Gebirgspanorama. 
So großartig und erhebend war der Anblick, daß sie wie aus einem 
Mund riefen: "Da bleiben wir, o da gehen wir nicht so schnell wieder 
herunter!" 
Und so kam es auch. Als einzige Gäste der munteren Sennerin, die 
allein die Hütte bewirtschaftete, brachten sie zwei Tage in der stillen, 
friedlichen Bergeinsamkeit zu. Nichts war zu sehen, als die erhabene 
Gebirgswelt, nichts zu hören von dem, was tief unter ihnen die 
Menschen in ihren Städten beschäftigte. 
Am dritten Tag umwölkte sich der Himmel, die hohen Berge waren 
verhüllt, das erleichterte den Abschied. Mutter und Kinder traten den 
Heimweg an, und hochbefriedigt von diesem ersten Ausflug planten sie 
weitere für die nächsten Wochen. 
Als gegen Abend in der Ferne das Dörfchen erschien, freuten sie sich 
doch wieder auf dieses Heim. Endlich mußten ja auch Nachrichten 
eingetroffen sein von den Lieben, die so weit zerstreut waren. Wie oft 
hatten sie sie herbeigewünscht, fast am meisten den siebzehnjährigen
Philipp, den lustigen Jungen, der nach Hinterrohrbach verbannt war 
und arbeiten sollte, während sie durch die herrliche Gebirgswelt 
streiften. Nun kamen sie am ersten Häuschen vorbei; unter der Türe 
standen der Bauer, seine Frau und die Kinder und vor ihnen zwei 
Burschen, jeder mit einem Militärkoffer in der Hand. Sie hatten 
voneinander Abschied genommen. "B'hüt Gott, b'hüt Gott, kommt 
g'sund wieder," riefen ihnen die Dorfbewohner nach. Der eine der 
Burschen wandte sich noch einmal um und rief fröhlich zurück: "Eine 
jede Kugel, die trifft ja nicht!" 
"Hast du gehört, Mutter?" rief Karl, "die ziehen in den Krieg!" 
"Ja, offenbar," sagte die Mutter, "aber es hieß doch, die Tiroler müßten 
nicht einrücken. Bloß die Regimenter an der Grenze sollten gegen 
Serbien ziehen." 
Sie gingen weiter, kamen wieder an einem Haus vorbei, an dem eine 
Gruppe von Leuten beisammen stand, die lebhaft miteinander sprachen. 
Im Vorbeigehen hörten sie sagen: "In Kufstein ist es schon vorgestern 
angeschlagen gewesen." 
"Was denn?" fragte Frau Lißmann und trat zu den Leuten. 
"Daß die Russen den Krieg erklärt haben." 
"Nein, wirklich?" sagte Frau Lißmann zweifelnd; "es wird ein falscher 
Lärm sein." 
Nun redeten alle zusammen: "Gestern ist's bekannt gemacht worden: 
Allgemeine Mobilmachung.--Es geht nicht nur gegen die Serben, nein 
auch gegen die Russen; die stecken dahinter. Ja, jetzt wird's ernst." 
Ein Mädchen stand dabei, das schlug die Schürze vor die Augen und 
ging weinend ins Haus zurück. Ihre Eltern sahen ihr nach: "Es ist hart 
für sie, am Sonntag hätte die Hochzeit sein sollen, nun muß er in den 
Krieg." 
Frau Lißmann konnte kaum glauben, was sie hörte. "Kommt, Kinder,
kommt heim; vielleicht ist ein Brief da oder eine Zeitung, ich habe 
noch keine gesehen, seit wir hier sind; es wäre ja schrecklich, wenn 
dies alles wahr wäre!" 
Sie eilten; wenn sie nur irgend eine Nachricht vorfänden! Als sie sich 
dem Häuschen näherten, kam ihnen die Bäuerin schon entgegen: "Küß 
die Hand, gnä' Frau! Gottlob, daß Sie da sind! Wir haben alleweil nach 
Ihnen ausgeschaut. Daß Sie nur nicht erschrecken: zweimal ist der 
Telegraphenbote da gewesen. Zwei Telegramme hat er für Sie gebracht. 
Es wird halt alles wegen dem Krieg sein. Droben auf dem Tisch liegt 
alles beisammen." 
Nun eilten sie die Treppe hinauf. Telegramme, Zeitungen, einen ganzen 
Pack, fanden sie vor. Das erste Telegramm, das Frau Lißmann öffnete, 
kam von dem Lehrer in Hinterrohrbach und lautete: "Bin einberufen, 
muß Philipp heimschicken." Die Mutter und die Geschwister waren 
bestürzt! Heimschicken! Das Heim war ja verschlossen! 
Nun das zweite Telegramm, das kam vom ältesten Sohn Ludwig, von 
dem Einjährigen: "Unser Regiment kommt an die französische Grenze! 
Ich komme noch für einen Tag nach Hause." 
Ja, war denn nicht nur mit Serbien und Rußland Krieg? Und nicht nur 
Österreich, auch Deutschland machte mobil? "Die Zeitungen her, 
Kinder!" Sie griffen alle drei gierig danach; da stand es ja in großen 
Buchstaben über das ganze Blatt: Krieg mit Rußland! Krieg mit 
Frankreich! Entsetzt stand Frau Lißmann. Krieg nach beiden Seiten! 
Und vom Vater, der eben nach Paris gereist war, von ihm keine 
Nachricht? Und der älteste Sohn mußte sofort mit in den Krieg! Und 
der jüngere, wo trieb der sich herum? 
Einen Augenblick stand sie wie niederschmettert von all diesen 
Nachrichten, die so viel Sorgen auf einmal brachten; und auch die 
Kinder verstummten. Krieg! Das war etwas, von dem man nur in der 
Geschichtsstunde gehört hatte, und nun trat das plötzlich herein, ins 
eigene Leben, in die Familie! Die Mutter raffte sich auf: "Kinder, wir 
müssen heimreisen so rasch wie möglich!"--"Ja, Mutter, schnell, 
schnell," rief Lisbeth ängstlich. "Die Brüder können ja gar nicht ins
Haus herein!" Karl war nicht so schnell gefaßt. "Jetzt sollen wir schon 
wieder abreisen? Einen einzigen Spaziergang haben wir erst gemacht! 
Können wir nicht wenigstens morgen noch an den Schwarzsee? Kommt 
es denn auf einen Tag an?" 
Aber die Mutter antwortete darauf kaum. Sie faßte sich mit beiden 
Händen an den Kopf, alle Gedanken mußte    
    
		
	
	
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