seine tödtenden Wirkungen 
auf die ganze Natur noch nicht ausgeübt. Wie alle Gärten der Städte 
Marokko's zeigen sich dann auch die Tanger's durch Ueppigkeit aus. 
Und da in den unteren Theilen die Bewässerung gut ist, wird Alles 
gezogen, was man nur in Europa an Gemüse kennt. 
Aber wir waren bald im Gebirge, nicht ohne vorher einer von Tetuan 
kommenden Karavane begegnet zu sein, bei welcher mehrere Europäer 
waren, die mich alle baten und beschworen, nicht in alleiniger 
Begleitung eines Mohammedaners und sogar ohne Waffen ins Innere 
des Gebirges zu gehen. Aber ich liess mich nicht mehr bereden, es 
waren die letzten Christen, die ich für lange Zeit zu sehen bekam. Man 
hatte mir in Tanger gesagt, ich solle nie aussagen, ich wolle nach Fes 
oder zum Sultan, sondern ich ginge nach Uesan zum Grossscherif Sidi 
el Hadj-Abd-es Ssalam. Da hernach noch ausführlicher von dieser 
merkwürdigen Persönlichkeit die Rede sein soll, beschränke ich mich 
darauf, hier anzuführen, dass er der grösste Heilige von Marokko ist
und im ganzen Nordwesten von Afrika unter den Mohammedanern 
ungefähr dieselbe Rolle spielt, wie der Papst bei den ultramontanen 
Katholiken. 
Durch    
    
		
	
	
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