der anderen Seite daher. Sie traten alle 
miteinander ein, und bald nachher kam auch der Lehrer. Der war ein 
alter Mann mit dünnen, grauen Haaren, denn er war schon undenklich 
lang Lehrer gewesen, so daß ihm darüber die Haare grau geworden und 
ausgefallen waren. Es ging nun an ein strenges Buchstabieren und 
Syllabieren, dann kam das Einmaleins an die Reihe und zuletzt kam der 
Gesang. Da holte der Lehrer seine alte Geige hervor und stimmte sie, 
und nun ging es an und alle sangen aus voller Kehle: 
»Ihr Schäflein hinunter Von sonniger Höh'«,
und der Lehrer geigte dazu. 
Nun schaute aber der Rico so gespannt auf die Geige und des Lehrers 
Finger, wie dieser die Saiten griff, daß Rico darüber ganz das Singen 
vergaß und keinen Ton mehr von sich gab. Jetzt fiel mit einem Male 
die ganze Sängerherde einen halben Ton hinunter, da wurde die Geige 
auch unsicher und fiel nach, und die Sänger fielen noch tiefer, und man 
kann gar nicht wissen, wie tief hinunter alles miteinander gefallen wäre, 
-- aber jetzt warf der Lehrer die Geige auf den Tisch und rief erzürnt: 
»Was ist das für ein Gesang! Ihr unvernünftigen Schreier! Wenn ich 
doch wissen könnte, wer mir so falsch singt und einen ganzen Gesang 
verdirbt!« 
Da sagte ein kleiner Bube, der neben Rico saß: »Ich weiß schon, 
warum es so gegangen ist; allemal geht es so, wenn der Rico aufhört zu 
singen.« 
Dem Lehrer war es selbst nicht so ganz unbekannt, daß die Geige am 
sichersten ging, wenn Rico fest mitsang. 
»Rico, Rico, was muß ich hören«, sagte er ernsthaft, zu diesem 
gewandt. »Du bist sonst ein ordentliches Büblein, aber Unachtsamkeit 
ist ein großer Fehler, das hast du jetzt gesehen. Ein einziger 
unachtsamer Schüler kann einen ganzen Gesang verderben. Jetzt 
wollen wir noch einmal anfangen, und daß du aufpassest, Rico!« 
Nun setzte Rico mit fester, klarer Stimme ein, und die Geige folgte 
nach, und alle Kinder sangen aus allen Kräften mit, so daß es ganz 
herrlich anzuhören war bis zum Schluß. Da war der Lehrer sehr 
zufrieden und rieb sich die Hände und tat noch ein paar feste Striche 
auf der Geige und sagte vergnüglich: »Es ist auch ein Instrument 
danach.« 
 
Drittes Kapitel. 
Des alten Schullehrers Geige.
Vor der Tür hatten sich Stineli und Rico bald aus dem Rudel 
herausgemacht und zogen zusammen ihren Weg. 
»Hast du vor lauter Staunen nicht mehr mitgesungen, Rico?« fragte 
jetzt Stineli. »Ist dir etwa auf einmal der See in den Sinn gekommen?« 
»Nein, etwas anderes«, sagte Rico; »ich weiß jetzt, wie man spielt: 'Ihr 
Schäflein hinunter'. Wenn ich nur eine Geige hätte!« 
Der Wunsch mußte Rico schwer auf dem Herzen liegen, denn er kam 
mit einem tiefen Seufzer heraus. Stineli war gleich ganz voller 
Teilnahme und unternehmender Gedanken. 
»Wir wollen eine kaufen zusammen«, rief es plötzlich in großer Freude 
über die Hilfe, die ihm in den Sinn gekommen war. »Ich habe ganz 
viele Blutzger von der Großmutter, etwa zwölf; wie viele hast du?« 
»Gar keinen«, sagte Rico traurig; »der Vater hat mir ein paar gegeben, 
ehe er fortging. Aber die Base hat gesagt, ich mache nur unnützes Zeug 
damit, und hat sie genommen und ganz hoch hinauf in den Kasten 
gelegt; man kann sie nicht mehr erlangen.« 
Aber Stineli ließ sich nicht so bald entmutigen. »Vielleicht haben wir 
doch genug Geld, und die Großmutter gibt mir schon noch ein wenig«, 
sagte es tröstend; »weißt du, Rico, eine Geige kostet nicht so viel; es ist 
nur altes Holz und vier Saiten darüber gespannt, das kostet nicht viel. 
Du mußt nur morgen den Lehrer fragen, was eine Geige kostet, und 
nachher suchen wir eine.« 
So blieb es ausgemacht, und Stineli dachte, es wolle daheim tun, was es 
nur könne, und ganz früh aufstehen und das Feuer anmachen, eh' nur 
die Mutter auf sei; denn wenn es so immerfort etwas tat von früh bis 
spät, steckte ihm gewöhnlich die Großmutter einen Blutzger in den 
Sack. 
Am folgenden Morgen, als die Schule aus war, ging Stineli allein 
hinaus und an der Ecke vom Schulhaus stand es still hinter dem 
Holzhaufen und wartete auf den Rico, der jetzt den Lehrer fragen sollte
wegen der Geige. Er kam lange nicht heraus, und Stineli guckte immer 
wieder mit Ungeduld hinter dem Holze hervor, aber es waren nur die 
anderen Buben, die noch da und dort herumstanden. Aber jetzt -- 
richtig, Rico kam um den Holzhaufen herum. Da war er. 
»Was hat er gesagt, was kostet sie?« rief Stineli mit angehaltenem 
Atem vor Erwartung. 
»Ich habe nicht fragen mögen«, antwortete Rico verzagt. 
»O, wie schade!« sagte Stineli und stand ganz verblüfft da, aber nicht 
lange. »Es ist gleich, Rico«, sagte es wieder fröhlich und nahm ihn bei 
der Hand zum Heimgehen, »du kannst nur morgen fragen. Ich habe 
auch schon wieder einen Blutzger bekommen heute früh von der 
Großmutter, weil    
    
		
	
	
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