das aber in einer Weise, die keinerlei Absichtlichkeit 
durchschimmern ließ; sie behandelte die Dinge als etwas naturgemäß 
zu ihr gehöriges. Aber es ging aus allem hervor, daß sie Umgang und 
Beziehungen zu solchen Personen über alles stellte, daß das Leben in 
diesen Kreisen mit dem Interesse für Toilette, Korsos, Jagden, Pferde 
und geräuschvolle Geselligkeiten ihr Eldorado war. Und dieses 
Hervorkehren und dieses Wertlegen auf Dinge, die Axel als 
minderwertige ansah, reizte ihn und verführte ihn zu starkem 
Widerspruch. 
"Was Sie besonders anzuziehen scheint, Komtesse, stößt mich geradezu 
ab--" warf er, herabsetzend im Tone, hin. 
Und mit einem "So, so! Ja, der Geschmack ist eben ein 
verschiedener--" antwortete sie darauf. 
Statt daß Lucile, wie Axel erwartet hatte, ein Erstaunen darüber an den 
Tag legte, daß er, der doch zu diesem Kreise gehörte, einen solchen 
abweichenden Geschmack bekundete, schien sie das hinzunehmen, wie 
das Zwitschern eines Vögelchens, das über ihnen in den Zweigen 
huschte. 
Sie rechnete mit dem, was einmal vorhanden war; sie entwickelte 
keinen Eifer darüber, daß es mit ihren Neigungen nicht übereinstimmte.
Während sie sich eben wieder dem Schloß näherten, in dem sie ein 
Waffenzimmer besichtigen wollten, von dem beim Frühstück die Rede 
gewesen war, sagte er: 
"Sie ziehen also wohl jedenfalls die Stadt dem Lande vor. Sie finden 
wahrscheinlich gar keinen Geschmack an dem einförmig-stillen Leben 
auf Rankholm, Komtesse?" 
Statt einzutreten--eben hatten sie eine Pforte im Souterrain erreicht, 
durch die man von hinten ins Schloß gelangen konnte--blieb sie stehen, 
richtete den Blick geradeaus und sagte, zunächst durch eine 
Kopfbewegung seinen Worten begegnend: 
"Nein, ich bin hier sehr gern. Im Sommer ist mir die Stadt nichts. 
Aber--ich spreche offen--ich finde die Personen hier wenig anziehend. 
Wäre nicht mein Vater--" Sie hielt inne und während sie die Lippen 
schloß, reckte sie den schlanken Hals rückwärts, wie jemand, der einer 
starken Empfindung Herr zu werden versucht. 
Nun wurde Axel aufmerksam. 
Scheinbar arglos sprechend, fiel er ein: 
"Ja, Ihre Eltern, Ihr Herr Papa, Ihre Frau Mama, die müssen jedermann 
fesseln!" 
"Meine Mutter--?" Lucile zog die Schultern, und in ihren Zügen 
erschien ein eigentümlicher Ausdruck. Doch sprach sie nicht aus, was 
sie dachte, und offenbar empfand sie Reue, daß sie sich so weit 
vergessen hatte. 
Auch suchte sie den von ihr hervorgerufenen Eindruck rasch wieder zu 
verwischen, indem sie sagte: 
"Ich wollte betonen, daß ich mit meinem Vater besser hamoniere als 
mit Mama und Imgjor"--Und plötzlich abschweifend: 
"Wie finden Sie Imgjor?"
"Bezaubernd!" 
"So--!? Ja, das ist ein Mädchen, um das alle Männer werben. Es 
geschieht, weil sie ihnen nicht einen Finger giebt. Solche strecken 
ganze Scharen zu ihren Füßen." 
Dann schwieg sie. Als sie aber oben in das Waffenzimmer getreten 
waren und sich hier, nach Besichtigung der Gegenstände, noch einmal 
niedergelassen hatten, sagte Lucile Lavard: 
"Ich gehe gern hier hinauf, weil meine Vorstellungen rege werden. Ich 
wollte, ich hätte damals leben können, als noch Rankholm der 
Mittelpunkt der vornehmen Welt war, als noch unsere Vorfahren 
Gesandte, Staatsminister und Feldmarschälle waren, als sie die 
Herrscher Dänemarks wochenlang zum Besuch bei sich sahen!" 
"Sie sind offenbar sehr ehrgeizig, Komtesse!--Sie sind aus dem alten 
Lavardschen Blut." 
"Ja, ich bin ehrgeizig, Sie haben recht, Graf Dehn! Ich leugne es nicht. 
Ich lege Wert auf meinen Stamm, auf unser Ansehen und unsern 
Reichtum. Ich bin aber--" hier lächelte Lucile Lavard mit einem 
liebenswürdig anschmiegenden Lächeln--"durchaus nicht so äußerlich, 
wie Sie glauben mögen. Ja, ja, ich hab's schon bemerkt, Herr Graf, daß 
Sie mich recht abfällig beurteilen.--Lassen Sie mich Ihnen sagen, wie 
ich denke! Ich wünsche mich auszusprechen, da ich Sie bereits zu uns 
zähle: Ich überhebe mich über niemanden, das wäre eine 
Beschränktheit. Gott gab mir objektiven Verstand. Aber ich leugne 
nicht, daß ich, je höher die Verfeinerung der Sitten und je vornehmer, 
sorgloser die Lebensverhältnisse sind, um so größeren Geschmack an 
den Menschen und Verhältnissen finde. Das Leben mit den 
gesellschaftlich Auserwählten ist mir Bedürfnis, ich teile durchweg ihre 
Interessen und Neigungen. Freilich unterscheide ich stark. Der 
Oberflächlichkeit gehe ich möglichst aus dem Wege; die Männer, die 
unthätig nur in den Tag hinein leben, verabscheue ich. Finde ich 
Verstand, Streben, Geist und wahrhaft kavaliermäßige Eigenschaften, 
so suche ich eine Annäherung. Mein Ziel ist das Bündnis mit einem 
Mitglied der höchsten Stände. Eine Lavard hat das Recht, ihre Hand
nach einer Fürstenkrone auszustrecken. Und wenn ich das erreicht habe, 
so will ich mir Beachtung erwerben durch die Pflege der Künste und 
Wissenschaften, durch Wohlthun, durch die Förderung alles dessen, 
was im wahren Sinne wertvoll und sittlich ist. So denke ich mir mein 
künftiges Leben, dahin geht mein Ehrgeiz." 
Axel hatte ihr aufmerksam zugehört, und so sehr wuchs durch die 
Verminderung seiner Vorurteile ihre Persönlichkeit in seinen Augen, 
daß er sich zu einer eifersüchtigen Regung fortreißen ließ. 
"Wahrlich, ich bewundere Sie, Komtesse!" stieß er heraus. "Aber ich 
empfinde einen starken Schmerz um die, welche mit keiner Krone im 
Wappen zur Welt kamen und    
    
		
	
	
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