Leben und Tod des Königs Johann | Page 9

William Shakespeare
Und ich schwöre bey dieser Hand, die diesen
weitgrenzenden Erdstrich beherrschet; eh wir diese gerechten Waffen
niederlegen, wollen wir dich, gegen den wir sie tragen, in den Staub
niederlegen, oder selbst die Zahl der Todten mit einem königlichen
Schatten vermehren!
Faulconbridge. Ha! Majestät!--Wie hoch steigt dein Stolz, wenn das
goldne Blut der Könige in Feuer gesezt wird! Oh, nun füttert der Tod
seine morschen Kinnbaken mit Stahl, Schlachtschwerdter sind seine
Zähne und Griffe, und nun schmaußt er und frißt sich, indeß daß die
Könige hadern, an Menschenfleisch satt. Warum stehen diese
königlichen Linien so unbeweglich? Ruft zum Angriff, ihr Könige;
zurük in das blutbeflekte Feld, ihr gleichmächtigen Fürsten, ihr
Feuer-sprudelnden Geister! Laßt die Niederlage des einen Theils den
Frieden des andern bekräftigen. Bis dahin Streiche, Blut und Tod!
König Johann. Für wessen Parthey erklären sich nun die Leute in der
Stadt?
König Philipp. Sprecht, ihr Bürger; wen erkennt ihr für euern König?
Bürger. Den König von England, sobald wir ihn kennen.
König Philipp. Erkennt ihn in Uns, die wir hier sein Recht verfochten
haben.
König Johann. In Uns, die wir unser eigner grosser Abgeordneter sind,
und im Besiz unsrer eignen Person uns hier befinden, Herr von unsrer
Gegenwart, von Angiers, und von euch.
Bürger. Eine grössere Macht, als die eurige, widerspricht all dieses, und
bis sie ausser allem Zweifel ist, schliessen wir unsre erste
Bedenklichkeit in unsre stark verrigelte Thore ein. Könige sind unsre
Furcht, so lange bis unsre Furcht von einem gewissen Könige aufgelöst,
gereinigt und ausgetrieben seyn wird.
Faulconbridge. Diese unverschämten Gesellen von Angiers spotten
eurer, ihr Könige, und stehen sicher auf ihren Zinnen, wo sie wie auf
einem Amphitheater, unsern arbeitvollen Todes-Scenen und Aufzügen

mit weitoffnen Augen und richtendem Blik zusehen. Laßt euch von mir
rathen, ihr Könige; seyd gleich den Aufrührern von Jerusalem eine
Weile Freunde, und vereinigst eure äusserste Macht wider diese Stadt.
Laßt Frankreich von Osten, und England von Westen ihre bis an die
Mündung gefüllte Canonen wider sie richten, bis ihr Seele-
schrekendes Geschrey die steinernen Rippen dieser trozigen Stadt zu
Boden geklafft hat; ich wollte unverzüglich auf diese Schindmähren
spielen, bis die Verwüstung ihnen keine andre Schuzwehr als die
umgebende Luft übrig liesse. Wenn dieses geschehen ist, dann trennt
eure vereinbarte Macht wieder, sondert eure vermengten Fahnen ab,
und sezet Antliz gegen Antliz, und Schwerdt gegen Schwerdt. Dann
wird Fortuna in einem Augenblik aus einem von beyden Theilen ihren
glüklichen Günstling auswählen, dem sie die Ehre dieses Tages
zuwenden, und den sie mit einem glorreichen Siege küssen wird. Wie
gefällt euch dieser wilde Rath, mächtige Fürsten? Schmekt er nicht ein
wenig nach der Politik?
König Johann. Nun bey dem Himmel, der über unsern Häuptern hängt,
er gefällt mir. Frankreich, laßt uns unsre Kräfte vereinbaren, und dieses
Angiers dem Erdboden gleich machen; dann wollen wir erst durch die
Waffen ausmachen, wer König davon seyn soll?
Faulconbridge (zu Frankreich.) Und wenn du anders die
Empfindlichkeit eines Königs hast, so richte, da du eben so sehr als wir
selbst von dieser halsstarrigen Stadt beleidigt worden bist, den Rachen
deiner Artillerie, wie wir der unsrigen, gegen diese trozigen Mauern;
und wenn wir sie zu Boden geschmettert haben, nun, dann könnt ihr's
mit einander aufnehmen, und einander, wie es kommt, gen Himmel
oder in die Hölle schiken.
König Philipp. So wollen wir's machen; saget, wo wollt ihr angreiffen?
König Johann. Wir wollen von Westen Zerstörung in den Busen dieser
Stadt senden.
Östreich. Ich von Norden.
König Philipp. Unser Donner soll von Süden einen Hagel von Kugeln
auf diese Stadt regnen.
Faulconbridge (leise.) Eine weise Einrichtung! Von Norden zu Süden;
Östreich und Frankreich werden einander ins Gesicht schiessen. Ich
will sie dazu aufreizen;
(laut;)

kommt, hinweg, hinweg!
Bürger. Hört uns, grosse Könige; laßt euch gefallen noch einen
Augenblik zu verweilen, und ich will euch einen Vorschlag zum
Frieden und zu einem annehmlichen Verglich thun. Gewinnet lieber
diese Stadt ohne Wunden, und lasset diese Kriegsmänner, die als
Schlachtopfer auf den Wahlplaz hieher gekommen sind, ihr Leben
wieder nach Hause tragen, und in ihren Betten sterben. Verharret nicht
auf euerm Vorsaz, sondern höret mich, grosse Könige.
König Johann. Redet, wir erlauben es, und wollen hören.
Bürger. Diese Infantin von Spanien, Lady Blanca, ist nahe mit England
verwandt; betrachtet den jungen Ludwig, den Dauphin, und dieses
liebenswürdige Mädchen. Wenn wollüstige Liebe auf die Jagd der
Schönheit ausgehen wollte, wo könnte sie solche schöner finden, als in
Lady Blanca? Wenn keusche Liebe gehen wollte, die Tugend
aufzusuchen, wo könnte sie solche reiner finden, als in Lady Blanca?
Wenn ehrsüchtige Liebe ein Bündniß mit hohem Stande machen will,
in welchen Adern rinnt ein edler Blut als in Lady Blanca's? So wie sie
an Schönheit, Tugend und Geburt ist, so vollkommen ist der junge
Dauphin, in jedem Stüke; soll er nicht vollkommen seyn, o, so sagt nur,
er ist nicht sie; so wie ihr nichts anders
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