eines Heiligen sagt dem 
Vorbeifahrenden, dass auch dort an der Küste Menschen hausen. 
Hätte nicht Spanien einige befestigte Punkte, Strafanstalten, an dieser 
Küste, sie würde vollkommen unbewohnt erscheinen. Alhucemas, 
Pegnon de Velez bekamen wir nach einander von ferne zu sehen, als 
einzige Zeichen von Menschenbauten. Denn wenn auch die 
Rifbewohner einige Dörfer an der Küste haben, so sind diese doch so 
versteckt angelegt, dass sie sich dem Auge des Vorbeifahrenden 
entziehen. Der Seeräuber scheut das Licht, er muss Schlupfwinkel 
haben, und die in unmittelbarer Nähe des Mittelmeers wohnenden Rifi 
sind nichts Anderes als Seeräuber, und zwar der schlimmsten Art. 
Freilich wagen sie sich heute nicht mehr aufs offene Meer, haben dazu 
auch weder passende Fahrzeuge noch genügende Waffen, aber wehe 
dem Schiffe, das an ihrer Küste scheitert, wehe dem Boote, welches der 
Sturm in eine ihrer Buchten treiben sollte. 
Wie ganz anders ist die gegenüberliegende spanische Küste, grüne, 
wein- und olivenumrankte Berge, überall Städte, freundliche Villen und 
Dörfer, kleine Schiffe, die den Küstenverkehr vermittelm [vermitteln]; 
man kann keinen grösseren Gegensatz denken.
Gegen Abend desselben Tages verliessen wir die Küste, ohne sie 
jedoch ganz aus den Augen zu verlieren, und hielten auf Gibraltar, 
welches noch Nachts erreicht wurde. Bis zum folgenden Mittag ruhte 
der Dampfer, sodann wurde die Meerenge durchschnitten und wir 
waren um 3 Uhr vor Tanger. Zahlreiche Jollen waren gleich vorhanden, 
uns Passagiere aufzunehmen, die jetzt ausser mir fast nur noch aus 
Bewohnern des Landes Marokko bestanden. Eine Jolle war bald 
gefunden, aber man kann auch mit diesen kleinen Fahrzeugen nicht 
unmittelbar ans Land kommen, sondern bedarf dazu eines Menschen, 
der einen heraustragen muss. Bei sehr flachem Strande ist nämlich die 
Brandung so stark, dass die Böte dort nicht anlegen können. Ich 
miethete einen kräftigen Neger, der mich rittlings auf seinen Schultern 
vom Boote aus ans Land trug. 
Für einzelne Reisende sind die Douane-Schwierigkeiten nicht lästig, 
zumal für mich, da mein Pass bekundete, dass ich unter englischem 
Schutze stände. Die Dragomanen der verschiedenen Consulate fragen 
die gelandeten Fremden nach ihrer Nationalität, und als ich meinen 
Bremer Pass in die Hände eines vornehm aussehenden Juden legte, des 
Dolmetsch des englischen Generalconsulates, waren im Augenblick 
alle Schwierigkeiten beseitigt. Die Hansestädte standen dazumal unter 
grossbritanischem Schutze, während Preussen sich durch Schweden 
vertreten liess. 
Ein Absteigequartier war auch bald gefunden, das Hôtel de France, 
welches von einem Levantiner Franzosen gehalten wurde, ein reizendes 
Haus, in ächt maurischem Style. Von einem früheren Gouverneur der 
Stadt erbaut, gehörte dasselbe jetzt der marokkanischen Regierung, der 
Eigenthümer der Gastwirthschaft hatte es nur miethweise. 
Ausser mir war noch ein Blumenhändler dort, der mit dem Bruder des 
Sultans, Mulei el Abbes, Geschäfte machen wollte, und auch hoffte bei 
den europäischen Consuln seine Waare absetzen zu können, dann ein 
Spanier, vormals Offizier der spanischen Armee: Joachim Gatell. 
Letzterer wollte, wie ich, in Marokko Dienste nehmen und lebte nun 
schon seit mehreren Monaten in Tanger. Ich weiss nicht, aus welchen 
Gründen er die spanische Armee verlassen hatte; als Verwandter von 
Prim, der sich soeben bei Tetuan noch so ausgezeichnet hatte, hätte er 
in Spanien sicher eine Zukunft gehabt. Beschäftigt mit der 
Uebersetzung des spanischen Artillerie-Reglements ins Arabische,
wollte er dies dem Sultan präsentiren und dann in die marokkanische 
Armee eintreten. Nebenbei hatte ihm Mulei el Abbes noch glänzende 
Versprechungen gemacht. 
Mein nächster Weg war sodann zum englischen Gesandten, Sir 
Drummond Hay. Obwohl ich nicht reich war, vielmehr beinahe von 
allen Mitteln entblösst, obwohl ich kein einziges 
Empfehlungsschreiben vorzuzeigen hatte und obschon ich ihm ein 
vollkommen Fremder und nicht einmal ein Engländer war, empfing 
mich Sir Drummond mit liebenswürdigster Zuvorkommenheit. Aber 
wie zerstieben meine Träume. Ich erfuhr, dass an eine Reorganisation 
der Zustände des Landes nicht gedacht würde, dass der religiöse 
Fanatismus eher zu- als abnähme, dass, wenn der Sultan für seine 
Person auch vielleicht Reformen in einigen Dingen wünsche, der 
Religionshass der Eingeborenen gegen alles Christliche so gross sei, 
dass an Ausführung nicht gedacht werden könnte. Allerdings habe der 
Sultan eine _regelmässige_ Armee gebildet, aber diese sei nur dem 
Namen nach regelmässig, und falls ich auf dem Beschluss bestände, ins 
Innere des Landes gehen zu wollen, sei vor Allem erforderlich, 
äusserlich den Islam anzunehmen. 
Entmuthigt kehrte ich ins Hotel zurück. Aber eine Berathung mit Gatell, 
der Reiz des Neuen, das Lockende, völlig unbekannte Gegenden 
durchziehen zu können, fremde Völker und Sitten, ihre Sprache und 
Gebräuche kennen zu lernen, ein Trieb zu Abenteuern, ein Hang, 
Gefahren zu trotzen: alles dies bewog mich, das Wagniss auszuführen, 
und nach einer zweiten Unterredung mit Sir Drummond wurde 
beschlossen, ich solle--(es war dies das einzige Mittel, um ins Innere 
des Landes Zugang zu bekommen)--_äusserlich_ den Islam annehmen 
und eine Anstellung als Arzt in der Armee des Sultans nachsuchen. 
Unter dieser Verkleidung und mit solchen Intentionen, meinte Sir 
Drummond, sei ich in Fes eines guten Empfanges sicher und könne 
mich so lange im Lande aufhalten wie ich wollte. Mulei    
    
		
	
	
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