etwas!« 
Meine Worte klangen, als ob sie vor ihr auf den Knien lägen, -- aber sie 
lächelte. 
»Nein, nie!« sagte sie bestimmt.
»Du willst nicht?« rief ich gekränkt und hart. 
»Nie!« 
Die Wut packte mich. Sie widersetzte sich diesem Wunsch, sie sträubte 
sich gegen dieses Geschenk, durch das ich mich ihr ganz zu eigen 
geben wollte? 
»Ich will es!« rief ich noch einmal. »Ich werde Dich zwingen!« 
»Ich hasse Dich!« schrie sie mir nun entgegen, während ihre Augen vor 
Zorn erglühten. »Ich verachte Dich! Ich liebe den Engländer!« 
Da hob ich die Reitpeitsche und ließ sie mit Wucht auf ihren schönen 
Rücken niedersausen. Sie stieß einen verängsteten Schrei aus, wobei sie 
wie ein Kind in sich zusammensank, und ihr Pferd ging durch. 
Ich sah, wie sie rasend fortjagte, und konnte nichts dagegen tun. Hallo, 
dachte ich, was wird das werden? Sie hielt sich eine Weile, dann 
merkte ich, die Kräfte verließen sie, sie taumelte hin und her und fiel 
schließlich zu Boden. Glücklicherweise blieb sie nicht im Bügel 
hängen, ich atmete auf. Das Pferd machte kurz darauf halt, sah sich 
verwundert um und sprang in kleinen Sätzen verlegen hin und her. 
Ich eilte herzu, stieg ab und hob Jamaica auf. Sie war kreideblaß und 
halb ohnmächtig. 
»Verzeih«, sagte ich; sie entgegnete nichts und sah mich nicht an. Sie 
atmete hastig und lehnte sich ein ganz klein wenig an mich, sehr 
ermattet. 
»Verzeih«, sagte ich nochmals. Schließlich gab ich ihr die Zügel 
meines Pferdes und ging hin, um das ihrige einzufangen. Es ließ sich 
ganz willig festnehmen; es war durchnäßt und dampfte wie ein 
Schornstein. Ich führte es zu Jamaica, diese hatte sich vor Schwäche in 
den Sand gekauert; da hockte sie, schön und blaß wie eine Perle, es sah 
rührend aus. Jetzt erhob sie sich, ich merkte, sie wollte das Pferd 
wieder besteigen.
»Hilf mir«, sagte sie. 
Ich half ihr in den Sattel und sprang dann selbst auf. 
»Ich reite allein nach Haus«, sagte sie tonlos. Ich wagte nichts zu 
erwidern. Im Schritt, ganz gebrochen, ritt sie am Meere entlang 
heimwärts, ein trauriges Bild. 
Ich trabte in die entgegengesetzte Richtung. Noch oft sah ich mich 
um, -- es war immer derselbe melancholische Anblick: in müdem 
Schritt trottete der dampfende Gaul dahin, die müde Jamaica über sich. 
Ich bog in die Wälder ein, kam an einem See, an Forsthäusern, an 
mehreren Dörfern vorüber und zögerte stundenlang, ehe ich heimritt. 
Als ich abends heimkam, war Jamaica fort, ohne ein Wort hinterlassen 
zu haben. Durch den Wirt erfuhr ich, daß auch der Engländer abgereist 
sei. Ich mußte lächeln, obwohl mir übel zumute war. Ich zündete mir 
eine Zigarre an, setzte mich auf die Balustrade der Veranda und sah 
lange aufs Meer, trotzig, allein, mit wirren, durcheinander stürmenden 
Gefühlen. 
Am nächsten Tage reiste ich auch, nicht nach Haus, sondern zu einem 
Freunde aufs Land. Wir saßen stundenlang, während die Sonne brannte, 
in einem Boot und angelten, schossen nach Raubvögeln, schwammen, 
ritten, sahen den Pfauen zu, wie sie auf der Wiese Rad schlugen und 
schrieen: Päo! Päo! -- und abends kamen der Förster und der Pastor des 
nächsten Dorfes, um mit uns zu zechen. 
Als ich nach Wochen braungebrannt wieder in der Stadt eintraf und in 
einer Droschke vom Bahnhof aus meiner Wohnung zustrebte, sah ich 
Jamaica an mir vorüberfahren, in einem reizenden Sommerkleid, das 
ich noch nicht kannte. Sie saß an der Seite des Engländers, ihr Gesicht 
war von unaussprechlicher Heiterkeit. Wie eine biegsame Blume des 
Südens saß sie da, aufrecht und stolz den schönen Rücken, den ich 
schlug. 
Lebwohl, Jamaica. Lebwohl.
Schloß Carnin 
Ich, Konrad Tedrahn, Kunstmaler von Beruf, erzähle eine Geschichte. 
Ich spiele eine traurige Rolle darin, dennoch erzähle ich sie. 
Ich war zu Gast bei dem Grafen Lockwitz auf Schloß Carnin. Das 
Schloß ist ein altes Herrenhaus mit hohen Fenstern und einer Terrasse 
vor der Auffahrt. Auf dieser Terrasse saßen wir oft. Sie war das 
Zentrum, wo man sich traf, -- hier nahmen wir den Kaffee nach Tisch, 
hier saßen wir an den Abenden, in leichte Mäntel gehüllt, plauderten 
und pafften blauen Rauch in die Luft, während aus den Wiesen das 
Gebrüll weidender Kühe herüberdrang oder vom Dorfe her ein Lied der 
jungen Mädchen, die durch den Abend gingen. 
Ein runder Rasenplatz, von Kieswegen eingefaßt, lag vor der Terrasse. 
Dann ging der Blick in eine Allee gekappter Linden, welche die 
Zufahrt zum Schlosse bildete. Hinter der Allee sah man Felder und in 
ihnen eine Mühle mit Sparrenflügeln. Der Raps blühte in den Feldern, 
zitronengelb, und Wolken seines Duftes quollen herüber, wenn ein 
Luftzug kam. Zu beiden Seiten des Schlosses lag der Park. Er hatte 
köstliche alte Bäume, die weit in das Land ragten, und war von einem 
Gewässer durchflossen, das sich an manchen Stellen teichartig 
erweiterte, und in dessen versteckten Winkeln giftgrüne Algen und 
unentwirrbarer Froschlöffel wucherten. Hatte man den Park 
durchwandert, so kam    
    
		
	
	
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