waren tannenschlank gewachsen, 
lebhaft, ausgelassen, aber doch voll Herzensgüte und schüchtern gegen 
Fremde. Wenn sie bisweilen mit ihren vornehmen Gesichtern so scheu 
dreinblickten, ward man unwillkürlich an die Söhne Eduards erinnert. 
Die kleine Ange war das Ebenbild der Mutter, nur erschien sie fast 
noch graziöser. Eine Elfengestalt, dabei träumerisch, für sich, und mit 
jenem vorwurfsvoll-ernsten Ausblick, der zögern läßt, sich solchen 
Kindern zu nähern. 
Nach vier Wochen redete man in C. von nichts anderem als von dem 
Grafen Clairefort und seiner schönen Gemahlin. Die bösen Reden 
waren verstummt, nachdem man sie ein einiges Mal gesehen hatte. Der 
Graf entsprach dem Bilde, das man sich von ihm gemacht hatte. Er war 
nur noch zurückhaltender, als er geschildert ward. Man fand einen 
äußerst aristokratischen, wortkargen, aber im Verkehr mit den feinsten 
Manieren ausstatteten Mann, der es mit seinen militärischen 
Obliegenheiten so streng nahm, daß diese Strenge an Härte streifte. 
Natürlich zerbrach sich auch alle Welt den Kopf, wie wohl zwei so 
verschieden geartete Menschen miteinander lebten. Stärkere 
Gegensätze waren nicht denkbar. Er ein ernster, pedantischer, 
kränklicher Mann, dem sich zu nähern, Überwindung kostete, und der 
in seinen Gedanken, Anschauungen und Lebensgewohnheiten völlig 
von dem Durchschnitt der Menschen abwich. Sie dagegen ein frisches, 
gesundes, liebenswürdiges, ein naiv-kluges Geschöpf, mit einem
hinreißenden Temperament und einer nicht minder hinreißenden, ja 
gefährlichen Schönheit; dazu sorglos, ganz von dem Eindruck des 
Augenblicks beherrscht und oft spottend allen Regeln der 
eingebürgerten Sitte. 
Wenn sie etwas besonders anregte oder beschäftigte, wenn sie zum 
Beispiel ausreiten wollte, vergaß sie alles. Da gab's keine Innehaltung 
einer Zusage oder Verabredung. Da schwiegen alle gewöhnlichen 
häuslichen Pflichten, da verfingen nicht die strengen Mienen des 
Grafen. Sie flog ihm an den Hals und herzte ihn.--"Laß, laß, 
Schatz!--Sei gut, gieb mir meinen Willen.--Du weißt ja doch, daß Du 
mir nichts abschlägst.--Weshalb mich quälen?--Nein?--Du versagst mir 
die kleine Freude?--Dann küsse ich Dich niemals mehr auf Deine 
treuen Hände, auf Deinen verschwiegenen Mund!"--Und ehe er sich's 
versah, ehe er es hindern konnte, schlang sie sich zu ihm empor und 
liebkoste seine Wange. 
Oft mußten die Kinder helfen, diese wilden, zarten, sanftmütigen 
Geschöpfe in ihrem seltsamen Gemisch. Und sie thaten alles, was sie 
wünschte; immer nahmen sie für ihre Mama Partei und umringten den 
bleichen ernsten Mann, bis sich zuletzt ein Lächeln um den 
geschlossenen Mund stahl. Und dieses Lächeln war Zustimmung. 
"Wenn Du wüßtest, wie schön Du bist, wenn Du lächelst," sagte Ange 
oft: "warum bist Du doch immer so ernst, so bärbeißig, Lieber! Bin ich 
nicht um Dich, Ange Clairefort, geborene Butin, Herrin auf 
Schwarzensee und Dürenfort?" Dazu lachte sie und stolzierte, ihm 
Kußhände zuwerfend und hinter sich schauend, als ob sie ihre Schleppe 
betrachte, von dannen. Er neigte dann schwermütig das Haupt und zog 
sich in seine Gemächer zurück. Oft war's, als ob der strenge Soldat sich 
vor dem Kinderlärm und der ausgelassenen Unart seiner Umgebung 
flüchte, als ob jeder Nerv in ihm zucke, ihm Ruhe und Einsamkeit 
allein wohlthue. 
In der That hatten Claireforts schon viel Herzeleid erfahren. Sie 
verloren beide früh ihre Eltern und standen ohne Verwandte in der Welt. 
Des Rittmeisters Stammvorfahr, ein Franzose, war nach Deutschland 
übergesiedelt, um seiner Gemahlin, einer Rheinländerin, zu folgen, und
die Butins, wenn auch seit Menschengedenken in deutschen Gauen 
ansässig, stammten ebenfalls aus französischem Blut. Gerade als 
Clairefort um die alleinstehende, blutjunge Baronin von Butin anhielt, 
starb ihr bisheriger Vormund, und dies veranlaßte die später 
Mündigwerdende, die Gutsbesitzungen zu veräußern; den Erlös brachte 
sie ihrem Manne als Mitgift in die Ehe. 
Claireforts hatten ihre Besuche gemacht und empfingen solche. Es 
nahm sehr für sie ein, daß sie ihre Visiten nicht auf den vornehmeren 
und engeren Kreis beschränkten, in welchem die übrigen Familien 
verkehrten; sie gaben auch ihre Karten bei den angesehenen 
Einwohnern der Stadt ab und entzückten durch ihre Liebenswürdigkeit 
alle Welt, mit der sie in Berührung traten. Besonders lebhaft aber 
entwickelte sich der Verkehr zwischen den unverheirateten Offizieren 
der Garnison und den Neuangekommenen. Nach wenigen Wochen 
waren diese fast tägliche Gäste der Villa, in der stets ein 
Frühstückstisch bereit stand und in der man--auch 
unangemeldet--immer eine vortreffliche Tafel mit auserlesenen Weinen 
fand. Es vollzog sich dort alles wie durch Zauberhand geschaffen, und 
doch war Ange die denkbar schlechteste Hausfrau. 
Aber Ernst Tibet, der Kammerdiener, sorgte für alles. Dieser 
Haushofmeister war ein Mustermensch. So unruhig und wenig 
umsichtig, so ungleich und lebendig die Gräfin, ebenso ernst, besonnen 
und zuverlässig war Tibet, ein Mann mit angeborener Würde und 
höflicher Zuvorkommenheit zugleich. 
"Tibet, bester, goldener Tibet, was beginnen wir? Eben haben sich zehn 
Personen angesagt! Die Uhr ist zwei! Um fünf wollen wir speisen!" 
"Es wird alles nach Ihren Wünschen sein, Frau Gräfin," erwidert Tibet, 
verbeugt sich und geht seiner Arbeit nach. 
Und wenn Tibet das sagt, dann kann wohl eine kleine Welt einstürzen, 
aber wenn sie nicht einstürzt, ist alles auf die Minute, wie er 
versprochen. 
Seltsamerweise bekümmerte sich    
    
		
	
	
	Continue reading on your phone by scaning this QR Code
 
	 	
	
	
	    Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the 
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.
	    
	    
