Schicksal geht mir immer zu Herzen. Sie hinterließ 
eine Tochter, erzähltest du mir, die ihrer Mutter leider bald folgte. 
Wenn die nur leben geblieben wäre, du hättest wenigstens etwas von 
ihr übrig gehabt, etwas gehabt, woran sich deine Sorgen und dein 
Schmerz geheftet hätten. 
WILHELM (sich lebhaft nach ihm wendend). Ihre Tochter? Es war ein 
holdes Blütchen. Sie übergab mir's--Es ist zu viel, was das Schicksal 
für mich getan hat!--Fabrice, wenn ich dir alles sagen könnte-- 
FABRICE. Wenn dir's einmal ums Herz ist. 
WILHELM. Warum sollt' ich nicht-- 
(Marianne mit einem Knaben.) 
MARIANNE. Er will noch Gutenacht sagen, Bruder. Du mußt ihm 
kein finster Gesicht machen, und mir auch nicht. Du sagst immer, du 
wolltest heiraten und möchtest gerne viel Kinder haben. Die hat man 
nicht immer so am Schnürchen, daß sie nur schreien, wenn's dich nicht 
stört. 
WILHELM. Wenn's meine Kinder sind. 
MARIANNE. Das mag wohl auch ein Unterschied sein. 
FABRICE. Meinen Sie, Marianne? 
MARIANNE. Das muß gar zu glücklich sein! (Sie kauert sich zum 
Knaben und küßt ihn.) Ich habe Christeln so lieb! Wenn er erst mein 
wäre!--Er kann schon buchstabieren; er lernt's bei mir. 
WILHELM. Und da meinst du, deiner könnte schon lesen? 
MARIANNE. Jawohl! Denn da tät' ich mich den ganzen Tag mit nichts 
abgeben, als ihn aus--und anziehen, und lehren, und zu essen geben, 
und putzen, und allerlei sonst. 
FABRICE. Und der Mann? 
MARIANNE. Der täte mitspielen: der würd' ihn ja wohl so liebhaben 
wie ich. Christel muß nach Haus und empfiehlt sich. (Sie führt ihn zu 
Wilhelmen.) Hier, gib eine schöne Hand, eine rechte Patschhand! 
FABRICE. (für sich). Sie ist gar zu lieb; ich muß mich erklären. 
MARIANNE. (das Kind zu Fabricen führend). Hier dem Herrn auch. 
WILHELM (für sich). Sie wird dein sein! Du wirst--Es ist zu viel, ich 
verdien's nicht.--(Laut). Marianne, schaff das Kind weg; unterhalt 
Herrn Fabricen bis zum Nachtessen; ich will nur ein paar Gassen auf 
und ab laufen; ich habe den ganzen Tag gesessen. (Marianne ab.) Unter
dem Sternhimmel nur einen freien Atemzug!--Mein Herz ist so 
voll.--Ich bin gleich wieder da! (Ab.) 
(Fabrice allein.) 
FABRICE. Mach der Sache ein Ende, Fabrice. Wenn du's nun immer 
länger und länger trägst, wird's doch nicht reifer. Du hast's beschlossen. 
Es ist gut, es ist trefflich! Du hilfst ihrem Bruder weiter, und sie--sie 
liebt mich nicht, wie ich sie liebe. Aber sie kann auch nicht heftig 
lieben, sie soll nicht heftig lieben!--Liebes Mädchen!--Sie vermutet 
wohl keine andere als freundschaftliche Gesinnungen in mir!--Es wird 
uns wohlgehen, Marianne!--Ganz erwünscht und wie bestellt, die 
Gelegenheit! Ich muß mich ihr entdecken--und wenn mich ihr Herz 
nicht verschmäht--von dem Herzen des Bruders bin ich sicher. 
(Marianne kommt.) 
FABRICE. Haben Sie den Kleinen weggeschafft? 
MARIANNE. Ich hätt' ihn gern dabehalten; ich weiß nur, der Bruder 
hat's nicht gern, und da unterlass' ich's. Manchmal erbettelt sich der 
kleine Dieb selbst die Erlaubnis von ihm, mein Schlafkamerad zu sein. 
FABRICE. Ist er Ihnen denn nicht lästig? 
MARIANNE. Ach, gar nicht. Er ist so wild den ganzen Tag, und wenn 
ich zu ihm ins Bette komm', ist er so gut wie ein Lämmchen! Ein 
Schmeichelkätzchen! und herzt mich, was er kann; manchmal kann ich 
ihn gar nicht zum Schlafen bringen. 
FABRICE (halb für sich). Die liebe Natur. 
MARIANNE. Er hat mich auch lieber als seine Mutter. 
FABRICE. Sie sind ihm auch Mutter. (Marianne steht in Gedanken, 
Fabrice sieht sie eine Zeitlang an.) Macht Sie der Name Mutter traurig? 
MARIANNE. Nicht traurig, ich denke nur so. 
FABRICE. Was, süße Marianne? 
MARIANNE. Ich denke--ich denke auch nichts. Es ist mir nur 
manchmal so wunderbar. 
FABRICE. Sollten Sie nie gewünscht haben--? 
MARIANNE. Was tun Sie für Fragen? 
FABRICE. Fabrice wird's doch dürfen? 
MARIANNE. Gewünscht nie, Fabrice. Und wenn mir auch einmal so 
ein Gedanke durch den Kopf fuhr, war er gleich wieder weg. Meinen 
Bruder zu verlassen, wäre mir unerträglich--unmöglich--, alle übrige 
Aussicht möchte auch noch so reizend sein.
FABRICE. Das ist doch wunderbar! Wenn Sie in einer Stadt 
beieinander wohnten, hieße das ihn verlassen? 
MARIANNE. O nimmermehr! Wer sollte seine Wirtschaft führen? wer 
für ihn sorgen?--Mit einer Magd?--oder gar heiraten?--Nein, das geht 
nicht! 
FABRICE. Könnte er nicht mit Ihnen ziehen? Könnte Ihr Mann nicht 
sein Freund sein? Könnten Sie drei nicht ebenso eine glückliche, eine 
glücklichere Wirtschaft führen? Könnte Ihr Bruder nicht dadurch in 
seinen sauern Geschäften erleichtert werden?--Was für ein Leben 
könnte das sein! 
MARIANNE. Man sollt's denken. Wenn ich's überlege, ist's wohl wahr. 
Und hernach ist mir's wieder so, als wenn's nicht anginge. 
FABRICE. Ich begreife Sie nicht. 
MARIANNE. Es ist nun so.--Wenn ich aufwache, horch' ich, ob der 
Bruder schon auf ist; rührt sich nichts, hui bin ich aus dem Bette in der 
Küche, mache Feuer an, daß das Wasser über und über kocht, bis die 
Magd aufsteht und er seinen Kaffee hat, wie er die Augen auftut. 
FABRICE. Hausmütterchen. 
MARIANNE. Und dann    
    
		
	
	
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