Die Kurtisane Jamaica | Page 9

Hans Bethge
Gesch?pf. Man m?chte sie immer ansehen, finden Sie nicht??
?Ein Bild?, entgegnete ich, ?ein wirkliches Bild, ich versichere Sie, ich kann es beurteilen, ich bin ein Maler! Sie kann sich bewegen, wie sie will, es ist immer ein Bild. Es macht mich rasend, da? ich keine Zeit habe, sie zu malen. Was ist eine Skizze??
?Ja, ja, ich glaube Ihnen?, sagte der Assessor.
Pfingstsonntag. Früh hatte ich zu arbeiten, nachher l?uteten die Glocken zum Kirchgang; müde lie? ich meine H?nde ruhen. Ich sah, wie das gr?fliche Paar, der Hauslehrer, Charlotte und die Jungen gemeinsam zur Kirche schritten. Der Assessor streifte durch den Park, in wei?en Beinkleidern und blauer Jacke. Als er mich sah, kam er auf mich zu und fragte, ob ich mit Tennis spielen wolle; die jungen Damen warteten schon auf der Terrasse. ?Jawohl?, sagte ich, ?mit Vergnügen.? Der Assessor half mir die Malsachen schleppen, dann spielten wir Tennis.
Die M?dchen hatten dunkelblaue, fu?freie Kleider und wei?e Blusen an. Komte? Anna hatte einen roten Filzhut über das Haar gestülpt, Leonore trug das Haar frei. Ich spielte mit Komte? Anna, der Assessor mit Leonore. Ein Diener suchte die B?lle. Ich verwünschte es im stillen, da? ich an diesem Spiel teilnahm, ich h?tte viel lieber daneben gesessen und Studien nach Leonores Bewegungen gemacht, die so sicher waren, so ruhig und doch von so starkem Temperament.
?Warum sehen Sie mich immer so an?? fragte sie einmal, nicht unwillig, sondern mit einem L?cheln.
?Sie wissen ja, Sie interessieren mich malerisch?, entgegnete ich, ?verzeihen Sie, wenn ich Sie so oft ansehe.?
Ich machte eine Verbeugung wie vor einer Dame, wobei ich dachte: Diese Verbeugung ist unn?tig, sie ist ja ein Kind. Ich bemühte mich, sie in Zukunft weniger anzusehen. Eine Weile gelang es mir. Dann fiel ich in meinen alten Fehler zurück.
Ich nahm mir vor, nachher neue Skizzen nach ihr zu machen. Sie hatte Bewegungen beim Spiel, die sie wie eine Blüte erscheinen lie?en; das war, wenn sie den Hals streckte und den Kopf etwas zurückwarf. Einmal gab sie mir einen Ball in die Hand. Wie seltsam funkelnd waren ihre Augen, als sie mir den Ball gab. Das sind sü?e, leidenschaftliche Augen, dachte ich, und dieses sonderbare Blau. Ich dachte wieder daran, wie ich das malen k?nnte. Ich dachte immer nur ans Malen, ich Trottel, ich kindischer Geselle!
Nachmittags probte alles alte Kostüme. Ich hatte mir einen Rock aus hellgrauer Seide hervorgesucht, der mit Rosengirlanden bestickt war; dazu einen Kavalierdegen und Eskarpins. In diesem Kostüm sa? ich noch eine Weile am Tisch meines Zimmers und machte aus der Erinnerung Bewegungsskizzen nach der tennisspielenden Leonore. Dann t?nte das Gong, ich ging zum Diner hinüber ins Schlo?.
In dem blauen Salon traf ich die beiden Freundinnen. Ich blieb wie angewurzelt stehen. Die M?dchen sahen so überraschend echt in ihren Kostümen aus, da? ich meinte, ich s?he eine Vision aus der Zeit des =ancien régime=. Leonore trug ein langes, silberbesticktes Gewand aus blaugrauem Brokat, das hinten schleppte. Hals und Schultern waren frei. Sie trug eine hohe bepuderte Coiffüre, in der eine mattrote Rose steckte. Auf der einen Wange, nahe der Schl?fe, lag ein schwarzes Pfl?sterchen. Ich sah sie zuerst im Profil, sie blickte gegen das Licht zum Fenster hin und hielt spielend einen alten F?cher in der Hand.
Komte? Anna war in Grünblau. Auch sie hatte bepudertes Haar, ihr Gewand war glockenf?rmig. Sie trat mir lachend entgegen und fragte:
?Wie gefallen wir Ihnen, Marquis??
?Ich bin hingerissen?, sagte ich, ?Sie sollten immer solche Kleider tragen. Auch Sie, Fr?ulein Helfinger.?
Leonore sah mich an, mit einem L?cheln. Wie wundervoll war die bla?rote Rose in ihrem bepuderten Haar! Wie m?dchenhaft hold die Linie von dem feinen Hals zu den Schultern.
?Wahrhaftig, man sollte das malen?, sagte ich, ?ganz in Silber und Grau.? Ich kniff die Augen ein wenig zu und betrachtete sie.
Da verschwand das L?cheln von ihrem Mund.
Sie wendete sich ab, fast verdrossen, und sah wieder zum Fenster hinaus, mit verhangenem Blick, als d?chte sie an Fernes. Ich sah hinüber zu ihr und dachte: Wie reizend w?re es, wenn ich sie jetzt skizzieren k?nnte!?...
Nun kamen die andern. Die Gr?fin kam in schwarzer Seide, mit grauer Perücke. Der Graf hatte eine Uniform aus der Zeit der Freiheitskriege angelegt. Charlotte trug ein geblümtes Kleidchen von 1830. Auf ihrem offenen Haar, das zu langen Locken gedreht war, lag ein dünner Kranz aus Tausendsch?nchen. Dieses zarte Kind war wie ein schwebendes Lied, wie eine verwehende Melodie.
Der Assessor trug ein Kostüm vom Schnitt des meinigen, aber in Hellblau. Die Gouvernante hatte ein Gewand aus der Schwedenzeit angelegt. Der Hauslehrer ging in einem altv?terlichen Rock mit breiten Aufschl?gen aus Samt. Fred und Klaus kamen in ihren Matrosenkitteln und machten b?sartige Glossen über die andern.
Wir gingen paarweis zu Tisch. Ich hatte Leonore zu führen. Leicht und ernst hing sie an meinem Arm, ein Traum.
Bei Tisch war ich mir immer bewu?t, da? ein Profil von seltener Kostbarkeit an meiner Seite war;
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