Die Last

Georg Engel
Die Last, by Georg Engel

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Title: Die Last
Author: Georg Engel
Release Date: April 22, 2006 [EBook #18231]
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
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Die Last
Roman von Georg Engel
Ullstein & Co Berlin * Wien

Motto:
Nicht an einer Person hängen bleiben: und sei sie die geliebteste -- jede
Person ist ein Gefängnis, auch ein Winkel.
-- -- Nicht an einem Mitleiden hängen bleiben: und gälte es höheren
Menschen, in deren seltne Marter und Hilflosigkeit uns ein Zufall hat
blicken lassen.
Friedr. Nietzsche

Erstes Buch.
I.
Es war Tag geworden.
Noch immer rieselte der Regen und troff an den kleinen Fenstern der
Krankenstube herunter. Bleigraues Licht stahl sich zögernd durch die
Gardinen und mischte sich mit dem Schein der Lampe, die auch jetzt
noch vor dem Bette brannte.
Auf dem großen Bauerngutshof erwachte einiges Leben. Man hörte
zuweilen ein dumpfes Aufbrüllen der Kühe, und dazwischen das
vereinzelte Rufen der Knechte. Doch klang alles gedämpft, als fürchte
man, die Kranke zu stören.
Etwas Totes, Gedrücktes lag über dem Gehöft; und je mehr das trübe
Sonnenlicht vorrückte, in desto größere Lautlosigkeit verfiel das
Anwesen.
In dem weiten, zur ebenen Erde gelegenen Zimmer wurde ein
schwacher Ruf laut. Kränklich, hohl, gebrochen, ein wenig gereizt
klang er, aber so leise die Stimme auch flüsterte, sofort fuhr aus dem
ledernen Sessel neben dem Bette ein Mann von mächtiger, imposanter
Gestalt auf, rieb sich ein wenig die Augen, strich ein paarmal energisch

über seine dicken, kurzgeschorenen Haare und legte dann seine Finger
behutsam auf die Hand der leidenden Frau.
»Na, Elsing,« forschte er aufmunternd, wobei er seine Stimme soviel
als möglich herabdämpfte, »geht's ein bißchen besser?«
Statt einer Antwort rang die Angeredete die Hände und vergrub ihr
Antlitz in die Kissen: »Du lieber Gott,« stöhnte sie leise, und es war
beinahe, als ob aus dem weißen Linnen ein Schluchzen dränge.
Der Mann ließ seine Hand aufs Knie sinken und starrte auf den hellen,
sandbestreuten Estrich der Stube.
Plötzlich warf sich das junge Weib herum und forschte hastig: »Du bist
wohl eingeschlafen, Wilms?«
Seltsam, -- neidisch fast schien die Frage.
»Ja, ich bin ein wenig eingenickt,« gab der Gatte zu. Und wieder
konnte man leise Entschuldigung aus den Worten hören. »Ich sitz' ja
nun auch bald die vierte Nacht so,« murmelte er halb für sich.
Es wurde still.
Aus der Ecke nur tönte das schwere Tick-tack einer unförmlichen
Kastenuhr, und zuweilen knirschte der Sand unter dem Stiefel des
Mannes.
Die Leidende seufzte und schien die rechte Lage nicht finden zu
können. Endlich streckte sie sich und blickte in das trostlose Grau des
Regentages hinaus.
Welche Traurigkeit dort draußen und hier drinnen.
Gegen die Fenster stäubte der Regen, Hagelkörner schlugen scharf
gegen die Scheiben, und über die Wangen der Liegenden floß eine
Träne.
»Lösch' die Lampe aus, Wilms,« bat sie, »meine Augen -- es tut mir

weh.«
Er schraubte das Licht herunter, sofort sah es in der Stube noch fahler
aus.
»Armes Weib,« murmelte er, »armes Weib.« Er strich über ihre Haare
und richtete sich langsam auf. Dann schritt er zur Tür. -- Aber er sollte
nicht hinausgelangen.
»Wilms.«
Sein Weib hatte sich aufgerafft. »Du sollst nicht fort,« rief sie angstvoll,
»ich kann nicht allein bleiben -- mich friert, wenn du draußen bist!«
»Elsing -- unsere Wirtschaft leidet darunter -- ich muß --«
»Ja, ja -- die Wirtschaft -- immer die Wirtschaft,« stieß die Kranke
hervor und fiel erschöpft in ihre Kissen zurück, »und ich liege hier in
meinem Elend -- zwei Jahre -- zwei ganze Jahre schon, und keiner hilft
mir, keiner, zur Last falle ich jedem -- auch dir --«
»Elsing, ich --«
»Ja, auch dir,« fuhr sie atemlos fort, »ich merk' das sehr wohl -- du hast
nur Mitleid für mich -- nur Mitleid. Und wir haben uns doch aus Liebe
geheiratet.«
Er war zögernd an ihr Bett getreten und plötzlich umschlang sie seinen
Hals: »O Gott -- o Gott, ich bin wohl sehr häßlich geworden?« forschte
sie, am ganzen Leibe zitternd. »Nicht wahr, gesteh's nur ganz offen.«
»Elsing,« -- die Stimme des Mannes zitterte leicht. Er hatte sich auf den
Bettrand gesetzt und ließ ein paar Strähnen ihrer langen, blonden Haare
durch seine Finger gleiten. »Elsing,« beteuerte er dann, »für mich bist
du noch so schön, wie in der ersten Stunde -- sieh doch bloß deine
langen, weichen Flechten -- und der kleine Mund und die
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