der 
Unsterblichkeit der Seele, und die damit verbundene Lehre von Strafe 
und Belohnung in einem künftigen Leben, darum völlig fremd sind: 
beweiset eben so wenig wider den göttlichen Ursprung dieser Bücher. 
Es kann dem ohngeachtet mit allen darinn enthaltenen Wundern und 
Prophezeyungen seine gute Richtigkeit haben. Denn laßt uns setzen, 
jene Lehren würden nicht allein darinn vermißt, jene Lehren wären 
auch sogar nicht einmal wahr, laßt uns setzen, es wäre wirklich für die 
Menschen in diesem Leben alles aus: wäre darum das Daseyn Gottes 
minder erwiesen? stünde es darum Gotte minder frey, würde es darum 
Gotte minder ziemen, sich der zeitlichen Schicksale irgend eines Volks 
aus diesem vergänglichen Geschlechte unmittelbar anzunehmen? Die 
Wunder, die er für die Juden that, die Prophezeyungen, die er durch sie 
aufzeichnen ließ, waren ja nicht blos für die wenigen sterblichen Juden, 
zu deren Zeiten sie geschahen und aufgezeichnet wurden: er hatte seine 
Absichten damit auf das ganze jüdische Volk, auf das ganze 
Menschengeschlecht, die hier auf Erden vielleicht ewig dauern sollen, 
wenn schon jeder einzelne Jude, jeder einzelne Mensch auf immer 
dahin stirbt.
§. 23. 
Noch einmal. Der Mangel jener Lehren in den Schriften des Alten 
Testaments beweiset wider ihre Göttlichkeit nichts. Moses war doch 
von Gott gesandt, obschon die Sanktion seines Gesetzes sich nur auf 
dieses Leben erstreckte. Denn warum weiter? Er war ja nur an das 
Israelitische Volk, an das damalige Israelitische Volk gesandt: und sein 
Auftrag war den Kenntnissen, den Fähigkeiten, den Neigungen dieses 
damaligen israelitischen Volks, so wie der Bestimmung des künftigen, 
vollkommen angemessen. Das ist genug. 
§. 24. 
So weit hätte Warburton auch nur gehen müssen, und nicht weiter. 
Aber der gelehrte Mann überspannte den Bogen. Nicht zufrieden, daß 
der Mangel jener Lehren der göttlichen Sendung Mosis nichts schade: 
er sollte ihm die göttliche Sendung Mosis sogar beweisen. Und wenn er 
diesen Beweis noch aus der Schicklichkeit eines solchen Gesetzes für 
ein solches Volk zu führen gesucht hätte! Aber er nahm seine Zuflucht 
zu einem von Mose bis auf Christum ununterbrochen fortdaurenden 
Wunder, nach welchem Gott einen jeden einzeln Juden gerade so 
glücklich oder unglücklich gemacht habe, als es dessen Gehorsam oder 
Ungehorsam gegen das Gesetz verdiente. Dieses Wunder habe den 
Mangel jener Lehren, ohne welche kein Staat bestehen könne, ersetzt; 
und eine solche Ersetzung eben beweise, was jener Mangel, auf den 
ersten Anblick, zu verneinen scheine. 
§. 25. 
Wie gut war es, daß Warburton dieses anhaltende Wunder, in welches 
er das Wesentliche der Israelitischen Theokratie setzte, durch nichts 
erhärten, durch nichts wahrscheinlich machen konnte. Denn hätte er das 
gekonnt; wahrlich--alsdenn erst hätte er die Schwierigkeit unauflöslich 
gemacht.--Mir wenigstens.--Denn was die Göttlichkeit der Sendung 
Mosis wieder herstellen sollte, würde an der Sache selbst zweifelhaft 
gemacht haben, die Gott zwar damals nicht mittheilen, aber doch gewiß 
auch nicht erschweren wollte.
§. 26. 
Ich erkläre mich an dem Gegenbilde der Offenbarung. Ein 
Elementarbuch für Kinder, darf gar wohl dieses oder jenes wichtige 
Stück der Wissenschaft oder Kunst, die es vorträgt, mit Stillschweigen 
übergehen, von dem der Pädagog urtheilte, daß es den Fähigkeiten der 
Kinder, für die er schrieb, noch nicht angemessen sey. Aber es darf 
schlechterdings nichts enthalten, was den Kindern den Weg zu den 
zurückbehaltnen wichtigen Stücken versperre oder verlege. Vielmehr 
müssen ihnen alle Zugänge zu denselben sorgfältig offen gelassen 
werden: und sie nur von einem einzigen dieser Zugänge ableiten, oder 
verursachen, daß sie denselben später betreten, würde allein die 
Unvollständigkeit des Elementarbuchs zu einem wesentlichen Fehler 
desselben machen. 
§ 27. 
Also auch konnten in den Schriften des Alten Testaments, in diesen 
Elementarbüchern für das rohe und im Denken ungeübte Israelitische 
Volk, die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele und künftigen 
Vergeltung gar wohl mangeln: aber enthalten durften sie 
schlechterdings nichts, was das Volk, für das sie geschrieben waren, 
auf dem Wege zu dieser großen Wahrheit auch nur verspätet hätte. Und 
was hätte es, wenig zu sagen, mehr dahin verspätet, als wenn jene 
wunderbare Vergeltung in diesem Leben darinn wäre versprochen, und 
von dem wäre versprochen worden, der nichts verspricht, was er nicht 
hält? 
§. 28. 
Denn wenn schon aus der ungleichen Austheilung der Güter dieses 
Lebens, bey der auf Tugend und Laster so wenig Rücksicht genommen 
zu seyn scheinet, eben nicht der strengste Beweis für die 
Unsterblichkeit der Seele und für ein anders Leben, in welchem jener 
Knoten sich auflöse, zu führen: so ist doch wohl gewiß, daß der 
menschliche Verstand ohne jenem Knoten noch lange nicht--und 
vielleicht auch nie--auf bessere und strengere Beweise gekommen wäre. 
Denn was sollte ihn antreiben können, diese bessern Beweise zu suchen?
Die blosse Neugierde? 
§. 29. 
Der und jener Israelite mochte freylich wohl die göttlichen 
Versprechungen und Androhungen, die sich auf den gesammten Staat 
bezogen, auf jedes einzelne Glied desselben erstrecken, und in dem 
festen Glauben stehen, daß wer fromm sey auch glücklich seyn müsse, 
und wer unglücklich sey, oder werde, die Strafe seiner Missethat trage, 
welche    
    
		
	
	
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