wußte nicht von 
sich, und ihm war so zumute, daß er sich hätte ein Leid antun können 
von wegen seiner Tochter und von wegen des Schimpfes, den sie auf 
das ganze königliche Haus gebracht hatte. Und als er sich besann und 
wieder zu sich kam und die ganze Schande bedachte, worein er geraten 
war durch seine Tochter, da ergrimmte er in seinem Herzen, und er ließ 
die schöne Svanvithe holen und schlug sie hart und zerraufte ihr Haar 
und stieß sie dann von sich und befahl seinen Dienern, daß sie sie 
hinausführten in ein verborgenes Gemach, daß seine Augen sie nimmer 
wiedersähen. Darauf ließ er in einen mit dichten Mauern 
eingeschlossenen und mit dunklen Bäumen beschatteten Garten hinter 
seinem Schlosse einen düstern Turm bauen, wo weder Sonne noch 
Mond hineinschien, da sperrte er die Prinzessin ein. Der Turm, den er 
hatte bauen lassen, war aber fest und dicht und hatte nur ein einziges 
kleines Loch in der Türe, wodurch ein wenig Licht hineinfiel und 
wodurch der Prinzessin die Speise gereicht ward. Es war auch weder 
Bett noch Tisch oder Bank in dem traurigen Gefängnis; auf harter Erde 
mußte die liegen, die sonst auf Sammet und Seiden geschlafen hatte, 
und barfuß mußte die gehen, die sonst in goldenen Schuhen geprangt 
hatte. Und Svanvithe hätte sterben müssen vor Jammer, wenn sie nicht 
gewußt hätte, daß sie unschuldig war, und wenn sie nicht zu Gott hätte 
beten können. Sie aber war ein sehr junges Kind, als sie eingesperrt 
ward, erst sechzehn Jahre alt, schön wie eine Rose und schlank und 
weiß wie eine Lilie, und die Menschen, die sie liebhatten, nannten sie 
nicht anders als des Königs Lilienstengelein. Und dieses süße 
Lilienstengelein sollte so jämmerlich verwelken in der kalten und 
einsamen Finsternis. 
Und sie hatte wohl drei Jahre so gesessen zwischen den kalten Steinen, 
und auch der alte König war nicht mehr froh gewesen seit jenem Tage, 
als der polnische Prinz sie in die große Schande gebracht hatte, sondern 
sein Kopf war schneeweiß geworden vor Gram wie der Kopf einer 
Taube; aber vor den Leuten gebärdete er sich stolz und aufgerichtet und 
tat, als wenn seine Tochter tot und lange begraben wäre. Sie aber saß
von der Welt ungewußt in ihrem Elende und tröstete sich allein Gottes 
und dachte, daß er ihre Unschuld wohl einmal an den Tag bringen 
würde. Weil sie aber in ihren einsamen Trauerstunden Zeit genug hatte, 
hin und her zu denken, so fiel ihr die Sache ein von dem Königsschatze 
unter dem Garzer Walle, die sie in ihrer Kindheit oft gehört hatte, und 
sie gedachte damit ihre Unschuld, und daß der polnische Prinz sie unter 
einem falschen Schein schändlich belogen hatte, sonnenklar zu 
beweisen. Und als darauf ihr Wächter kam und ihr die Speise durch das 
Loch reichte, sprach sie zu ihm: "Lieber Wächter, gehe zu dem Könige, 
meinem und deinem Herrn, und sage ihm, daß seine arme einzige 
Tochter ihn nur noch ein einziges Mal zu sehen und zu sprechen 
wünscht in ihrem Leben und daß er ihr diese letzte Gunst nicht 
versagen mag." 
Und der Wächter sagte ja und lief und dachte bei sich: "Wenn der alte 
König ihre Bitte nur erhört!" Denn es jammerte ihn die arme Prinzessin 
unaussprechlich, und sie jammerte alle Menschen; denn sie war immer 
freundlich gewesen gegen jedermann, auch hatten die meisten von 
Anfang an geglaubt, daß sie fälschlich verklagt war und daß der 
polnische Prinz einen argen Lügenschein auf sie gebracht hatte; denn 
sie hatte sich immer aller Zucht und Jungfräulichkeit beflissen vor 
jedermann. 
Und als ihr Wächter vor den König trat und ihm die Bitte der 
Prinzessin anbrachte, da war der alte Herr sehr zornig und schalt ihn 
und drohete ihm, ihn selbst in den Turm zu werfen, wenn er den Namen 
der Prinzessin vor ihm je wieder über seine Lippen laufen lasse. Und 
der erschrockene Wächter ging weg. Der König aber legte sich hin und 
schlief ein. Da soll er einen wunderbaren Traum gehabt haben, den kein 
Mensch zu deuten verstanden hat, und er ist früh erwacht und sehr 
unruhig gewesen und hat viel an seine Tochter denken müssen, bis er 
zuletzt befohlen hat, daß man sie aus dem Turm heraufbrächte und vor 
ihn führte. 
Als Svanvithe nun vor den König trat, war sie bleich und mager, auch 
waren ihre Kleider und Schuhe schon abgerissen, und sie stand fast 
nackt und barfuß da und sah einer Bettlertochter ähnlicher als einer
Königstochter. Und der alte König ist bei ihrem Anblick blaß geworden 
vor Jammer wie der Kalk an der Wand, aber sonst hat er sich nichts 
merken lassen. Und Svanvithe hat sich vor ihm verneigt und also zu 
ihm gesprochen: 
"Mein König und Herr! Ich erscheine nur als eine arme Sünderin vor 
dir, als eine, die an der göttlichen Gnade und an dem Lichte des 
Himmels kein Recht mehr haben soll. Also    
    
		
	
	
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