Leben und Tod des Königs Johann | Page 8

William Shakespeare
Blut wieder heimtragen, welches
wir gegen eure Mauern auszuspeyen gekommen waren, und eure
Weiber, Kinder und euch im Frieden lassen. Solltet ihr aber so thöricht
seyn, dieses unser zuvorkommendes Anerbieten auszuschlagen, so
bildet euch nicht ein, daß diese alten Mauern euch gegen unsre
Kriegs-Abgesandten schüzen werden, wenn gleich alle diese Engländer
mit ihrer Macht in ihrem rauhen Umkreis gelagert wären. Sagt uns also,
will eure Stadt uns im Namen desjenigen, für welchen wir euch dazu
auffordern, als ihren Herrn erkennen; oder sollen wir das Zeichen zum
Angriff geben, und in Blut wattend in unser Eigenthum einziehen?
Bürger. Unsre Antwort ist kurz: Wir sind des Königs von England
Unterthanen; für ihn und kraft seines Rechts, haben wir diese Stadt
inne.
König Johann. So erkennet dann euern König, und lasset mich ein.
Bürger. Das können wir nicht; demjenigen der es beweißt, daß er König
ist, wollen wir uns als getreue Unterthanen beweisen; so lange aber
dieses nicht geschehen seyn wird, sollen unsre Thore gegen die ganze

Welt verriegelt bleiben.
König Johann. Beweißt nicht die Crone von England den König? Und
wenn dieses nicht genug ist, so bring ich euch Zeugen, zweymal
fünfzehntausend Herzen voll von Englischem Blut--
Faulconbridge. (Hurensöhne und andre.)
König Johann. Die bereit sind, unser Recht mit ihrem Leben zu
beweisen.
König Philipp. Eben so viele, und von so gutem Blut als jene--
Faulconbridge. (Die Hurensöhne auch mitgezählt.)
König Philipp. Stehen hier, ihm seine Fordrung ins Angesicht zu
widersprechen.
Bürger. Biß ihr ausgemacht haben werdet, wessen Recht das
vorzüglichste ist, halten wir für den Vorzüglichsten das Recht von
beyden zurük.
König Johann. So vergebe dann Gott die Sünden aller der Seelen, die
zum furchtbaren Erweis unsers Königlichen Titels, noch eh der
Abendthau fallen wird, in ihre ewige Wohnung geflohen seyn werden!
König Philipp. Amen, Amen!--Zu Pferde, ihr Ritter, zu den Waffen!
Faulconbridge. Sanct Georg, der den Lindwurm trillte, und seither
immer zu Pferd vor meiner Wirthin Thüre sizt, helf uns aus diesem
Handel!
(Zu Östreich.)
Kerl, wär ich daheim in eurer Höle, Kerl, bey eurer Löwin, ich wollt
euch einen Ochsen-Kopf auf eure Löwenhaut sezen, und ein Ungeheuer
aus euch machen.
Östreich. Still, nichts mehr!
Faulconbridge. O zittre, du hörst den Löwen brüllen.
König Johann (zu Faulconbridge.) Wir wollen weiter in die Ebne
vorrüken, um unsre Regimenter besser ausbreiten und stellen zu
können.
Faulconbridge. So macht fein geschwinde, daß ihr den Vortheil des
Plazes gewinnt.
König Philipp (zu Östreich, mit dem er vorher leise gesprochen.) Gut;
die übrigen laßt auf dem andern Hügel sich sezen. Gott und unser
Recht!
(Sie gehen ab.)

Vierte Scene. (Man blaßt zum Angriff; beyde Armeen werden
handgemein, Gefecht; endlich tritt der Herold von Frankreich mit
Trompeten vor das Stadt- Thor.)
Französischer Herold. Ihr Männer von Angiers, öffnet eure Thore weit,
und laßt den jungen Arthur, Herzog von Bretagne, ein, der durch
Frankreichs Hand an diesem Tag manchen Englischen Müttern Stoff zu
Thränen gegeben hat; ihre Söhne ligen auf dem blutigen Grunde
verzettelt, und mancher Wittwe Mann krümmt sich im Staub, und
umfaßt mit kalten Armen die blutgefärbte Erde; indeß daß der
wohlfeil-erkaufte Sieg um die tanzenden Paniere der Franzosen scherzt,
die in triumphierender Unordnung bey der Hand sind, als Sieger
einzuziehen, und Arthur von Bretagne zu Englands und euerm König
auszuruffen.
(Ein Englischer Herold tritt mit Trompeten auf.)
Englischer Herold. Freuet euch, ihr Männer von Angiers, läutet eure
Gloken; König Johann, euer und Englands König, ist im Anzug, als
Meister von diesem heissen blutigen Tage. Die Rüstungen derer, die
diesen Morgen in so hellem Silberglanz vor euch vorbeyzogen, kehren
alle in Französischem Blute vergüldet zurük; nicht ein einziger
Federbusch, der auf einem Englischen Helme winkte, ist von einem
Französischen Speer abgeschlagen worden; unsre Fahnen kommen in
den nemlichen Händen wieder, die sie entfalteten als wir auszogen, und
gleich einem lustigen Truppen Jäger, kommen unsre frölichen
Engländer, alle mit bepurpurten Händen zurük, in dem Lebensblut ihrer
sterbenden Feinde gefärbt. Öffnet eure Thore, und laßt die Sieger
einziehen.
Bürger. Ihr Herolde, wir haben von unsern Thürmen euerm ganzen
Gefecht, vom Angriff bis zum Abzug zusehen können; unsre schärfsten
Augen haben keinen Vorzug oder Vortheil auf einen von beyden
Partheyen entdeken können; Blut hat Blut erkauft, und Streiche haben
Streichen geantwortet; Stärke, Muth, Dapferkeit und Glük waren auf
beyden Seiten gleich. So sind auch wir gegen beyde, bis einer der
Grösseste bleibt; so lange sie so im Gleichgewicht stehen, halten wir
unsre Stadt für keinen, sondern für beyde.

Fünfte Scene. (Die beyden Könige mit ihrem Heer treten auf
verschiednen Seiten auf.)

König Johann. Frankreich, hast du noch mehr Blut wegzuwerfen?
Sprich, willt du dem Strom unsers Rechts seinen friedfertigen Lauf
lassen; oder soll er von dir gestört, aus seinem natürlichen Canal
hervorschwellen, und deine angrenzenden Ufer überströmen?
König Philipp. England, du hast in diesem hizigen Wettkampf nicht
einen einzigen Tropfen Bluts mehr zurükgebracht als wir; eher hast du
mehr verlohren.
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