Gespenster | Page 2

Henrik Ibsen
meiner Arbeit da unten im Schulhause fertig, und dann fahre ich
noch diese Nacht mit dem Dampfschiff in die Stadt und nach Hause.
=Regine= (murmelt). Glückliche Reise!
=Engstrand.= Dank dir, mein Kind. -- Morgen soll ja das Asyl
eingeweiht werden, und da wird es wahrscheinlich berauschende
Getränke in Hülle und Fülle geben, siehst du. Und niemand soll Jacob
Engstrand nachsagen, daß er nicht widerstehen kann, wenn die
Versuchung kommt.
=Regine.= O ho!
=Engstrand.= Ja, denn morgen kommen hier eine Menge feiner Leute
zusammen. Pastor Manders wird ja auch aus der Stadt erwartet.
=Regine.= Er kommt schon heute.
=Engstrand.= Da siehst du's also. Und nun wirst du auch wohl
begreifen, daß ich ihm keine Ursache geben will, mir etwas
nachzureden.
=Regine.= S o liegen die Dinge also!
=Engstrand.= W a s liegt?
=Regine= (sieht ihn fest an). Wozu willst du Pastor Manders jetzt
schon wieder verleiten?
=Engstrand.= Stille! Stille! Bist du verrückt? Wozu i c h Pastor
Manders verleiten will? O nein, d a z u ist Pastor Manders viel zu gütig
gegen mich gewesen. -- Aber siehst du, ich wollte mit dir darüber
sprechen, daß ich nun diese Nacht wieder nach Hause reise.

=Regine.= Meinetwegen. Je früher, je besser.
=Engstrand.= Ja, aber ich will dich mit haben, Regine.
=Regine= (mit offenem Munde). Mich mit haben -- --? W a s sagst du?
=Engstrand.= Ich sage, daß ich dich mit nach Hause haben will.
=Regine= (höhnisch). Nie und nimmer bekommst du mich nach Hause!
=Engstrand.= O, das werden wir doch sehen!
=Regine.= Ja; du kannst sicher sein, daß wir das sehen werden. I c h,
die ich bei der Kammerherrin Alving aufgewachsen bin? -- Ich, die ich
hier beinahe wie das Kind vom Hause gehalten worden bin? I c h sollte
mit d i r nach Hause gehen? In ein s o l c h e s Heim? Pfui!
=Engstrand.= Was zum Teufel ist d a s? Widersetzest du dich deinem
Vater, Mädchen?
=Regine= (murmelt, ohne ihn anzublicken). Du hast oft genug gesagt,
daß ich dich nichts angehe.
=Engstrand.= Bah; was kümmert dich d a s?
=Regine.= Hast du mich nicht gar manches liebe Mal beschimpft und
gesagt, ich sei ein --? Pfui!
=Engstrand.= Nein, nein, solch häßliches Wort habe ich niemals
gebraucht.
=Regine.= O, ich weiß noch, welches Wort du gebraucht hast.
=Engstrand.= Ja, hm! Das war aber nur, wenn ich berauscht war. Und
es giebt so viele Versuchungen auf dieser Welt, Regine.
=Regine.= Mir graut.
=Engstrand.= Und dann geschah es auch immer nur, wenn deine Mutter

mürrisch war. Irgend etwas mußte ich doch auch haben, um sie zu
ärgern, mein Kind. Sie wollte immer so fein thun. (Nachahmend.) »Laß
mich, Engstrand! Laß mich in Frieden! Ich habe drei Jahre bei
Kammerherr Alvings auf Rosenvold gedient, ich!« (Lacht.) Gott
bewahre! Sie konnte niemals vergessen, daß der Hauptmann
Kammerherr wurde während sie hier diente.
=Regine.= Arme Mutter! -- S i e hast du früh genug zu Tode gepeinigt.
=Engstrand= (sich aufrichtend). Ja, das versteht sich! Ich bin ja immer
an a l l e m Schuld.
=Regine= (wendet sich ab, halblaut). Ah! -- Und dann das Bein!
=Engstrand.= Was sagst du, mein Kind?
=Regine.= Pied de mouton.
=Engstrand.= Ist das englisch?
=Regine.= Ja.
=Engstrand=. Ja, ja; Unterricht hast du hier draußen genossen, und das
kann uns jetzt gut zu Statten kommen, Regine.
=Regine= (nach kurzem Schweigen). Und was hast du denn für
Absichten mit mir in der Stadt?
=Engstrand.= Kannst du noch fragen, was ein Vater mit seinem
einzigen Kinde will? Bin ich nicht ein einsamer und verlassener
Witwer?
=Regine.= O, mir komm' nur nicht mit solchem Gewäsch. W e s h a l b
willst du mich durchaus hinein haben?
=Engstrand.= Ja; du mußt nämlich wissen, daß ich es mit etwas Neuem
versuchen will.
=Regine.= Das hast du schon oft genug versucht; aber es ging immer

schief.
=Engstrand.= Nun ja; aber dies Mal sollst du staunen, Regine! -- Der
Teufel soll mich holen -- --
=Regine= (stampft mit dem Fuße). Laß das Fluchen!
=Engstrand.= Still, still! Darin hast du Recht, mein Kind! -- Ich wollte
dir also erzählen, daß ich bei der Arbeit an diesem neuen Asyl etwas
Geld auf die Seite gelegt habe.
=Regine.= Wirklich? Nun, das ist ja ein Glück für dich.
=Engstrand.= Wofür kann man denn auch hier auf dem Lande sein
Geld ausgeben?
=Regine.= Nun, und weiter?
=Engstrand.= Ja, siehst du, da habe ich mir nun so gedacht, das Geld in
etwas Lohnendem anzulegen. So eine Art Wirthshaus für Seeleute -- --
=Regine.= Ach, pfui!
=Engstrand.= Ein f e i n e s Wirthshaus, verstehst du; nicht solch eine
Spelunke für Matrosen. Nein, Tod und Teufel, -- das soll für
Schiffskapitäne und Steuermänner und -- -- und andere feine Leute sein;
begreifst du?
=Regine.= Und was sollte ich dabei -- -- -- --?
=Engstrand.= Du solltest dabei helfen, ja.
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