mit einem feinen, 
wohligen Empfinden des Verliebtseins vor mir liegen: den schlanken 
Körper, das dunkle Haar auf dem hellen Sande, die blutlosen Hände, 
die zierlichen Fesseln der Füße unter den durchbrochenen 
Seidenstrümpfen. 
Das Essen nahmen wir auf der Veranda unseres Zimmers. Nebenan aß 
ein Ehepaar mit seinen zwei halbwüchsigen Buben, auf der anderen 
Seite ein Engländer. Diesen sahen wir öfter, wie er über die Balustrade 
seiner Veranda hinauslehnte und eine Shagpfeife rauchte. Er hatte ein 
scharfgeschnittenes Gesicht und klare, wasserfarbene Augen. Jamaica 
ahmte ihn mitunter nach, indem sie sich grotesk auf die Balustrade 
stützte, mit steifem Nacken und etwas vorgeschobener Unterlippe 
hinausstarrte, ein paar Tabakswolken vor sich hinpaffte und ein 
langgezogenes »=o yes=« hören ließ. Eines Morgens begegneten wir 
ihm zu Pferde. Das Pferd war zu klein für ihn, seine Beine hingen lang 
herab, und aus der Ferne sah er aus wie Don Quichotte. Er grüßte uns, 
als er vorüberritt. Jamaica sah sich mehrmals lachend nach ihm um, 
was ich überflüssig fand. 
Ja, erst lachte sie über ihn und machte sich über ihn lustig, aber ich 
merkte bald, daß er sie näher zu interessieren begann, mehr als sie 
selber vielleicht noch ahnte. Als ich eines Mittags nach Hause kam und 
auf die Veranda trat, sah ich, daß sich Jamaica über die Balustrade 
lehnte, ebenso der Engländer nebenan, und daß sie miteinander 
plauderten. Ich gestehe offen, es durchfuhr mich heiß vor Eifersucht. 
Jamaica hatte ein so strahlendes und, wie ich fand, beinahe 
hingebendes Gesicht, während sie mit ihm sprach, daß ich innerlich
empört war über diesen Verrat und wie in einem Blitz schon jählings 
alles voraussah, wie es kommen mußte. Als sie mich erblickte, war sie 
ganz unbefangen und stellte mich als ihren Gatten vor. Nachher bei 
Tisch sagte sie: »Er ist wirklich sehr nett.« »So?« fragte ich. 
Sie war auch fürderhin zutraulich und liebevoll zu mir, wie ich es 
gewohnt war, aber jene Nuance der Demut, von der ich vorhin sprach 
und die ich so liebte, meinte ich nicht mehr zu empfinden. Ich wurde 
wohl etwas verschlossener in meinem Wesen, ich lachte nicht mehr so 
unbefangen, und dann kamen bald Tage, wo ich deutlich merkte, daß 
Jamaicas Gefühle lauer wurden. Sie hatte noch immer etwas 
Anschmiegsames, aber ich fühlte, sie zwang sich dazu, sie gab sich 
Mühe, liebevoll zu mir zu sein, da sie mich nicht betrüben wollte. Mit 
Schmerzen nahm ich dies alles wahr und konnte es nicht hindern. Ihr 
verändertes Wesen hatte zur Folge, daß meine Liebe nur noch wuchs. 
Sie merkte diese sich steigernde Leidenschaft, und ich fühlte, wie 
peinlich sie ihr war. Die gegenseitige untergründige Quälerei, die zwei 
Menschen so nervös machen kann, fing schon an, in mir strudelte es 
schon wie in einem aufgeregten Gewässer, aber ich beherrschte mich 
noch völlig. In diesem Zustand trat ein unsinniger Gedanke an mich 
heran, nämlich der Gedanke, Jamaica zu heiraten, damit sie mir nicht 
entrinnen könne, und dieser Gedanke nahm bald ganz von mir Besitz. 
Eines Morgens besuchte uns der Engländer in unserer Burg am Strande. 
Jamaica las gerade, sie sah auf und ein schnelles Glänzen ging über ihr 
Gesicht. Er zeigte uns eine kleine Versteinerung, die er gefunden hatte, 
und da Jamaica so begeistert davon war, schenkte er sie ihr. Sein 
Betragen war im übrigen völlig korrekt, nur verdroß mich die 
übermäßige Ruhe in seinem Wesen, die etwas Überhebliches hatte. Er 
bat, gelegentlich in der Frühe mit uns ausreiten zu dürfen; Jamaica 
zeigte sich sehr erfreut über diesen Vorschlag. Dann reichte er uns 
beiden die Hand und ging. 
»Du hättest freundlicher zu ihm sein können«, sagte Jamaica, als er fort 
war. 
»Findest Du?« fragte ich nur; sonst nichts.
Sie las weiter und hielt dabei, ich sah es wohl, die kleine Versteinerung 
fest umschlossen in ihrer seelenvollen Hand. 
Für den Nachmittag hatten wir Pferde bestellt. Wir ritten den Strand 
entlang, es war ein heißer, erschlaffender Tag. Wir sprachen wenig, es 
war etwas zwischen uns, das uns die Lust zum Sprechen nahm. 
Wir ritten einen kleinen Galopp; ich sah Jamaica scharf von der Seite 
an, dann sagte ich: 
»Jamaica, ich will etwas von Dir wissen.« 
»Was?« fragte sie tiefatmend und sah mich erstaunt an. 
»Liebst Du den Engländer?« 
Sie schüttelte den Kopf. 
»Doch«, sagte ich, »denkst Du, ich merke es nicht? Ich halte es nicht 
aus.« 
Sie reichte mir die Hand herüber, mit einem freundlichen, 
teilnahmsvollen Lächeln. So gibt man die Hand einem guten Kinde 
zum Abschied, dachte ich. Ich nahm sie nicht. 
»Jamaica, ich liebe Dich!« sagte ich nun. »Ich wüßte nicht, wie ich 
meine Tage in Zukunft ohne Dich verbringen sollte. Ich will, daß Du 
von jetzt ab nur mir gehörst -- verstehst Du? -- nur mir und keinem 
andern. Sag, willst Du meine Frau werden?« 
Sie entgegnete nichts und sah nur mit gedecktem Blick auf die Mähne 
ihrer Stute. 
»Ich möchte, daß wir uns heiraten. Jamaica, sag doch    
    
		
	
	
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